Extrusion ist ein komplexer Vorgang, in dem verschiedene Massen oder Materialien erhitzt werden und durch ein formgebendes Werkzeug fließen. Extrusion ist faszinierend – auch, weil sie theoretisch ein endloser Prozess ist. Materialzufuhr, Temperaturen und Maschinenparameter müssen optimal aufeinander abgestimmt sein, sonst reißt der extrudierte Strang ab oder weist Fehler auf, die zu Ausschuss führen.
Statt Intervallprüfung jetzt permanente Inspektion
Bei Gealan entstehen etwa 750 Fensterprofilvarianten mit komplexem Aufbau. Ihre Qualität im laufenden Betrieb zu überprüfen, ist für den Menschen unmöglich. Bisher wurden in festgelegten Intervallen Probestücke entnommen, aufwendig für verschiedene Messmethoden vorbereitet und schließlich kontrolliert.
Zentral und lückenlos findet die optische Inspektion der Profile nun in einer silbernen Trommel statt, die der Profilstrang nach 20 von 25 Metern Extrusionsstrecke durchläuft. Darin visualisieren Laser die Profilkonturen – acht Kameras erfassen die Laserstruktur, Bildpixel werden in Maße umgerechnet und mit dem für das jeweilige Produkt hinterlegten Prüfplan abgeglichen.
Der Toleranzbereich liegt zwischen 0,1 und 0,3 Millimetern. Ob alle Werte im grünen Bereich liegen, sieht der Maschinenfahrer live im Display. Bei Gelb muss er nachjustieren, bei Rot liegt ein echtes Problem vor.
„Die kontinuierliche Überwachung ist ein Riesenvorteil“, sagt André Göll, Gruppenleiter Werkzeuginstandsetzung. „Sie entlastet die Mitarbeiter, die nahezu keine manuellen Messungen mehr vornehmen müssen. Sie spart Zeit und minimiert den Ausschuss, verringert also Abfälle, weil sie Informationen in Echtzeit bereitstellt.“
Informationen, auf die auch Produktionsleiter, Schichtführer und Qualitätsmanager zugreifen können. Fernwartung und -konfiguration sind möglich.
„Wir können die Technologie auch zum Einregeln der Maschine nutzen, nachdem sie für die Extrusion eines neuen Profiltyps mit passenden Werkzeugen gerüstet wurde. Dieser Anfahrprozess kann zwei bis drei Stunden dauern, in denen der Einrichter permanent Anpassungen vornimmt, ehe die Produktionsreife erreicht ist. Die Inline-Inspektion zeigt die Auswirkung einer Parameterveränderung sofort an, sie verkürzt Laufwege und Anfahrzeiten.“
Auch das Profilinnenleben wird gescannt
Sechs der vierzig Extrusionslinien in Tanna verfügen über die Nonstop-Überwachung, zehn weitere sollen noch damit ausgerüstet werden – Investitionsvolumen mehr als eine Million Euro. Als einer der ersten Anwender vermisst Gealan seit Herbst 2020 auch Profil-Innenkonturen und Schichtdicken mit der ICSM (Inner Cross Segment Measurement) Technologie von Pixargus. Völlig entfallen soll die Qualitätsprüfung durch den Menschen trotz High-Tech-Lösungen aber nicht, Stichproben werden weiter genommen, gecheckt und für das Qualitätsmanagement archiviert.
André Göll: „Unsere Produkte sind innovativ, sie müssen Dämmwerte und Vorgaben des Einbruchschutzes einhalten. Früher gab es nur ein Hauptprofil ohne Dichtung, heute gibt es Profile mit Farbe, Recycling-Innenkern, mit verschiedenen Dichtungen an verschiedenen Positionen, mit bis zu 25 Maßen, die geprüft werden müssen. Die neuartige Vermessung entlastet die Mitarbeiter und wir können effizient produzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“
Finale Vision: sich selbst regulierende Extrusion
Die Installation der Inline-Dimensionsvermessung sei eine Voraussetzung gewesen für die Entwicklung einer sich selbst regelnden Extrusionsanlage, sagt Göll: „Das ist unsere Vision.“
Die Anlage gibt es schon, sie extrudiert, ihre Hard- und Software funktioniert. Was noch fehlt, ist die Netzverbindung von Extruder, Kalibriertisch und Abzug, damit Daten zwischen den Komponenten und der Maschinensteuerung ausgetauscht werden können.
Robert Lingner leitet das Forschungsprojekt: „In der Extrusion gibt es Tätigkeiten, die schwierig zu automatisieren sind, vor allem beim Anfahren. Eine kommunikative Steuerung kann uns aber Daten liefern, die auf Automatisierungspotenziale hinweisen. Wir versuchen, Automatisierungsmöglichkeiten zu identifizieren und in einer Software umzusetzen.“
Ein Beispiel: Heute verursacht ein Riss des Profilstrangs eine große Verstopfung, ein sogenanntes Elefantenohr, das am Auslauf des Extruders entsteht und ihn beschädigen kann. Automatisch ausgelöste Steuerbefehle könnten den Materialfluss stoppen und Elefantenohren vermeiden. „Wir entwickeln ein fortschrittliches Maschinenkonzept, das in Teilen in bestehende Anlagen einfließen kann. Wir werden keine durchgängige Automatisierung realisieren. Aus heutiger Sicht.“
Papierlose Produktion – in einem Extrusionswerk
Der Dialog für Lingner sehr wichtig – intern mit den Kollegen an den Maschinen und extern mit Lieferanten, mit Verfahrenstechnikern, auf Messen. In Kooperation mit der Hochschule Hof hat der Systemgeber seine Produktion praktisch papierlos gemacht; Maschinenbediener und einrichter bekommen Aufträge und Werkzeuginformationen aufs Tablet, über das sie auch Rückmeldungen senden. „Ich sehe uns als Vorreiter. Die Hochschule besucht uns mit Interessenten, zeigt ihnen, wie wir die Betriebsdatenerfassung digitalisiert haben.“
So werden kaschierte Profile überwacht
In den Kaschieranlagen, in denen Profilstangen mit Dekorfolien veredelt werden, sind ebenfalls Kameras auf die durchlaufende Ware gerichtet: Unter spezieller LED-Beleuchtung analysiert das Profilinspektionssystem Smash Profile von Isra Vision per Echtzeitdetektion die aufgebrachte Folienoberfläche und weist auf Unregelmäßigkeiten hin. Das Anlagenpersonal trifft die Entscheidung, ob eine Stange aussortiert und recycelt wird, und kann bei Bedarf an der Anlage nachregeln. „Es geht um die Erkennung kleiner Luftbläschen unter der Folie, um Leimreste, um nicht richtig beschnittene Kanten“, erklärt Kaschierungsleiter Reiner Abel. „Wir haben rund 90 verschiedene Dekorfolien – farbig, geprägt oder glatt – aus denen circa 30.000 Artikelvarianten entstehen. Jede Struktur reflektiert anders, das System wird einmalig auf jede Profilfolien-Kombination eingestellt.“ Rund zwanzig Meter Fensterprofil werden pro Minute kaschiert – ein Tempo, bei dem es für das menschliche Auge nicht einfach ist, Fehler zu erkennen. Isra Vision entbindet Mitarbeiter aber auch nicht davon, das Kaschierergebnis sorgfältig zu prüfen: „Das System tut etwas, das der Mensch auch kann, aber es tut es kontinuierlich und unter perfekten Bedingungen. Die Kollegen haben mehr Aufgaben als die optische Kontrolle.“
Smash Profile wurde speziell für Gealan konfiguriert und Anfang 2020 an drei von zehn Kaschierlinien installiert. „Wir investieren in diese Innovation, um Qualität zu sichern und kostspielige Reklamationen zu vermeiden. Mängel werden meist erst erkannt, wenn die Schutzfolie über der kaschierten Folie abgezogen wird, und das passiert in der Regel erst nach Einbau des fertigen Fensters.“
Kameras, Maschinen, die sich selbst regeln, Laser, Tablets – Unterstützung, an die sich die Belegschaft erst gewöhnen musste, die sie nun aber zu schätzen weiß. Robert Lingner: „Wenn wir wegen Wartung oder wegen eines Updates mal abschalten müssen, wird sofort gefragt: Hey, wann haben wir unsere Tablets wieder?“ Der Mensch wird nicht überflüssig, denn auch noch so moderne Anlagen müssen konfiguriert werden, brauchen Support. „Die Arbeit wird eine andere“, sagt André Göll, „technisch anspruchsvoller. Auch die Anforderungen an unsere Produkte werden immer höher. Wir wollen mit Technologie und unserem Stammpersonal wachsen.“