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Im Interview mit Gregor Biermann

„Es gilt, clever und auch groß zu sein“

Glaswelt – Sprechen wir über die wirtschaftlichen Rahmendaten bei Baltic Fenster: Wo werden Sie am Ende des Jahres stehen?

Biermann – Wir wollen im laufenden Geschäftsjahr mehr Einheiten produziert haben und einen deutlich höheren Umsatz generieren. Es gilt aber zu beachten, dass hier das letzte Geschäftsjahr bis zum 30. 06. abgerechnet wurde und wir sind von 14,5 auf 17,5 Mio. Euro angewachsen. Jetzt wollen wir im Geschäftsjahr 2022/23 die 20-Mio.-Euro-Marke überspringen.

Glaswelt – Ein beeindruckender Run – wie hoch war der Umsatz zum Zeitpunkt der Übernahme 2018?

Biermann – Zur Zeit der Insolvenz 2018 hatte die Baltic unter 10 Mio. Euro Umsatz ausgewiesen.

Glaswelt – Wird sich auch bei Reckendrees die Zahl der verkauften Einheiten erhöhen?

Biermann – Ich glaube, bei Reckendrees werden wir im Jahresvergleich nicht wesentlich mehr Einheiten verkauft haben, aber trotzdem mehr Umsatz generieren. Wir werden bei 25 Mio. Euro landen. Nächstes Jahr soll dann bei Reckendrees auch der mengenmäßige Ausstoß erhöht ­werden.

Glaswelt – Welche Maßnahmen stehen an, um dieses Ziel zu erreichen?

Biermann – Wir wollen vor allem unsere langen Lieferzeiten verkürzen. Diese betragen aktuell mindestens 10 Wochen. Auch werden wir unsere Maschinenlaufzeiten weiter optimieren.

Glaswelt – Und woher kommt die gesteigerte Nachfrage nach Reckendrees-Produkten?

Biermann – Ich bin Vertriebler durch und durch und betrachte den Vertrieb als Speerspitze eines Unternehmens. Deswegen glaube ich auch an unsere vertrieblichen Potenziale und an ein Wachstum, sowohl bei Baltic als auch bei Reckendrees.

Glaswelt – Wie steht es mit der Qualität und Liefertreue bei Reckendrees?

Biermann – Die Reckendrees ist Weltklasse bei Qualität und ihrem Lieferversprechen – hier wird um jeden Liefertag gekämpft, das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Das Unternehmen ist sehr strukturiert und handelt diszipliniert.

Glaswelt – Mit welchen Fensterbau-Software-Programmen wird bei Reckendrees und Baltic gearbeitet?

Biermann – Bei Reckendrees wenden wir Cantor an, bei Baltic arbeiten wir mit Prefco, wie in den anderen EGE-Gruppen-Unternehmen auch.

Glaswelt – Wie sind Baltic und Reckendrees vertriebsmäßig aufgestellt?

Biermann – Beide Unternehmen haben eine klare Fachhandelsstruktur. Die Baltic ist ein norddeutscher Player mit starker Fokussierung auf den Baustoffhandel, Tischlereien und Zimmereien – insgesamt sind das rund 400 kaufende Kunden. Für die Baltic haben wir aufgrund der traditionellen Neubau­orientierung für die Zukunft das Konzept ’Mosa_IQ’ ins Leben gerufen: „Modern Sanieren mit IQ“.

Die Reckendrees mit Hauptsitz hier in Verl ist vom Vertriebsgebiet auch überregional orientiert. Es werden erheblich mehr Fachhändler bedient, weil die Kundenklientel auch deutlich fragmentierter ist. Ein Vorteil hier ist die starke Fokussierung auf den Sanierungsbereich – deswegen mache ich mir für das zukünftige Geschäft gar keine Sorgen. Unsere Kunden haben allerdings die Herausforderungen, immer genügend Monteure zu haben, um das ganze Sanierungsgeschäft auch kapazitiv bewältigen zu können. Ein Nachfrageproblem von der Endkundenseite wird es nicht geben.

Glaswelt – Das heißt, Sie sehen für beide Unternehmen optimistisch in die Zukunft?

Biermann – Auf jeden Fall! Das Potenzial ist riesig! Wir haben keine Angst, das wäre ein schlechter Begleiter. Es gilt, clever zu sein und auch groß zu sein – wie wir mit der EGE-Gruppe. Dann kann man auch Synergien z. B. im ­Einkauf heben.

Glaswelt – Welche Vorteile sehen Sie darin, Teil einer der größten deutschen Unternehmensgruppen im Bauelementebereich zu sein?

Biermann – Der Austausch ist uns sehr wichtig. Beispielsweise kommen unsere Produktmanager aus den einzelnen Einheiten zusammen und diskutieren über die Neuheiten in der Beschlagswelt. Wir werden das Angebot über die Gruppe hinweg harmonisieren, da sind wir gerade dran. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass die Geschäftsleiter der Unternehmen große Gestaltungsfreiräume haben und der Gesellschafter das Geschäft auch gut kennt.

Glaswelt – Was sind denn die Ziele der EGE-Gruppe?

Biermann – Wir müssen auskömmlich rentabel agieren, damit wir wieder reinvestieren und unseren Mitarbeitern sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten können. Wir wollen als Gruppe der größte Anbieter werden, was den Bereich Kunststofffenster und -haustüren angeht. Die EGE-Zugehörigkeit macht uns zudem zum Vollsortimenter. Mit unserer Mengenstärke können wir renditestark wirtschaften und sind als Gruppe ein wichtiger Multiplikator für die Systemgeber Veka und Kömmerling.

Glaswelt – Kommen wir zu Ihrer Person, Sie waren 30 Jahre lang beim Sonnenschutz-Anbieter Alulux …

Biermann – … ja dort habe ich eine schöne und die längste Zeit meiner Karriere verbracht – unter anderem als Marketingleiter. Ich habe die Marke entwickelt, geprägt und vorangetrieben. Bin dann Vertriebsleiter und Prokurist geworden. Zum Schluss habe ich verantwortlich die Integration in die Stella-Gruppe begleitet. Ende 2020 bin ich aus dem Unternehmen ausgeschieden und dann hat mich Herr Schröder von der EGE-Gruppe angesprochen.

Hier unter dem Dach der EGE-Gruppe genieße ich nun die Gestaltungsmöglichkeiten, die wir als Unternehmensverantwortliche benötigen. Auch das Produkt Fenster selbst finde ich faszinierend.

Glaswelt – Zu Hause sind Sie aber in Norddeutschland?

Biermann – Genau, ich komme zwar aus dieser Gegend hier, bin aber mit Beginn meiner Baltic-Tätigkeit nach Niebüll gezogen und fühle mich dort sehr wohl. Hier in Verl habe ich eine kleine Wohnung.

Glaswelt – Mit welchen Zielen ist dann Ihr Engagement bei Reckendrees verbunden?

Biermann – Für mich geht es jetzt erst mal um die Integration in die EGE-Gruppe. Ich kenne die ostwestfälische Mentalität und Thomas Schröder, Fabian Großeschallau und ich wollen das Unternehmen modernisieren und agiler machen. Mit mir kommt aber kein Metzger, sondern ein Chirurg. Das Unternehmen läuft sehr gut, warum sollen wir jetzt hier alles auf links drehen? Die Reckendrees hat einen Slogan: „Gutes. Besser. Machen!“ – und das passt zu 100 Prozent! Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass wir viele Sachen hier „sehr gut“ machen und dafür werden wir rund 3 bis 5 Jahre brauchen. Was danach kommt, muss man sehen.

Einblick in die Fertigung bei der Reckendrees Bauelemente GmbH

Daniel Mund / GLASWELT

Einblick in die Fertigung bei der Reckendrees Bauelemente GmbH

Glaswelt – Sprechen wir über das Arbeiten von morgen bei Baltic und Reckendrees. Wie halten Sie es mit den Arbeitszeitmodellen?

Biermann – Wir werden bei der Baltic jetzt mit der Einführung der 4-Tage-Woche ein Experiment starten. Mitte November bis Weihnachten schließen wir jeden Freitag die Verwaltung in Langenhorn. Die Verwaltung wird dann ab Januar bis März jeden zweiten Freitag geschlossen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dann von Montag bis Donnerstag 38 Stunden arbeiten und freitags freihaben und auch nicht ins Homeoffice geschickt. Unser Anlass ist dabei, im Unternehmensbetrieb Energie zu sparen: Die Temperaturen im Verwaltungsgebäude werden heruntergefahren, der Strombedarf für Licht und Infrastruktur wird sich deutlich verringern und die Mitarbeiter sparen sich einen Tag Fahrweg zur Arbeit. Ausgenommen dabei sind die Bereiche Versand, Service und unser Außendienst. Und das Vertriebsbüro in Fockbek bei Rendsburg übernimmt freitags die Kommunikation zum Kunden, wenn Langenhorn nicht besetzt ist.

Glaswelt – Haben Sie jetzt im vierten Quartal weniger Arbeit, dass Sie auch die Arbeitszeiten verkürzen können?

Biermann – Im Gegenteil, wir sind kapazitätsmäßig am Anschlag und haben richtig viel zu tun. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir die Arbeit über einen gewissen Zeitraum auch in vier Tagen bewältigen können. Die Mitarbeiter gewinnen dadurch zusätzliche freie Tage und Plus an Lebensqualität.

Glaswelt – Das Modell greift aber nur in der Verwaltung …

Biermann – … in der Produktion geht das augenblicklich noch nicht, da wir wirklich am Anschlag produzieren, sehr hohe Lieferzeiten haben und schon jetzt das Pensum nur mit Überstunden bewältigen können. Auch würden unsere Kunden diese Maßnahme nicht nachvollziehen können. Aber wir haben vor, ab Januar auch in der Produktion dieses Modell einzuführen. Dabei hat sich das Team Produktion dazu bereiterklärt, jeden Tag 10 Stunden zu arbeiten und gleichzeitig die Effizienz innerhalb der Produktion noch weiter zu erhöhen. Das ganze Unternehmen wird dann freitags geschlossen sein und keinen Strom oder Heizwärme benötigen.

Glaswelt – Lässt sich das Baltic-Modell auch auf Reckendrees ­übertragen?

Biermann – Noch sprechen wir ja von einem Experiment. Wir werden dann das Modell nach einer Zeit beurteilen und entscheiden, ob das periodisch ein Modell der Zukunft sein kann. Wenn es nicht klappen sollten, können wir jederzeit auf Normalbetrieb gehen. Bei Reckendrees haben wir das jetzt nicht vorgesehen, wir haben das Unternehmen ja erst im Sommer übernommen und sind hier noch in der Implementierungsphase des Unternehmens in die EGE-Gruppe.

Glaswelt – Herr Biermann, herzlichen Dank für das offene Gespräch!

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

Fensterkonzentration in Verl

Die Reckendrees Bauelemente GmbH gehört seit Juni 2022 zur EGE-Unternehmensgruppe. Nachdem Kirstin Reckendrees seit 2012 als Eigentümerin und Geschäftsführerin die Geschicke des 1978 von ihrem Vater Heinrich Reckendrees gegründeten Unternehmens in Verl leitete, zog sie sich aus privaten Gründen aus dem Geschäftsleben zurück. Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwirtschafteten mit der Produktion von Bauelementen aus Kunststoff und Aluminium im abgelaufenen Geschäftsjahr rund 23 Mio. Euro. Gregor Biermann übernimmt neben dem geschäftsführenden Gesellschafter Thomas Schröder die operative Geschäftsführung der Reckendrees GmbH.

Biermann führt bereits seit 2021 die Geschäfte der ebenfalls zur EGE-Gruppe gehörenden Baltic Fenster GmbH, Langenhorn. Als Geschäftsführer beider Unternehmen verantwortet er nun gesamtheitlich die Vermarktung der Veka-Produktlinie innerhalb der EGE-Unternehmensgruppe.

Thomas Schröder sieht im Zukauf der Reckendrees GmbH für die EGE-Unternehmensgruppe die ideale Ergänzung zur 2018 erfolgten Übernahme der Baltic Fenster, um die Veka-Produktlinie mit RAL-A-Profilen weiter auszubauen. Traditionell gehört EGE nach eigenen Angaben zu den größten Kömmerling-Verarbeitern. Reckendrees soll, genau wie die Baltic Fenster GmbH, weiter eigenständig agieren. Synergien ergeben sich angesichts gleicher Vorlieferanten im Einkauf. Mit der Akquisition von Reckendrees wächst die EGE-Gruppe zu einem Konzern mit rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. An fünf inländischen und zwei ausländischen Produktionsstandorten sowie mit den Objektgesellschaften peilt sie im Geschäftsjahr 2022/23 einen Jahresumsatz von mehr als 150 Mio. Euro an.

Nach dem Share Deal zwischen den Verler Fensterbauunternehmen präsentieren sich (von rechts nach links): Thomas Schröder, geschäftsführender Gesellschafter der EGE-Unternehmensgruppe, Kirstin Reckendrees, Ex-Inhaberin der Reckendrees Bauelemente GmbH, Wolfgang Nossek und Gregor Biermann, scheidender und neuer Geschäftsführer der Reckendrees Bauelemente GmbH.

Reckendrees Bauelemente

Nach dem Share Deal zwischen den Verler Fensterbauunternehmen präsentieren sich (von rechts nach links): Thomas Schröder, geschäftsführender Gesellschafter der EGE-Unternehmensgruppe, Kirstin Reckendrees, Ex-Inhaberin der Reckendrees Bauelemente GmbH, Wolfgang Nossek und Gregor Biermann, scheidender und neuer Geschäftsführer der Reckendrees Bauelemente GmbH.

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