GW – Die smartwindows AG besteht seit drei Jahren und Sie haben mit Patrick Briano und Ihrem Team einen Neuanfang gewagt, nachdem die traditionsreiche Swisswindows Konkurs anmelden musste. Welche Erfahrungen haben Sie in den letzten drei Jahren gemacht und wo steht das Unternehmen heute?
Adrian Schlumpf – Die ersten Monate waren sicher für alle, die am Aufbau beteiligt waren, hart und sehr intensiv. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Auswirkungen auf Preise und Lieferfristen stellten weitere große Herausforderungen dar. Dank eines tollen Teams mit unermüdlichem Aufbauwillen und einem schnell wachsenden und treuen Kundenstamm konnten wir uns sehr gut entwickeln. So können wir heute sagen, dass wir krisenfest sind.
GW – Können Sie uns etwas über die Struktur Ihrer Kundschaft erzählen?
Schlumpf – Der größte Teil der bei uns hergestellten Produkte gehen an unsere Händlerkunden in der Deutschschweiz. Daneben bedienen wir einige Stammkunden direkt, d. h. wir setzen die Wünsche des Planers um und montieren die Fenster vor Ort. So können wir sicherstellen, dass montage- und bauspezifische Details in die Weiterentwicklung unserer Produkte einfließen. Unsere Fenster finden sich in allen Arten von Gebäuden (Wohn- und Gewerbebau, Schulen, Industrie usw.) sowohl bei Renovierungen als auch bei Neubauten.
GW – Sie sind demnach ausschließlich auf dem Schweizer Markt tätig. Wer ist Ihr größter Wettbewerb – inländische Unternehmen oder Betriebe aus dem benachbarten Deutschland?
Schlumpf – Auf dem Schweizer Fenstermarkt gibt es eine Vielzahl von Fensteranbietern. Es gibt keinen Mitbewerber, der besonders hervorsticht. Es ist aber sicher ein Trend spürbar, dass die Kunden vermehrt darauf achten, dass die Fenster auch wirklich in der Schweiz hergestellt werden. Der Vorteil liegt neben den ökologischen Aspekten auf der Hand: Kurze und schnelle Wege sind während der Bauphase eines Bauvorhabens und auch später beim Unterhalt von Vorteil.
Mit dieser Pionierleistung sind wir auch Türöffner für die gesamte Fensterbranche und tragen maßgeblich zum guten Image des umweltfreundlichen Kunststofffensters bei.
Foto: smartwindows
GW – Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Müllheim in der Nähe von Kreuzlingen/Konstanz. Das Zweigwerk in Mörschwil produziert Kunststoff- und Kunststoff/Aluminium-Fenster. Wie stellt sich der Materialmix in der Produktion dar?
Schlumpf – Das Werk in Mörschwil mit den Kunststofffenstern ist deutlich größer als das Werk für Holz/Aluminium-Fenster. Interessant ist die Zunahme des Anteils der Kunststoff-Alu-Fenster, die bis zu 50 Prozent der Kunststofffenster ausmachen können. In Müllheim mit dem Holzwerk haben wir einen Holz-Alu-Fensteranteil von 2/3, aber hier steigt der Anteil der reinen Holzfenster. Vor allem historische Fenster sind sehr gefragt. Hierfür bieten wir ein selbst entwickeltes Holzfenstersystem an. Dieses nimmt die historische Optik auf und vereint sie in einem Fenster mit modernsten Leistungsmerkmalen wie 3fach-Verglasung und Schallschutz bis 45 dB.
GW – Sie haben bei der Gründung des Unternehmens vor drei Jahren gesagt, dass Sie sich durch die Digitalisierung der Fertigungsprozesse vom Wettbewerb differenzieren werden. Haben Sie hier Erfolge erzielt?
Schlumpf – Die Software für unsere Händler haben wir weiter ausgebaut. Die Konfiguration von Fenstern ist im Detail sehr komplex. Die vielen Varianten und speziellen Anforderungen müssen klar und unkompliziert zu erfassen sein. Die Bestellung direkt in die Produktion erfolgt dann online. So können zum Beispiel Absturzsicherungen wie französische Balkone einfach und korrekt erfasst werden. Der rege Austausch mit unseren Händlerkunden bestätigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind und deshalb weiter in unsere digitalen Stammdaten investieren werden. Solche Projekte sind eigentlich nie abgeschlossen.
GW – Konnten Sie das „Smart“ im Firmennamen mit Leben füllen?
Schlumpf – Sicher. Wir agieren auf dem Markt bei unseren Kunden sehr smart. Untereinander im Team sprechen wir sogar von den „Smarties“, sind wir doch alle seit den letzten 3 Jahren sehr flott und dynamisch unterwegs. Wie oben erwähnt setzen wir auf exakte Stammdaten, weitere Prozesse sind auch in der Administration digital umgesetzt. In unserer Produktentwicklung sind weitere neue Produktanwendungen in der Pipeline.
GW – Kommen wir auf Ihr jüngstes Zertifikat zu sprechen: Ihr Kunststoff-Fenster Classico hat als einziges von ecobau ein eco1-Zertifikat erhalten. Was bedeutet das für Sie?
Schlumpf – Dies ist ein riesiger Erfolg auf den wir enorm stolz sind. Das Projekt wurde vor mehreren Jahren gestartet, dies auch in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen PVC-Industrie (PVCH). Immer wieder tauchten neue Hürden auf. Aber wir sind hartnäckig geblieben, haben diese Herausforderungen angenommen und nach Lösungen gesucht. Dies wurde nun mit der höchsten Auszeichnung belohnt. Auch international hat dieses Projekt beim europäischen Verband der PVC-Industrie in Brüssel große Beachtung gefunden. Mit dieser Pionierleistung sind wir natürlich auch Türöffner für die gesamte Fensterbranche und tragen maßgeblich zum guten Image des umweltfreundlichen Kunststofffensters bei.
GW – Was bedeutet die Auszeichnung für das PVC-Fenster Classico? Eröffnet dieses Zertifikat neue Absatzmöglichkeiten, die dem Kunststofffenster in der Schweiz bisher verwehrt waren?
Schlumpf – Die Umweltfreundlichkeit des Kunststoff-Fensters Classico ist nun von unabhängiger Seite bestätigt. Deshalb werden sicher viele Entscheidungsträger unser Produkt bei künftigen Projekten berücksichtigen. Gleichzeitig ist das classico auch ökonomisch sehr interessant.
Die Bauorgane der öffentlichen Bauherren (Bund, Kantone, Gemeinden) vergeben Aufträge nicht nur nach dem wirtschaftlich günstigsten, sondern auch nach dem vorteilhaftesten Angebot, und dabei ist die Nachhaltigkeit eines Fensters“ ein zwingendes Vergabekriterium. Mit dem Zertifikat können wir dies nun von unabhängiger Seite bestätigen und nachweisen. Wir dürfen folgende Aussage machen: „Das Fenster classico von smartwindows ist sehr gut geeignet für Minergie-ECO und entspricht der 1. Priorität ecoBKP und ecoDevis“. ecobau setzt den Standard für gesundes und ökologisches Bauen in der Schweiz. Der PVCH spricht sogar von einem bahnbrechenden Moment für die gesamte PVC-Branche!
Glaswelt – Das Fensterprofil Classico besteht zu 70 % aus recyceltem Material. Das ist sehr beeindruckend, wenn man bedenkt, dass Kunststofffenster in der Regel weniger als 30 % Recyclingmaterial enthalten. Wie haben Sie oder Ihr Profilsystemgeber Veka diesen Anteil so deutlich erhöhen können, ohne dass das wiederverwertete Material an der Oberfläche sichtbar wird?
Schlumpf – Einzelne Profile vom classico-Fenster verfügen über einen Recycling-Anteil bis 81 Prozent, andere Profile wiederum viel weniger. Im Durchschnitt hat ein zweiflügeliges Fenster dann diesen Recyclinganteil von knapp 70 Prozent. Bei einigen Profilen, wie Rahmenverbreiterungen sieht mach den Anteil des wiederverwerteten Materials als grauen Kern. Außen erkennbar ist die neue weiße Schicht. Es ist schon beeindruckend, wie unser Systemlieferant die Profile so exakt extrudieren und fertigen kann. Da vor allem weißes Recycling-Granulat als wiederverwertbares Material anfällt, ist dieses sehr schwer zu erkennen in den neuen Profilen.
GW – Sie sagen, dass das Fenster deutlich weniger graue Energie verbraucht als der Durchschnitt. Ist das auf den hohen Recyclinganteil zurückzuführen oder gibt es noch andere Aspekte, die diesen Anteil reduzieren?
Schlumpf – Ja, dieser hohe Anteil an wiederverwertbarem Material hat einen Einfluss. Ebenso auch die relativ kurzen Transportwege im gesamten Kreislauf während des Lebenszyklus eines Kunststoff-Fenster. Einerseits steht unser Produktionswerk in der Schweiz, nahe bei den Kunden. Anderseits sind Herstellung neuer Fenster, Rückbau, Aufarbeitung des Recyclingmaterial und Herstellung neuer Fensterprofile innerhalb Deutschlands und der Schweiz. Diese kurzen Distanzen beeinflussen die Ökobilanz natürlich auch zusätzlich positiv.
Eine energieeffiziente Produktion mit kurzen und durchdachten Prozessen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Dazu ist zu sagen, dass wir ab Januar 2024 eine PV Anlage auf dem Dach unserer Fensterproduktion in Mörschwil in Betrieb nehmen werden, die den größten Teil unseres Strom-Energiebedarfes abdecken wird.
GW – Wie ist die Rücknahme alter Fenster in der Schweiz im Allgemeinen und bei Smartwindows im Speziellen organisiert? Wo werden alte Kunststofffenster in der Schweiz entsorgt?
Schlumpf – In erster Linie soll verhindert werden, dass Kunststofffenster in die Müllverbrennung gelangen, denn einmal verbrannt, ist der Rohstoff vernichtet. Das wäre sehr schade, denn der wertvolle Fensterkunststoff kann bis zu acht Mal ohne Qualitätsverlust recycelt werden.
Die Rückführung ist mit verschiedenen Partnern minutiös durchgetaktet. Die Altfenster werden von uns sorgfältig demontiert und auf Mehrweggestellen nach Mörschwil geliefert. Dort holt der Recycler das Material ab, entfernt Fremdstoffe wie Glas und Baustoffe. Das PVC wird innerhalb der Recycling-ARGE in der Ostschweiz gesammelt und zu der Veka-Umwelttechnik geliefert. Dieser schreddert die Profile, entfernt eisenhaltige Teile, die PVC-Partikel werden extrahiert, gereinigt und vollautomatisch nach Farbe sortiert. Danach entsteht das Granulat für Fensterprofile, die später zu Profilstangen für ein classico-Fenstern extrudiert werden.
Aktuell starten wir zusammen mit dem Kunststofftechnologie Zentrum Aarau und weiteren Partnern ein Projekt, das den kreislauforientierten Materialfluss in der Fensterbranche in der Schweiz zum Standard machen soll. Dazu sollen Modelle entwickelt werden, welche die Rückführung von ausgedienten Fensterrahmen vereinfachen und qualifizieren.
Es ist mit den Fensterprofil wie mit den Glasflasche. Auch bei den classico-Profilen wird aus Alt wieder Neu.
Glaswelt – Herr Schlumpf, viel Erfolg weiterhin beim Ausbau des smarten Fensterbetriebes!
Das Interview führte Chefredakteur Daniel Mund
smartwindows AG auf Erfolgskurs
Die im Sommer 2020 als Nachfolgefirma von swisswindows neu gegründete smartwindows AG ist heute nachhaltig profitabel und ein gefragter Produzent von Fenstern und Türen aus Schweizer Produktion. Das Unternehmen mit Produktionsstandorten in Müllheim (TG) und Mörschwil (SG) erwirtschaftet mit 80 Mitarbeitenden einen Umsatz im zweistelligen Millionenbereich. Die hohe Nachfrage in allen Bereichen (Kunststoff, Kunststoff-Aluminium, Holz sowie Holz-Aluminium) sorgte in den letzten Jahren für steigende Wachstumsraten und volle Auftragsbücher. Als Vollsortimenter im Fensterbereich bedient das Unternehmen Architekten und Generalunternehmer im Objektgeschäft und deckt das Privatkundengeschäft über autorisierte Fachpartner ab.
Erster in der Schweiz
Als erster Fensterhersteller in der Schweiz erfüllt das Unternehmen mit seinem Kunststofffenster „classico“ die höchsten Anforderungen von ecobau und Minergie-ECO bezüglich ökologischer und gesundheitlicher Anforderungen und erhält als einziges Kunststofffenster das begehrte eco1-Zertifikat. Ausschlaggebend für die Auszeichnung war vor allem der hohe Rezyklat-Anteil, die knapp 70 % beträgt.