Unter absturzsichernden Verglasungen versteht man Verglasungen, die verhindern sollen, dass Personen auf eine tieferliegende Ebene stürzen. Sie müssen in der Lage sein, sowohl stoßartige Einwirkungen als auch statische Einwirkungen sicher abzutragen. Bauteile, die gegen Absturz sichern, sind nach den technischen Baubestimmungen nachzuweisen. Absturzsichernde Verglasungen sind geregelte Bauprodukte und müssen die Anforderungen der DIN 18008-4 erfüllen. So weit, so bekannt.
Aus bauphysikalischen und architektonischen Gesichtspunkten besteht vermehrt die Forderung, öffenbare Elemente wie Fenster und Fenstertüren anstelle von Festverglasungen, Geländern und Umwehrungen einzusetzen. Werden diese bodentiefen Fensterflügel zu Lüftungs-, Reinigungs- und Wartungszwecken teilweise oder ganz geöffnet, ist die Absturzsicherung nicht vorhanden. Fenster, die zu öffnen sind und die gegen Absturz sichern müssen, sind nicht geregelte Bauprodukte, da es keine technischen Baubestimmungen und keine allgemein anerkannten Regeln der Technik für sie gibt. Sie weichen von der technischen Regel der DIN 18008-4 ab.
In vielen Objekten werden derartige Fenster allerdings eingesetzt bzw. sollen eingesetzt werden. Nun stellt sich also die Frage, wie die Sicherheit gegen Absturz gewährleistet und nachgewiesen werden kann. Es wird ein Verwendbarkeitsnachweis nach § 17 MBO erforderlich, der z. B. über die Zustimmung im Einzelfall nach § 20 MBO durch die obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder erfolgen kann. Grundsätzlich sind die am Bau Beteiligten bei der Errichtung dafür verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Eine Zustimmung im Einzelfall kann jeder der am Bau Beteiligten unter Angabe des Verwendungszwecks beantragen.
Aufgrund der stetigen Nachfrage wurde vom ift ein Prüfkonzept für öffenbare Fenster mit Anforderungen an die Absturzsicherheit entwickelt.
Was müssen Fenster mit Öffnungsbegrenzer leisten?
Absturzsichernde Fenster müssen den zu erwartenden Belastungen standhalten. Die Rahmenprofile müssen die Lasten, die in der Verglasung/Füllung auftreten, in den Baukörper einleiten. Bei absturzsichernden Fenstern müssen die tragenden Teile der Konstruktion einschließlich der Verankerung im Baukörper den einschlägigen Technischen Baubestimmungen entsprechen. Hierbei ist die ETB-Richtlinie „Bauteile die gegen Absturz sichern“ anzuwenden. Der Nachweis kann durch dynamische (Pendelschlag) oder durch statische Versuche (Tragfähigkeit) geführt werden. Die Lastableitung muss vom absturzsichernden Bauteil bis in den tragenden Baugrund durch eine Fensterstatik nachgewiesen sein. In dem beschriebenen Fall wird in der Regel durch den Einsatz von Öffnungsbegrenzern verhindert, dass ein Flügel vollständig geöffnet werden kann.
Die Leistungsanforderungen an die Festigkeit, Dauerfunktionstüchtigkeit sowie Korrosionsbeständigkeit von Beschlägen für absturzsichernde Fenster legt die Normenreihe DIN EN 13126 ff fest. Der Beschlag und der Öffnungsbegrenzer müssen mindestens die Anforderungen an die Dauerfunktion von 20 000 Zyklen und eine Korrosionsbeständigkeit der Klasse 5 erreichen. Die Klasse der Gebrauchssicherheit ist für Öffnungsbegrenzer und ein nach innen öffnendes Fenster auf 3/3 festgelegt.
Klasse „3/x“ entspricht einer Öffnungsweite ≤ 89 mm und „x/3“ einem Pendelschlagversuch in Öffnungsrichtung mit einer Fallhöhe von 450 mm bei der Stoßprüfung. Damit ist auch der Lastfall „Wind“ für ein geschlossenes, aber nicht verriegeltes Fenster abgedeckt.
Wie der Dübel und die Schraube zum Sicherheitskonzept für die Befestigung des Rahmens im Baukörper, so muss auch der Beschlag mit Öffnungsbegrenzer im Fensterrahmenprofil zusammen funktionieren. Da aber nicht alle Kombinationen der Beschläge und Öffnungsbegrenzer im Fenster geprüft sind, müssen die Wechselwirkungen und damit die Kraftverteilungen (Winkel, Abstände etc.) bewertet werden.
Für die Bewertung der Verwendbarkeit der Fensterelemente im Gebäude sind in Tabelle 1 die Beanspruchungsszenarien sowie die Bewertungskriterien für absturzsichernde Verglasungen und Fenster mit und ohne Brüstung gegenübergestellt.
Stoßbelastung in Angriffsrichtung von innen nach außen
Absturzsichernde Fenster müssen alle Anforderungen nach DIN 18008-4 im geschlossenen Zustand und geöffnet mit Öffnungsbegrenzer im Anschlag erfüllen. Der Nachweis wird durch Prüfung nach DIN 18008-4 Anhang A durchgeführt. Das Versagenskriterium ist das Abreißen oder die Beschädigung des Öffnungsbegrenzers mit Auswirkungen auf die Schutzfunktion.
Dauerhaftigkeit
Die Dauerhaftigkeit der Öffnungsbegrenzer muss durch wiederholtes Öffnen und Schließen des Flügels mit maximalem Flügelgewicht und ungünstigstem Format durch die Prüfung sichergestellt werden. Der Flügel wird ausschließlich vom Öffnungsbegrenzer im Öffnungsvorgang gestoppt. Die Bezugsgeschwindigkeit von 0,5 m/s ist unabhängig von der Flügelmasse und muss vor Erreichen der begrenzten Öffnungsstellung erreicht sein. Zyklenzahl: 20 000.
Manipulationssicherheit
Die Befestigung des Öffnungsbegrenzers und/oder bei zweiteiligen Systemen des Verriegelungsmechanismus ist gegen unbefugtes Demontieren und Lösen der sicherheitsrelevanten Bauteile mittels Kleinwerkzeug mit geeigneten Maßnahmen zu sichern. Von einer ausreichenden Manipulationssicherheit ist auch auszugehen, wenn die Bauteile so verbaut liegen, dass ein Zugriff von der Angriffsseite praktisch ausgeschlossen ist. Durch einen manuellen Angriff wird versucht, die Schutzfunktion außer Kraft zu setzen. Die Prüfung ist bestanden, wenn die maximale Öffnungsweite mit den vorgegebenen Werkzeugen und innerhalb der Angriffszeit eingehalten ist.
Die beschriebenen Prüfungen bauen aufeinander auf und müssen in der im ift-Prüfkonzept vorgegebenen Reihenfolge geprüft werden.
Prüfung der Öffnungsweite
Bei einem absturzsichernden Fenster ist die Öffnungsweite auf maximal 89 mm begrenzt. Damit wird auch der Durchlass von kleinen Kindern im Alter von 9 bis 12 Monaten nach CEN/TR 13387 verhindert. Wird das Öffnungsmaß überschritten, so gilt die Prüfung als nicht bestanden. Im Rahmen der Zulassung kann die Baubehörde – abhängig von den örtlichen Gegebenheiten und der Gefährdung – eine abweichende Öffnungsweite (z. B. 120 mm) erlauben. Eine Veränderung der Öffnungsweite zwischen einzelnen Prüfschritten ist mit einer maximalen Veränderung von 5 Prozent der vor der Prüfung eingestellten und gemessenen Öffnungsweite begrenzt und darf dabei aber nie das festgelegte Maß überschreiten.
Ergibt sich die Öffnungsweite durch zusätzliche fest verbaute Teile und dem Flügel, z. B. bei Einsatzelementen in Pfosten-Riegel-Fassaden, gelten diese Ausführungen entsprechend.
Fazit
Auch Fenster mit Öffnungsbegrenzern können als absturzsichernde Elemente eingesetzt werden. Auf Grundlage einer Gefährdungsanalyse können das Sicherheitsniveau und die Öffnungsweite definiert werden.
Für den Planer empfiehlt es sich, dabei weitere Faktoren wie eine funktionale Redundanz, die Kennzeichnung des Betriebszustandes, Inspektions- und Wartungspläne sowie eine Nutzereinweisung zu berücksichtigen.
Für den Ausführenden gilt es, die einzelnen Bauteile sensibel auszuwählen. Ebenfalls muss er von seiner Hinweispflicht Gebrauch machen, da ein Fenster mit Öffnungsbegrenzer als absturzsicherndes Bauteil nicht geregelt ist und dies vor Ausführung mit dem Bauherrn geklärt werden muss. Ein Systemgeber kann für den Planer und Fensterbauer vorgeprüfte Fenstersysteme für die verschiedenen Anwendungsfälle anbieten. Auch hierfür ist das beschriebene Prüfkonzept eine gute Ausgangsbasis.