Dr. Keill betonte während einer Roto-Fachpresseveranstaltung, dass „ich gerne danebengelegen hätte“. Hauptverursacher der überwiegend negativen Entwicklung sei die Pandemie, die nach Aussage des Vorstandes der Roto Frank Holding AG aktuell wieder „zuschlägt“ und damit die auf anderen Krisenherden beruhenden Schäden potenziere. Der international operierende Bauzulieferer habe in dem „globalen Corona-Taumel“ dennoch stark performt, Umsatz und Ertrag gesteigert und letztlich alle Ziele erreicht. Auch 2021 will die Gruppe „ambitionierte Pläne“ realisieren.
Kritik an Handelsbeschränkungen
Keill ging zunächst auf einige Punkte ein, die beim Thema „Wirtschaft und Corona“ in der öffentlichen Diskussion bisher keine große Rolle spielten. So bezeichnete er es als „ernüchternd“, dass mehr oder minder erhebliche Freihandelsbegrenzungen durch anhaltende Sanktionen (USA/China, EU/Russland etc.) selbst jetzt noch „funktionieren“. Die häufige Missachtung marktwirtschaftlicher Prinzipien sei gerade in Covid-19-Zeiten fatal.
Übereinstimmung mit VFF-Prognosen
Der Holding-Vorstand erneuerte außerdem seine Kritik an der Qualität vieler Wirtschaftsforschungs-Institute. Sie befänden sich wieder einmal im „permanenten Korrekturmodus“ und trügen damit nur zur Verunsicherung bei. Aber als völlig nachvollziehbar beurteilte er in diesem Jahr die Prognosen, die vom Fensterverband in Frankfurt kämen. Gerade der Korrektur der deutlich pessimistischen Mai-Prognose zollte er Respekt und schloss sich der Vorhersage an, dass die Fensterbranche in Deutschland in diesem Jahr wohl mit leicht steigenden Umsätzen rechnen könne.
Lüftungsanforderungen beflügeln Fenstermärkte
Ein ganz spezieller Covid-19-Effekt betreffe die Fensterbranche direkt. Danach beeindruckt die deutsche Öffnungs- und Lüftungskultur Medien und Menschen weltweit. So habe sich die Berlin-Korrespondentin des britischen „The Guardian“ kürzlich in einem Artikel ausführlich mit „German windows“ befasst. Dabei brachte Sie ihr Erstaunen zum Ausdruck: „Deutsche öffnen ihre Fenster zweimal täglich, sogar im Winter!“ Das Lüften wurde als eine nationale Obsession gebrandmarkt. Immerhin: Die neue Aufmerksamkeit könne den Stellenwert des Fensters in der Post-Corona-Ära dauerhaft erhöhen.
Beschlagsdivision leicht unter Vorjahr
Die von der Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Turbulenzen hätten natürlich auch die für Roto relevanten Märkte bzw. Regionen nicht verschont und dort per saldo für eine sehr heterogene Entwicklung gesorgt. Insofern wäre eine spürbare Abschwächung des eigenen Geschäftes keine Überraschung gewesen. Die Betrachtung auf Gruppenebene zeige jedoch per 30. September 2020 das Gegenteil. Zum Stichtag lag der Gesamtumsatz, wie es hieß, mit 512 Mio. Euro (nach 509 Mio. Euro) sogar über der entsprechenden Vorjahresmarke. Darin schlage sich die spezifische Entwicklung der drei Divisionen nieder. Während die Fenster- und Türtechnologie (FTT) das Vergleichsniveau von 2019 knapp verfehlte, weise die Dachsystem-Technologie (DST) ein deutliches Wachstum aus. Professional Service (RPS) als Spezialist für die umfassende Nachversorgung von Fenstern und Türen verzeichne ein zweistelliges Plus.
Die Einschätzung, dass es im vierten Quartal wie in den Vorjahren zu keinen wesentlichen Verschiebungen kommt, stehe natürlich unter dem „Corona-Vorbehalt“. Dennoch rechnet Keill für 2020 mit einem Gruppenumsatz von 675 Mio. Euro „+ X“ (nach 668 Mio. Euro). Es gebe also die Chance auf einen nominalen Anstieg um knapp 2 %. Tendenziell leicht rückläufig sei die Mitarbeiterzahl, die aktuell weltweit ca. 4800 betrage. Das 2020 gezielt fortgeführte Investitionsprogramm bewege sich auf einem der „Situation angepassten Niveau“ und konzentriere sich vorrangig auf Ersatzbeschaffungen und Digitalisierung.
Ertragsseite positiv
Einen „positiven Trend“ meldete Keill bei der Ertragsseite. Das Gruppenergebnis sei u. a. dank eines effizienten Ressourcen- und Kostenmanagements spürbar gestiegen. Der Holding-Vorstand hob ferner die Ertragsrelevanz der trotz Corona in jeder Phase uneingeschränkten Lieferfähigkeit hervor, die für einen konkreten Wettbewerbsvorsprung gesorgt habe.
Die 2019 vollzogene Trennung in eine Holdinggesellschaft und drei Divisions-Unternehmen „hat sich bestens bewährt“, so Keill schlussendlich. Es sei gelungen, Komplexität zu reduzieren, mehr Transparenz zu schaffen sowie Prozesse zu beschleunigen.
Als klares Bekenntnis zum Unternehmen wertete Keill die künftige direkte Mitwirkung der Eigentümerfamilien in den Aufsichtsgremien einzelner Gesellschaften. Wie gemeldet, sind in den jeweiligen Holding-, FTT- und DST-Organen insgesamt vier Personen aus den Familien vertreten. Das sei ein wichtiges Identifikationssignal seitens der Eigentümer.
Mit dem Abschneiden der Roto-Gruppe in dem „extremen Corona-Jahr“ ist Keill rundum zufrieden: „Wir konnten alles umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten.“ Vor allem hätte man sich dem allgemeinen Negativtrend entzogen. Darüber hinaus liegt sogar ein Umsatzwachstum im Bereich des Möglichen und die Ertragskraft hat sich deutlich verbessert.
Zwei Szenarien für 2021 möglich
In seinem Ausblick beschrieb Keill zwei Szenarien. Bei der positiven Variante entspannt sich die Covid-19-Situation nachhaltig, sodass sich die Märkte weltweit schneller als erwartet erholen. Außerdem nimmt die Renovierungsintensität zu. Im negativen Szenario sorgt ein zweiter weltweiter Lockdown für einen wirtschaftlichen Kollaps mit der Folge, dass die Märkte nochmals einbrechen. Hinzu kommen neue Finanz- und Währungskrisen. Da beide Möglichkeiten gegenwärtig nicht auszuschließen seien, fehle die Basis für eine belastbare Prognose.
Deutschland, Schweiz und Österreich stehen gut da
Marcus Sander als Vorsitzender der Fenster- und Türtechnologie – Division bei Roto resumierte zunächst das Marktvolumen der weltweiten Beschlagbranche. Berechnungen bzw. Schätzungen zufolge betrug es 2019 rund 3,4 Mrd. Euro. Konstant blieb danach das Ranking der einzelnen Produktsegmente. Drehkipp (26 %) rangierte knapp vor Door (25 %) und Sliding (22 %). Es sei zu erwarten, dass es aufgrund der Covid-19-Verwerfungen zu „erheblichen Veränderungen“ komme.
Der CEO bewertete das Roto-Abschneiden in den einzelnen Teilmärkten: In Nordamerika verzeichne man deutliche Marktanteilsgewinne auf Basis eines profitablen Wachstums. Die Märkte in Südamerika seien nicht nur von Corona-bedingten, sondern auch von politischen und makroökonomischen Herausforderungen geprägt.
Für Europa konstatierte Sander zwar eine „insgesamt ausgeglichene Marktsituation“, wies jedoch gleichzeitig auf starke regionale Unterschiede hin. Zu den positiven Beispielen gehören danach Deutschland, Österreich, Schweiz und – nach der Lockdown-Periode – Osteuropa. Während Frankreich stagniere, sei Italien „schwierig“. In beiden Ländern wirke sich der zunehmende Druck osteuropäischer Fensterproduzenten belastend aus. Ein „großes Fragezeichen“ müsse man hinter Südeuropa setzen. Hier hänge im Bausektor auch einiges vom Tourismus ab. In Großbritannien bleibe es herausfordernd, da der Markt unter der Brexit-Ungewissheit und Corona gleichermaßen leide.
Summa summarum zog der FTT-Chef für Europa ein positives Fazit. Der Gewinn von Marktanteilen beruhe u. a. auf der „hohen Lieferzuverlässigkeit“ in allen Produktgruppen. Besonders erfreulich sei das Wachstum in Deutschland, das sich sowohl im Umsatz als auch beim Marktanteil zeige.
Im Geschäftsgebiet Asien/Pazifik seien die Blicke primär auf China gerichtet. Hier habe die Pandemie in den ersten vier Monaten für eine tiefe Rezession (bis zu -40 %) gesorgt. Inzwischen erhole sich der Markt wieder deutlich. Daran partizipiere auch Roto.
Den Kern der Roto-Strategie formulierte Sander abschließend so: „Wir wollen und werden unsere Kunden weltweit auch nach Corona aktiv begleiten, unterstützen und mit unseren Innovationen noch wettbewerbsfähiger machen.“