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Im Interview mit Charlotte Röber

Müssen alte PVC-Fenster jetzt verbrannt oder deponiert werden?

Glaswelt – Im Februar blockierte das EU-Parlament einen Rechtsakt der EU-Kommission,
der es zugelassen hätte, PVC mit einem geringen Bleigehalt recyceln zu können und damit der Wertstoffverwertung zugänglich zu machen. Steht damit das komplette PVC-Recycling von Altfenstern vor dem Aus?

Charlotte Röber – Nein, unmittelbar hat die Entscheidung keinen Einfluss auf das PVC-Recycling, denn nun gibt es gar keine REACH Beschränkung bezüglich Bleigehalt im PVC. Die Frage ist, wie es nun weitergeht. Diese Rechtsunsicherheit macht es Unternehmen natürlich schwer, Investitionen für die Zukunft zu planen.

Glaswelt – Die Parlamentarier begründen die Blockade damit, dass sonst das hohe Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt nicht mehr sichergestellt werden könne. Haben die EU-Parlamentsvertreter recht? Kann das Blei in diesen Kreislauf-Prozessen den Menschen schaden, oder müssen Sie und die Lobbyisten in Brüssel den Parlamentariern noch besser die Kreislaufwirtschaft in den PVC-Branchen vermitteln?

Röber – Die Abstimmung hat leider vor allen Dingen gezeigt, dass sich die Politiker wenig bis gar nicht mit den wissenschaftlichen Hintergründen der Kreislaufwirtschaft beschäftigen. Die Europäische Chemikalienagentur hat vier Jahre damit verbracht zu evaluieren, inwiefern Blei im PVC eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt. Das Ergebnis hat klar gezeigt, dass Recycling der beste Umgang mit bleihaltigem PVC ist. In der Tat, müssen wir den Politikern diesen Fakt näherbringen und besser erklären. Letztendlich haben sich die Politiker, wahrscheinlich ohne es zu wissen, für die nachweislich umweltschädlichen Lösungen der Verbrennung oder Deponierung ausgesprochen.

Glaswelt – Die Kommission hatte vorgeschlagen, bei Hart-PVC den Grenzwert des Bleigehalts auf zwei Prozent und bei Weich-PVC auf ein Prozent festzusetzen. Wie hoch war dieser denn vorher? Wie hoch kann der Bleigehalt tatsächlich in alten PVC-Rahmen sein? Seit wann gibt es die freiwillige Selbstverpflichtung der ­Profilgeber, kein Blei mehr als Stabilisator zu
verwenden?

Röber – Es gibt und gab keinen REACH-Grenzwert für den Bleieinsatz in PVC. Früher wurden PVC-Fenster mit zwei Prozent Blei stabilisiert. Die Selbstverpflichtung zum Phase Out existiert seit 2000 (damals noch von Vinyl 2010). Abgeschlossen wurde diese in 2015, ungefähr 70 Prozent der europäischen Systemhäuser nutzen aber bereits seit 2003 keine Bleistabilisatoren mehr.

Glaswelt – Wie geht es jetzt in Brüssel weiter? Welche politischen Entscheidungsprozesse finden jetzt statt? Wie geht die Kommission mit der Absage der Parlamentarier um?

Röber – Die Kommission wird Ihren Gesetzesvorschlag überarbeiten, bevor er dem Parlament erneut vorgelegt wird. Wie lange das dauern wird, ist nicht klar. Ich kann nicht für die Kommission sprechen, aber feststellen, dass es so einen Vorgang so noch nicht gegeben hat. Letztendlich stellt sich das Parlament gegen die Empfehlung der ECHA und stellt damit die Autorität dieser Agentur infrage. Hinzu kommt auch, dass Blei eines der ersten sogenannten „legacy additives“ ist, für die im Rahmen der Kreislaufwirtschaft eine Lösung gefunden werden muss. Es wird hier also auch ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen, der Signalwirkung für die Zukunft von Bauprodukten in der Kreislaufwirtschaft haben wird. Kurzum: Das Thema ist nicht nur für die Wertschöpfungskette der PVC Fenster von großer Bedeutung.

Glaswelt – Wie müssen sich jetzt die Fensterbauer und Verwertungsbetriebe verhalten? Dürfen jetzt keine Altfenster mehr recycelt werden – schließlich lässt sich doch gar nicht so einfach herausfinden, wie hoch der Bleigehalt im zu verwertenden Fenster ist? Müssen alte Fenster jetzt also verbrannt oder deponiert werden?

Röber – Das Fensterrecycling ist von diesen politischen Diskussionen nicht betroffen. Nach wie vor dürfen und sollen Fenster recycelt werden. So schreibt es auch die Abfallhierarchie vor. Fensterbauer sollten weiterhin darauf achten, Altfenster dem Recycling zuzuführen. Ich möchte auch noch einmal betonen, dass der Bleigehalt für die Verwertungsentscheidung aus werkstofflicher und umwelttechnischer Sicht irrelevant ist: Recycling ist für jedes PVC-Fenster die beste Entscheidung.

Glaswelt – Die Aluminiumfenster-Branche hat mit ihren Cradle-to-Cradle-Ansätzen überzeugende Nachhaltigkeits-Argumente entwickelt. Muss sich die PVC-Fensterbranche noch intensiver damit auseinandersetzen, was passiert wenn ihre verbauten Produkte nicht mehr gebraucht werden?

Röber – Unsere EPDs bilden den gesamten Lebenszyklus des Fensters ab und mit der Norm EN 17410 haben wir zudem den gesamten Materialfluss von der Wiege bis zum Wiedereinsatz im neuen Fenster beschrieben.

EPDs sind ein neutrales Instrument, um Umweltwirkungen zu beurteilen und auch hier wird wieder deutlich, dass Recycling die Umweltbilanz deutlich verbessert. Ihr Verweis auf Cradle-to-Cradle zeigt aber auch, dass es beim Thema Nachhaltigkeit eben nicht nur um die korrekten Fakten und die beste wissenschaftliche Grund­lage geht. Es geht auch um die Vermarktung ­selbiger. Für den Kunden ist es nach wie vor eine Herausforderung, das nachhaltigste Produkt zu identifizieren. Daran müssen wir arbeiten.

Glaswelt – Kann der Verbraucher oder auch der Fensterbauer mit dem VinylPlus-Label etwas anfangen?

Röber – Das Label ist ein Instrument, das sowohl Fensterbauern als auch Verbrauchern den Weg zur Nachhaltigkeit erleichtern soll. Die Nachricht des Labels ist unmissverständlich, aber das Vertrauen in seine Aussagekraft muss noch weiter wachsen. Als Branche müssen wir also weiterhin zu den von externer Stelle vergebenen Nachhaltigkeitszeichen informieren und verdeutlichen, warum es eine Entscheidungshilfe im Nachhaltigkeitsdschungel ist.

Glaswelt – Hilft ein digitaler Fingerabdruck am Fensterprofil – beispielsweise durch einen Chip im Profil – bei der Verwertungsfrage? Oder sind wir in wenigen Jahren bereits in der Lage, parallel zum Verwertungsprozess die Bestandteile eines Profils zu bestimmen, sodass man diese dann auch entsprechend klassifizieren kann?

Röber – Wir glauben in der Tat, dass QR-Code, Chip und Co die Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit erleichtern. Hier haben wir vor allen Dingen den Endverbraucher im Blick, der so mehr über die Nachhaltigkeit des Produkts in seinem Haus erfahren kann. Was bedeutet controlled loop recycling? Wie ist mein Fenster zertifiziert? Woher kommt das verarbeitete Material?

Für den Recycler ist es natürlich wichtig zu wissen, welche anderen Materialen, nebst PVC, in einem Profil zu finden sind. Auch hier gilt es aber, den gesamten Lebenszyklus zu betrachten. Somit reicht es nicht nur die Materialien zu kennzeichnen. Viel wichtiger ist es bereits in der Design­phase das Fenster so zu konzipieren, dass ein werkstoffliches Recycling am Lebensende möglich ist.

Glaswelt – Vielen Dank, Frau Röber, für Ihre Informationen­!

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

Wie müssen sich jetzt die Fensterbauer und Verwertungsbetriebe verhalten? Dürfen jetzt keine Altfenster mehr recycelt werden? Müssen alte Fenster jetzt verbrannt oder deponiert werden? Charlotte Röber, die Geschäftsführerin der EPPA gibt dazu in diesem Interview entsprechende Antworten.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Wie müssen sich jetzt die Fensterbauer und Verwertungsbetriebe verhalten? Dürfen jetzt keine Altfenster mehr recycelt werden? Müssen alte Fenster jetzt verbrannt oder deponiert werden? Charlotte Röber, die Geschäftsführerin der EPPA gibt dazu in diesem Interview entsprechende Antworten.