Zu dunkle Räume, zu kalte Räume, zu feucht, zu wenig Lüftung, so kann man die Anforderungen an den aktuellen Wohnraumbestand in Deutschland zusammenfassen. Damit sind wir im schlechteren Mittelfeld, was gesunde Wohnräume angeht. Ganz vorne hingegen liegen die skandinavischen Länder.
Wie die neue Meta-Studie von RAND Europe zusammenfasst, wird die aktuelle Energiekrise gravierende Auswirkungen auf Gebäude und Gesundheit in Europa haben. Velux als Auftraggeber der neuen Studie warnt vor starkem Anstieg von Schimmel im Gebäudebestand durch zu wenig Heizen und Lüften. Hier sind sinnvolle, nachhaltige Sanierungsmaßnahmen gefragt.
Doch gerade Ein- und Zweifamilienhausbesitzer schätzen in der Regel ihre Gebäudequalität viel zu gut ein, um Energiesparmaßnahmen durch Sanierungen als notwendig zu erachten und zum anderen, diese voranzutreiben und richtig umzusetzen.
Mehr Zeit im Gebäude erfordert mehr „Licht und Luft“
„Als wahre ‚Indoor Generation‘ verbringen wir bis zu 90 % unseres Lebens in Innenräumen. Durch die Corona-Pandemie und vermehrtes Homeoffice ist das so präsent wie nie. Daher ist es umso wichtiger, dass wir Wohnräume schaffen, die durch geringen Energieverbrauch klimafreundlich und bezahlbar sind und sich gleichzeitig positiv auf unsere Gesundheit auswirken“, unterstreicht Till Reine Head of Public Affairs DACH bei Velux.
Mehr Schimmelbefall in Wohnungen, mehr Atemwegserkrankungen, mehr gesellschaftliche Unzufriedenheit – die Auswirkungen der aktuellen Energiekrise dürften nach einer neuen Studie deutlich gravierender ausfallen als bislang angenommen.
Generell geht die von Velux beauftragte Studie europaweit von einer unzureichenden Gebäude- und Fassadenqualität aus. In der Studie von RAND Europe, einer gemeinnützigen politischen Forschungsorganisation, kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass bereits vor 2022 viele Europäer in zu kalten Wohnungen leben mussten. Weitere 29 Mio. waren von Dunkelheit, 69 Mio. von Feuchtigkei unmittelbaren Zusammenhang mit der sozialen Situation und insgesamt mit der Unzufriedenheit einer Gesellschaft auf. Diese Auswertungen sind Teil des „Healthy Homes Barometer 2022“.
Diese Analyse des europäischen Gebäudebestands wird seit 2015 regelmäßig auf der Basis von wissenschaftlichen Untersuchungen vom Dachfenster-Hersteller Velux herausgegeben. Für die jüngste Studie hat sich RAND Europe auf den Datensatz von mehr als 100 000 Haushalten gestützt.
Wenn gesundes Wohnen zur sozialen Frage wird
Die Studie mache deutlich, dass eine gesunde, warme Wohnung in Europa eine soziale Frage ist. Neueste Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigen, dass sich die Situation mit den seit 2021 gestiegenen Energiepreisen deutlich verschärft hat. So ist der Anteil der von Energiearmut betroffenen Menschen in Deutschland in den letzten Monaten dramatisch angestiegen – von 13,6 % im Jahr 2020 über 14,5 % im Jahr 2021 auf 25,2 % im Mai 2022.
Von Energiearmut eines Haushaltes spricht man, wenn die Energieausgaben größer als 10 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens sind.
„Als Folge der stark gestiegenen Energiepreise drohen zusätzlich erhebliche Schäden im Gebäudebestand, ein Anstieg von Atemwegs- und psychischen Erkrankungen sowie eine steigende gesellschaftliche Unzufriedenheit“, so Ralf Hengherr, wissenschaftlicher Berater der Repräsentanz transparente Gebäudehülle, der das Healthy Homes Barometer 2022 begleitet hat. Till Reine von Velux ergänzt: „In der derzeitigen Energiekrise ist es sehr wahrscheinlich, dass über die Heizperiode hinweg vermehrter Schimmelbefall auftauchen wird.“
Zu wenig Heizen in Verbindung mit zu wenig Lüften und starker Wohnungsbelegung führt fast sicher zu Feuchtigkeits- und Schimmelbildung. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Wohnraummängeln sind bereits gut dokumentiert und umfassen Krankheiten wie Asthma, Atemwegsprobleme oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Rund 94 % der Hausbesitzer haben eine falsche Einschätzung der Energieeffizienz der eigenen Wohung. So das Healthy Homes Barometer 2022. Die Studie zeigt weiter, wie gering das Wissen der Hauseigentümer in Deutschland über den energetischen Zustand ihrer Gebäude ist. So erreichen mehr als 52 % der Ein- und Zweifamilienhäuser nicht einmal Effizienzklasse D, aber nur knapp 6 % dieser Eigentümer wissen davon.
Gesunde Wohnungen: Deutschland im schlechteren Mittelfeld
Im europäischen Vergleich stehen die nordischen Länder mit Norwegen und Finnland an der Spitze, wenn es um gute Raumklima-Qualität geht. Dort klagen nur 19 % der Einwohner über schlechte Wohnverhältnisse, dicht gefolgt von der Slowakei (20 %) und der Tschechischen Republik (22 %).
Die schlechtesten Bedingungen zeigen sich laut der aktuellen Wohngesundheitsstudie in Portugal (50 %) und Zypern (49 %) – Deutschland liegt mit 35 % im schlechteren Mittelfeld. 26 % der Deutschen fühlen sich durch zu starken Lärm gestört. Diese subjektive Einschätzung steht allerdings dem real gemessenen Lärmpegel entgegen, bei dem Deutschland besser abschneidet als viele andere Länder.
Ohne die subjektiv wahrgenommene Lärmbelästigung wäre Deutschlands Ranking deutlich besser. Insgesamt sind die Deutschen mit ihrem Wohnumfeld nicht sonderlich zufrieden. Eine Kompensation in Euro würde den Staat rund 50 Mrd. Euro jährlich kosten.
Wie das Healthy Homes Barometer 2022 zeigt, ist die Sanierung des Gebäudebestands ein zentraler Lösungsansatz, sowohl zur Bekämpfung der Energiekrise als auch der gesundheitlichen Folgewirkungen. Ralf Hengherr fordert daher eine Änderung der Förderpolitik: „Mit ihrer Reaktion auf die Energiekrise und Gasmangellage bekämpft die Bundesregierung die Symptome der aktuellen Situation.
Mit einer stärkeren Förderung für Gebäudesanierung könnte Deutschland gegenüber Hausbesitzer ein eindringliches Signal senden, welch enormen Beitrag Gebäudesanierungen leisten können, um zentrale Ursachen der Probleme bei Gesundheit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu beseitigen.“
Das Fazit von Velux
„Wenn die Bundesregierung eine Welle der energetischen Sanierung in Gang setzen will, muss sie zunächst massive Aufklärungsarbeit leisten, gleichzeitig aber auch sicherstellen, dass diese Kommunikationsoffensive bei den Bürgern ankommt. Dies scheint bislang noch zu wenig der Fall zu sein“, so Till Reine von Velux. Insgesamt sind übergreifende, nachhaltige Maßnahmen notwendig, keine Einzelmaßnahmen.