Das Kernstück der rund zweistündigen Veranstaltung Unter dem Titel „Gütegesicherte Klebetechnik – Mehrwert für den Fensterbau“ bildete die Podiumsdiskussion zum Pro und Kontra der Klebetechnik – moderiert von GLASWELT-Chefredakteur Daniel Mund. Ihm standen Experten und Praktiker aus dem Fensterbau sowie der Gütegemeinschaft in Bonn, aber auch den Gütegemeinschaften Flachglas und Fenster, Fassaden und Haustüren Rede und Antwort. Sie waren zum Teil live vor Ort bei RAL in Bonn, Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung, zum Teil per Video zugeschaltet.
Überraschendes Stimmungsbild: Große Investitionsbereitschaft für die Klebetechnik
Zu Beginn der Diskussionsrunde zeichnete Frank Lange, Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren (VFF) ein Stimmungsbild, wie die Klebetechnik in der Fensterbaubranche angenommen wird. Nach einer Umfrage setzen sich 85 % der Herstellerbetriebe mit der Klebetechnik auseinander und setzen diese auch bereits ein. Über 40 % seien bereit, in die Klebetechnik zu investieren. „Warum wir noch nicht weiter sind, liegt daran, dass sich die Verarbeiter mit Investitionsentscheidungen und geänderten Fertigungsabläufen beschäftigen müssen.“ Des Weiteren gebe es derzeit noch nicht den Marktdruck. Hier seien die Unternehmen und Verbände gefordert, über die Alleinstellungsmerkmale von Klebekonstruktionen zu informieren und für den Endkunden erlebbar zu machen. Summa summarum geht Frank Lange speziell in Bezug auf die Anforderung höherer Sicherheitsklassen davon aus, „dass die Klebetechnik in den nächsten Jahren wachsen wird“. Heute liegt der Marktanteil bei etwa 10 %.
Zuverlässige Systeme dank lückenloser Gütesicherungskette
Durch die Verklebung von Glasrahmenverbindungen übernimmt das Glas die aussteifende Wirkung. Daniel Mund wollte daher von Ralf Vornholt (Vorstandsvorsitzender der Gütegemeinschaft Flachglas) wissen, ob er diesbezüglich Bedenken habe: In den letzten 20 Jahren sind die Komplexität von Randverbünden und der Glasfalz enorm gewachsen, so Vornholt. „Heute gibt es eine Vielfalt an Materialien, die wir zusammenbringen, wie etwa Verbundmaterialien, Primär- und Sekundärdichtstoffe, den Kunststoffrahmen und Klebstoffe. Diese Systeme müssen sehr genau geprüft werden“, führte Vornholt aus. Deshalb sei eine lückenlose Gütesicherungskette wichtig: vom ersten Zulieferprodukt, was zum ersten Teilsystem führt – dem Isolierglas –, über das Profilsystem bis hin zum fertigen Fenster. „Nur so kann das System zuverlässig und dauerhaft funktionieren.“
Das sagten die Fensterbauer zur Klebetechnik
Die beiden Fensterbauer Leo Löffler (Löwe Fenster Löffler) und Markus Lauber (Lauber Fensterbau) kleben ihre Kunststofffenster zu fast 100 % und das vollautomatisch. Während der Diskussionsrunde teilten die beiden Überzeugungskleber mit den Zuschauern ihre Erfahrungen aus der Praxis. Lauber berichtete beispielsweise, dass seine Kunden zum einen schlanke und filigrane, zum anderen einbruchhemmende Fenster wünschen. „Das geht nicht ohne die Klebetechnik.“ Auch Löffler sieht für den Fensterbau Vorteile: „Wir können schneller, stabiler und leichter produzieren“, brachte er es auf den Punkt.
Fensterbauer Lauber griff auch das Thema Scheibenbruch auf: Der Anteil an zu wechselnden Scheiben habe sich in seinem Betrieb generell reduziert, weil er seine Scheiben vor dem Einbau vor einer Leuchtwand auf Einschlüsse und andere „Macken“ prüfe. Zudem seien die Glaskanten besäumt. Sollte in der Fertigung oder beim Kunden doch einmal eine Scheibe kaputt gehen, werde sie in ein paar Minuten ausgetauscht. „Das ist ein recht überschaubarer, einfacher Aufwand.“ Ergänzende Erfahrungen mit der Klebetechnik lieferten eingespielte Statements von erfahrenen Verarbeitern, die seit Jahren auf die Klebetechnik setzen.
Das meinten die GKFP-Experten
Gerichtet an die Expertengruppe der GKFP wollte Moderator Mund wissen, welche Möglichkeiten Systemhäuser, Klebe- und Maschinenindustrie dem Fensterbauer in Bezug auf die Glasrahmenverklebung liefern.
Joachim Hauns (aluplast), der stellvertretend für die Systemgeber in der GKFP sprach, betonte die angebotene Variantenvielfalt in der Klebetechnik und das erweiterte Profilportfolio, das die Häuser ihren Kunden anbieten. Beispielsweise gebe es Systeme am Markt, die Aussteifungen bereits im Profil integriert haben. „Das erweitert die Möglichkeiten insbesondere beim Thema Kleben und Dekor.“
Das sind die Servicemaßnahmen der Klebstoffanbieter
Im Hinblick auf die Prozesssicherheit und Automatisierungstechnik schnüren die Klebstoff- und Klebebandhersteller ihren Kunden ein Rundum-sorglos-Paket, das die Wirtschaftlichkeit des Fensterbauers voranbringe: „In der Projektphase sitzen die Klebeleute mit den Systemgebern, Beschlagherstellern, Anlagenbauern und Verarbeitern an einem Tisch“, um den Prozess für die Serienfertigung samt Anlagentechnik zu planen und die Wahl des geeigneten Klebstoffes zu besprechen, betonte Andreas Dirksen vom Klebstoffhersteller Sika.
„Selbstverständlich bieten wir dem Fensterbauer auch Schulungsprogramme und Richtlinien an, um eine Hilfestellung zu bieten“, was speziell für das Klebeband wichtig sei, ergänzte Peter Harendt, vom Klebeband-Anbieter Lohmann. Des Weiteren gingen die Klebeexperten auf die Besonderheiten des Klebebandes ein und erklärten den Zusammenhang zwischen Klebetechnik und Einbruchschutz: Durch gemeinsam von Klebstoff- und Beschlagherstellern sowie Systemhäusern durchgeführte RC-Prüfungen sei es für Fensterbauer z. B. möglich, ohne eigenen Prüfaufwand Sicherheitsfenster zu produzieren, verdeutlichte Michael Merkle (Technical Service bei H.B. Fuller | Kömmerling). Ein weiteres Thema war die Verklotzung im geklebten System: Günther Weinbacher (Otto Chemie) erläuterte, dass man nur noch dort verklotzen müsse, wo es Sinn macht: „Im Eckbereich zum Beispiel, wo die Beschläge sind oder wo die Eigenlastabtragung ist.“
Automatische Anlagen vereinfachen das Handling beim Klebstoffauftrag
Die Position der GKFP-Maschinenbauer nahm Christian Denk (Rotox) ein. Er informierte über die Vor- und Nachteile der manuellen, teilautomatisierten und vollautomatisierten Klebung: So könne die Kleberaupe bei der händischen Applikation in puncto Auftragsgeschwindigkeit und -menge nicht so genau ausgeführt werden wie bei der vollautomatisierten Lösung. „Jedoch kann man auf die Handapplikationen oder Kartuschenverklebung nicht komplett verzichten, wenn wir an Reparaturen oder die Verklebung großer Elemente auf Baustellen denken.“ Teil- oder halbautomatische Anlagen vereinfachen hauptsächlich das Handling beim Klebstoffauftrag. Für welche Variante sich der Verarbeiter letztlich entscheidet, hänge von den Gegebenheiten im jeweiligen Betrieb ab. „Wer sich für einen Klebeautomaten entscheidet, will zu 100 % kleben“, weiß Denk.
Impulsvorträge zum Direct Glazing aus unterschiedlichen Blickwinkeln
Eingeleitet wurde das TechnologieForumZukunft durch kurze Impulsvorträge zum Direct Glazing: Dr. Michael Szerman (Veka), Vorstand der Gütegemeinschaft, beleuchtete das Kleben von Glasrahmenkonstruktionen aus der Sicht der Gütesicherung. Die Vorteile der Klebetechnik liegen für Szerman auf der Hand: „Die Aktivierung der Glasscheibe führt zur Elementaussteifung und ermöglicht größere Elemente mit höheren Glasgewichten.“ Neben den neuen Gestaltungsmöglichkeiten mit schmaleren Ansichtsbreiten und mehr Tageslicht sprechen auch die verbesserte Einbruchhemmung und die erhöhte Fertigungsoptimierung für das Kleben. Zum Abschluss verdeutlichte er noch, warum standardisierte Güteanforderungen für geklebte Fenstersysteme überhaupt sinnvoll sind: „Die RAL Gütesicherung stellt sicher, dass alle eingesetzten Komponenten geklebter Verglasungen in Kunststofffenstern verträglich sind und alle Eigenschaften zur Dauergebrauchstauglichkeit aufweisen“, so Szerman zusammenfassend.
Engelbert König vom österreichischen Fensterhersteller Internorm betrachtete in seinem Vortrag die Thematik aus Sicht der System- und Klebetechnik: Er ging auf die Besonderheiten in deren Fertigung ein: So setze Internorm auf eine Kombination aus mehreren Klebesystemen. Zum Abschluss gab er einen Ausblick, wie sich die Klebetechnik weiterentwickelt. Für König stelle sich die Frage, ob es künftig nicht möglich wäre, das Fenster mittels Verklebung mit der Wand zu verbinden (lesen Sie dazu auch unseren Beitrag in der Aprilausgabe der GLASWELT von Peter Schober von der Holzforschung Austria).
Das wollten die Zuschauer wissen
Wer es ganz genau wissen wollte, hatte während der Live-Veranstaltung die Möglichkeit, Fragen über ein Chat-Formular zu stellen. Dieses Angebot wurde genutzt, Detailfragen wurden rege platziert. Ein Zuschauer wollte beispielsweise wissen, ob die Investition in die Klebetechnik auf den Fensterpreis aufgeschlagen wird? Hier konnte Fensterbauer Löffler beruhigen: „Wir können fast preisgleich produzieren, weil wir auf Stahl verzichten und die Flügel schmäler werden.“ Eingespart werde auch an Produktionszeit im Ablauf.
Alle Fragen und Antworten hat die Gütegemeinschaft in einem Q&A-Papier zusammengefasst – abrufbar auf www.gkfp.de/veranstaltungen. Ein Live-Mitschnitt zur Veranstaltung sowie eine Begleitbroschüre sind dort ebenfalls verlinkt.