Glaswelt – Frau Dr. Bruckner, wofür steht „Holz von Hier“, was steckt dahinter?
Dr. Gabriele Bruckner – Holz von Hier ist zum einen eine gemeinnützige Initiative, die sich für den Schutz von Klima und Umwelt sowie für die regionale Wertschöpfung einsetzt. Dahinter stehen Vertreter aller betroffenen Stakeholdergruppen aus Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Zentrale Entscheidungen werden von einem Kuratorium getroffen. Das Praxiswissen der Branche ist über Fachbeiräte integriert und wissenschaftliche Kompetenz ist über ein Expertenpanel eingebunden. Holz von Hier ist zudem Halter der gleichnamigen eingetragenen europäischen Dachmarke Holz von Hier. Produkte mit einem entsprechenden Nachweis bzw. Zertifikat stehen für besonders klimafreundlich hergestellte Holzprodukte aus nachhaltiger Waldwirtschaft.
Glaswelt – Wie hoch ist der Importanteil an Rohholz aus „fernen Ländern“?
Dr. Philipp Strohmeier – Die genauen Zahlen schwanken hier natürlich von Jahr zu Jahr etwas und variieren auch je nach Holzart. Bei Laubschnittholz liegt der Importanteil z. B. bei etwa 50 Prozent. Insgesamt verzeichnet Deutschland aber einen überraschend hohen Anteil an Importen und Exporten von Rohholz zugleich. So laufen derzeit etwa 8 Mio. t Nadelrohholz über den Außenhandel, wobei über die Hälfte davon vermeidbar wäre, da sich hier gegenläufige Warenströme überlappen. Durch Vermeidung solcher Warenströme über die Schließung von regionalen Kreisläufen ließen sich z. B. allein für Nadelschnittholz pro Jahr etwa 800 000 t CO2 einsparen.
Glaswelt – Können Sie uns die Bedeutung des Transportweges für die Klimabilanz beim Rohholz erläutern und auch beziffern?
Dr. Bruckner – Die Herstellung von Holzprodukten ist gegenüber anderen Materialien und Baustoffen sehr energieeffizient. Viele Betriebe nutzen auch eigenes Restholz für die Wärmeerzeugung, sodass die Produktion vergleichsweise geringe CO2-Emissionen verursacht. Umso bedeutsamer ist der Transport von Rohstoffen und Halbwaren entlang der Prozesskette. Man kann dies an einem Beispiel für ein Leimholzprodukt deutlich machen. Die reinen Produktionsschritte (schneiden, trocknen, hobeln, verleimen) verursachen etwa 80 kg CO2 pro m³ fertiges Produkt. Stammt das Rohholz dafür aus der Region (z. B. als Holz von Hier) so verursachen die Transporte maximal etwa 17 kg pro m³. Stammt das Rohholz hingegen aus Russland als wichtigem Importland, so verursachen alleine die Transporte (z. B. für sibirische Lärche) bis zu 550 kg CO2 pro m³.
Glaswelt – Ist denn ein Holzfensterhersteller nicht bereits auf der sicheren, nachhaltigen Seite, wenn er zertifiziertes Holz verwendet?
Dr. Strohmeier – Wenn die ursprüngliche Herkunft des Holzes nicht bekannt ist, ist es sehr wichtig, auf solche Zertifikate für eine nachhaltige Gewinnung des Rohstoffes zu achten, da in vielen Teilen der Welt, insbesondere in den Tropen, Raubbau an den Wäldern getrieben wird. Bei Holz aus heimischen Wäldern ist man da schon aufgrund des strengen Waldgesetzes auf der sicheren Seite und zudem sind in Deutschland und Österreich bereits 70 bis 90 Prozent der Waldflächen zertifiziert. Allerdings ist die Frage der nachhaltigen Forstwirtschaft eben nur ein Aspekt der Nachhaltigkeit. Aber gerade die Klimabilanz von Holzprodukten kann durch lange Transporte unnötigerweise massiv verschlechtert werden. Hier gibt nur Holz von Hier als Nachweis der klima-
freundlichen kurzen Wege und zugleich der nachhaltigen Rohstoffgewinnung dem Verbraucher Sicherheit, ein umfassend nachhaltiges Produkt zu kaufen.
Glaswelt – Kann jeder Fensterbauer in allen Ecken Deutschlands Holz aus einem nahen Anbaugebiet beziehen? Liefert der deutsche Wald genügend Fensterholz?
Dr. Bruckner – Holz von Hier ist hinsichtlich der Kriterien für maximale Transportentfernungen grundsätzlich so konzipiert, dass man zertifizierte Produkte flächendeckend in Deutschland bekommen kann. Was „Nähe“ bzw. „von Hier“ bedeutet, ist praxisorientiert gesetzt und gleichzeitig so definiert, dass die Produkte einen deutlichen Umweltvorteil bringen.
So kann ein Fensterbauer ausreichend zertifizierten Rohstoff beziehen. Das gilt sowieso für Schnittholz, dies gilt aber auch für fertige Kanteln. Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Rohstoff aus deutschen Wäldern braucht man keine Bedenken haben, da z. B. sogar mehr Schnittholz exportiert wird als importiert, dies ist also kein Mengenproblem.
Glaswelt – Was, wenn der Fensterbauer aber ein etwas selteneres Rohholz benötigt? Was, wenn die Holzqualität nicht ausreichend ist?
Dr. Bruckner – Wie schon gesagt, gibt es in deutschen Wäldern kein Mengenproblem in der Rohstoffversorgung. Hinsichtlich bestimmter Holzarten sind da natürlich Grenzen gesetzt. Ein Fenster aus Meranti, sibirischer Lärche oder Eukalyptus ist naturgemäß mit Holz von Hier-Zertifizierung nicht möglich. Aber im Falle aller anderen Holzarten, die auch bei uns wachsen, wie Kiefer, Lärche, Fichte, Eiche und andere, ist eine Versorgung kein Problem. Außerdem stehen heimische Hölzer den oben genannten in der Regel in nichts nach. Das zeigen ja auch bereits vier bei Holz von Hier registrierte Hersteller hochwertiger Fensterkanteln.
Glaswelt – Was kostet den Fensterbauer die HvH-Beteiligung?
Dr. Strohmeier – Holz von Hier als Halter des Umweltzeichens ist eine gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Organisation. Durch das innovative elektronische Controllingsystem ist der Verwaltungsaufwand minimiert. So können die Solidarbeiträge, die von Lizenznehmern erhoben werden, so gering wie möglich gehalten werden. Die Beiträge sind gestaffelt nach Mitarbeiterzahl und liegen für die meisten der Schreiner- oder Fensterbaubetriebe zwischen 300 und 800 Euro pro Jahr. Die Beiträge fließen nahezu vollständig in Öffentlichkeitsarbeit und Aufrechterhaltung sowie Weiterentwicklung des Systems.
Glaswelt – Wie viel Fensterbauer haben sich der Initiative angeschlossen?
Dr. Strohmeier – Derzeit sind 17 Fensterbaubetriebe bei Holz von Hier registriert und vier spezialisierte Kantelhersteller. Mit einigen weiteren sind wir im Gespräch. Oft kommen Betriebe auch aufgrund konkreter Bauvorhaben zu Holz von Hier, denn wichtige Zielgruppen sind neben der breiten Öffentlichkeit vor allem auch Planer und Kommunen.
Glaswelt – Lassen sich mit dem HvH-Gedanken auch für den Endkunden überzeugende Kaufimpulse setzen?
Dr. Bruckner – Holz von Hier bedient einen Megatrend in der Gesellschaft. Die Welt ist im Wandel und es ist ein starker Trend in Richtung verstärkter Orientierung auf Nachhaltigkeit zu beobachten. Solche Trends sind keine kurzfristige Modeerscheinung, sondern wirken langfristig. Viele
Marktstudien und Trendforschungen belegen, dass regional in kurzen Wegen hergestellte Produkte für die überwältigende Mehrheit der Konsumenten ein zentrales Kriterium für nachhaltige Produkte sind. Zudem ist der Klimaschutz ein zentrales Megathema unserer Zeit. Auch das Coronajahr hat nochmal mehr Bewusstheit für den Wert von Nähe und überschaubaren Prozessketten entstehen lassen. Mit der Nutzung der Dachmarke Holz von Hier, die intuitiv verständlich und ansprechend ist, haben Betriebe natürlich die Möglichkeit, für sich Alleinstellungsmerkmale zu generieren und bei den Konsumenten zu punkten.
Glaswelt – Wie funktioniert das Procedere, wenn ein Fensterhersteller bei HvH mitmachen will?
Dr. Strohmeier – Die Teilnahme ist denkbar einfach und im Aufwand für den Betrieb mit anderen Zertifizierungen nicht zu vergleichen. Das liegt auch daran, dass konkrete Produkte oder Lieferungen zertifiziert werden und nicht der Betrieb an sich. Grundlage dafür ist ein intelligentes und innovatives elektronisches Controllingsystem, das auf einem Hochsicherheitsserver in Deutschland gehostet wird und nach einem anerkannten Standard des Deutschen Institut für Wirtschaftsprüfer fremdüberwacht wird. Daher kann ein Betrieb auch innerhalb eines Tages bei Holz von Hier mitmachen und die Zertifizierung nutzen. Voraussetzung ist lediglich ein Internetzugang und die Bereitschaft, für konkrete Aufträge auch das Rohmaterial entsprechend der Kriterien von Holz von Hier zu beziehen. Aufgrund des elektronischen Controllingsystems steht einer Auszeichnung von Produkten dann nur noch ein Zeitaufwand von wenigen Minuten entgegen.
Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.