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Im Interview mit Manfred Weber

“Ein Label ist dann sinnvoll, wenn der Endverbraucher aufgeklärt wird“

Glaswelt – Herr Weber, Sie werden die Leitung der technischen Beratung des Fachverbands GFF Baden-Württemberg zum Jahresende von Rainer Oberacker übernehmen. Welche Akzente möchten Sie setzen?

Manfred Weber – Ich war mehr als 20 Jahre Geschäftsführer eines Fenster- und Fassadenbauunternehmens und bin seit vielen Jahren Sachverständiger für die Branche. Meine Erfahrungen aus der Praxis, wie auch die mir bekannten Bedürfnisse aus Unternehmersicht, werden verstärkt in meinen Aufgabenbereich mit einfließen.

Glaswelt – Die EU-Kommission fordert die Entwicklung eines Energy Labels für Fenster, damit die Vorteile eines Fenstertausches dem Endverwender noch deutlicher werden sollen. Das ift hat dazu auf den letzten Fenstertagen 2011 einen Vorschlag gemacht. Jetzt haben Sie einen eigenen Vorschlag entwickelt. Was waren die Gründe dafür?

Weber – Der ursprüngliche Ansatz für das Label war rein marketingorientiert als verkaufsunterstützende Maßnahme für unsere Mitglieder, denn nur wenige Endverbraucher sind in der Lage, U-Werte von Fenstern zu bewerten. Als dann im Rahmen der Rosenheimer Fenstertage das ift-Label vorgestellt und auch das politische Ziel einer einheitlichen Deklaration der Fenster-Energieeffizienz bekannt wurde, habe ich meinen Entwurf überarbeitet und mit einem Erkärungs- und Motivationspapier an das BMVBS weitergeleitet. Leider wurden jedoch unsere Argumente aus Sicht des Glaserhandwerks beim Entscheidungsprozess zur Einführung eines einheitlichen Fenster-Energie-Labels nicht berücksichtigt. Nachdem aus Handwerkersicht das vom ift erarbeitete Label mehrere Mängel aufweist, wollen wir nun den Druck soweit erhöhen, dass auch unsere Argumente gehört werden.

Glaswelt – Warum vernachlässigen Sie in ihrem Vorschlag die Kühlperiode, die in dem ift-Modell bewertet wird.

Weber – Wie Sie unter Frage 2 richtig festgestellt haben, ist gemäß Ökodesignrichtlinie der Endverbraucher die anzusprechende Zielgruppe – nicht Architekten oder Ingenieure – und die politischen Ziele zur Energieeffizienz sind eindeutig im Sanierungsbereich angesiedelt. Werden Nichtwohngebäude (z.B. Schulen) energetisch saniert, so wird vom Architekten oder Planer ein Energiekon­zept mit oder ohne Kühlung erstellt. Diese Zielgruppe benötigt kein Label und somit auch keinen Kennwert für die Kühlung. Im zu sanierenden Wohnungsbau jedoch kann durchaus behauptet werden, dass hier so gut wie kein Energieaufwand für die Kühlung benötigt wird, da doch Klimageräte im Wohnbereich sehr selten anzutreffen sind. Weshalb dann diese, den Endverbraucher verwirrende Angabe, obwohl in der Ökodesignrichtline die Eindeutigkeit und Einfachheit eines Labels im Vordergrund steht? Artikel 10 der Richtlinie fordert, dass ein Label alle signifikanten Umweltparameter zu berücksichtigen hat, die für den Endverbraucher von Belang sind. Aus unserer Sicht ist beim Austausch von Fenstern in einer Wohnung (oder Wohngebäude) der Kühlenergiebedarf nicht signifikant und ist auch für den Endverbraucher somit nicht von Belang.

Glaswelt – Konnten Sie ihre Positionen mit den etablierten Branchenverbänden und auch mit dem ift diskutieren? Gab es keine Möglichkeit, ein gemeinsames Energy Label zu formulieren?

Weber – Das Glaserhandwerk wurde nicht in den Entwicklungs- oder Entscheidungsprozess ­involviert. Ich sehe durch die Schaffung von ­Tatsachen und dem aktuellen Umsetzungsdruck aus dem Hause ift Rosenheim das Handwerk mit dessen Interessen nicht ausreichend berück­sichtigt.

Glaswelt – Wie viel Chancen rechnen Sie sich aus, dass man beim Bundesbauministerium auf Ihren Vorschlag eingeht?

Weber – Ziel ist es nicht, unser Label durchzusetzen, doch darf sich auch das BMVBS unseren ­Bedürfnissen und Argumenten nicht ­verschließen.

Glaswelt – Wenn Sie jetzt aus Karlsruhe gegen den Vorschlag aus Rosenheim argumentieren, schwächt das nicht auch eine gesamtdeutsche Position?

Weber – Eindeutig nein! Unsere nationalen Interessen (auch die des Handwerks!) müssen in die Entscheidungsfindung mit einfließen. Nochmals: ein Label ist nur dann sinnvoll, wenn der Endverbraucher aufgeklärt wird. Aus diesem Grund stelle ich die Sinnhaftigkeit eines europäischen Labels grundsätzlich in Frage. Beispiel hierzu: Das „gute“ Fenster mit Uf = 2,0, Ug=3,0 und Alurandverbund, wie im Süden Spaniens oder in Griechenland üblich, ist bei uns keinesfalls als „gut“ zu bezeichnen.Ich darf es in deutschen Wohngebäuden nicht einmal mehr verbauen. Was ist denn dann europäisch gut („A“)?

Nach unseren gesetzlichen Anforderungen müssten generell alle Fenster im Süden Europas mit „D“ oder gar „E“ gekennzeichnet werden, obwohl der Transmissionswärmeverlust bei diesen aus unserer Sicht schlechten Fenstern aufgrund der geringeren Heiztage und Temperaturunterschiede weniger Heizenergie benötigen als unsere sehr viel besser gedämmten Fenster.

Dient dies der Aufklärung oder sollten nicht vielmehr die Qualitäten im Bewertungsbereich von Uw 1,3 bis 0,8 zur Entscheidungsfindung nach den Bedürfnissen unserer Endkunden differenziert werden?

Das Fenster ist keine „Weiße Ware“, wie Herr ­Sieberath auch richtig festgestellt hat. Der Transmissionswärmeverlust eines Fensters hängt von den zu erwartenden Temperaturdifferenzen und den Heizgradtagen ab und diese sind in Europa sehr unterschiedlich ­– ganz im Gegensatz zur Stromaufnahme eines Herdes.

Glaswelt – Durch die Vereinfachung des Energy Labels – schließlich soll der Kunde schnell erkennen, wie viel Energie eingespart werden soll – schließen Sie auch eine übergreifende europäische Lösung aus. Wollen Sie gar kein einheitliches Energy Label für ganz Europa (wie z. B. das ift-Label)?

Weber – Zuerst ein weiterer Aspekt. Bei der Verbändeveranstaltung zur Umweltproduktdeklaration (EPD) von Fenstern wurde festgestellt, dass es keine europäische Berechnungsgrundlage gibt. Grund für diesen Grundsatz sind die unterschiedlichen Energie- und Entsorgungskonzepte der einzelnen Mitgliedstaaten. Offensichtlich ist es ein nationales Interesse (unserer Industrie?) unsere guten Werte nicht durch Bedingungen anderer Nationen verschlechtern zu lassen? Ist das Interesse unserer exportierenden Industrie bezüglich des Labels nicht genau das Gegenteil, also unsere Vorteile auf dem europäischen Markt auszuspielen? Ein durchaus berechtigter Ansatz, doch unser Handwerk exportiert nicht mehr als zwei Prozent der gefertigten Fenster. Ist es vor diesem Hintergrund nicht zwingend notwendig, die Sinnhaftigkeit einer europäischen Lösung kritisch zu hinterfragen?

Glaswelt – Im Gegenzug müssen Sie dann aber auch akzeptieren, dass andere Länder ihre eigenen Ideen für ein Label verwirklichen. Die Folge wäre eine Labelflut, die den exportwilligen Fensterbauern noch mehr Probleme bereiten würde. Ist das in Ihrem Sinn?

Weber – Nach dem Richtlinientext muss der Endverbraucher und nicht der Fensterimporteur aufgeklärt werden. Wer verbietet dem Händler auf das importierte Fenster sein nationales Label zu kleben? In Fachkreisen (auch europaweit) wird weiterhin die energetische Qualität von Fenstern mit den physikalischen Größen (U-Wert, g-Wert…) definiert und auch verglichen; die Angaben auf einem Label sind als Qualitätsmaßstab bei Fachkundigen nicht ausreichend. Weiter sind wir uns sicherlich auch einig, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein deutsches Unternehmen Fenster in Griechenland an den Endkunden verkauft. Aus diesem Grund ist eine nationale Lösung durchaus auch ohne die befürchtete „Übersetzungsproblematik“ die zielführendere Variante und aus unserer Sicht zu bevorzugen. ­—

Die Fragen stellte Daniel Mund, stv. Chefredakteur der GLASWELT.

Vita Manfred Weber

Der Glasermeister (52) und studierte Holzingenieur war 25 Jahre Geschäftsführer einer Fenster- und Fassadenbaufirma. Seit 15 Jahren ist er Sachverständiger, Dozent an der FH Biberach und an der Dualen Hochschule in Mosbach. Seit November 2011 ist er als Technischer Berater beim Verband Glas Fenster Fassade BW angestellt (designierter Nachfolger von R. Oberacker). Seine „Leidenschaft“ zur Energieeffizienz sei entstanden durch die Betreuung eines DGNB-zertifizierten Neubaus sowie durch seine Tätigkeiten beim Verband mit dem Aufgabenbereich „ökologische Qualität im Bauwesen“.

Kontakt: m.weber@gff-online.de

So sieht der Energy Label Vorschlag aus Karlsruhe aus

Das Energy Label-Konzept vom Karlsruher Fensterverband soll aussagekräftige Qualitätsdifferenzierungen durch eindeutige und vergleichbare Kennzeichnungen der Netto-Energieverbräuche nach Energieeffizienzklassen von Bauelementen durch den Hersteller ermöglichen. Dabei solle man sich, so Manfred Weber, vor allem die Zielgruppe vor Augen halten: das seien nämlich Verbraucher und Planer in Deutschland, im Besonderen Fachunkundige, Altbau-Renovierer und Bauherren ohne Architektenvertretung.

Es seien gemäß Richtlinie 2009/125/EG Artikel 10 die Gestaltungsmerkmale übernommen worden und die Klassen „A++“ als aktuell technische Grenze und Klasse „A+“ für die aktuell wirtschaftliche Grenze als höchste Effizienzklassen festgelegt.

Die Klasse A+++ wird (noch) nicht aufgeführt und dient als Option für kommende Entwicklungen. Als weitere Benchmark wird die Mindestanforderung der EnEV 2009 an Fenster als Klasse „D“ gesetzt. Die Klassen „E“ bis „G“ dienen als Vergleichswerte unterschiedlicher Generationen von Bestandsfenstern.

Der Nettoenergieverbrauch je m2 Fensterfläche und Jahr (Qeff in kWh/m2a) errechnet sich aus dem Transmissionswärmeverlust (QT) plus dem Wärmeverlust durch Fugenundichtigkeiten zwischen Flügel und Rahmen (QL) und subtrahiert mit dem solaren Wärmegewinn (QS), jeweils ausschließlich auf die Heizperiode (a) ­bezogen.

Auf die Bewertung der Kühlenergieeffizienz wurde bewusst verzichtet. Grund hierfür ist, dass Gebäude mit Kühl­energiebedarf in aller Regel von Ingenieuren geplant, berechnet und detailliert ausgeschrieben werden und somit eine Kennzeichnung zur Kaufentscheidung nicht erforderlich ist.

Das Recht zur Anwendung dieses Labels sei aufgrund der gegebenen Komplexität ausschließlich mit der Teilnahme einer Schulung verbunden. Schulungsteilnehmer erhalten eine Registriernummer, welche auf dem Label eingetragen werden muss.

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