Bei den bisher üblichen Außentüren – in der Regel Haustüren und Laubengangtüren – waren aufgrund des relativ schlechten U-Wert-Ensembles der Türkonstruktionen auch keine Anforderungen in Bezug auf die Vermeidung von Wärmebrücken der Beschlagssysteme gestellt. Durch die kontinuierliche Verbesserung des Wärmeschutzes bis hin zur Passivhaustür treten Wärmebrücken, wie z.B. im Bereich der metallischen Durchdringungen von Beschlägen in den Vordergrund. Eine weitere Optimierung der U-Werte an einer Passivhaustür ist derzeit nur bei gleichzeitiger massiver Reduktion der Wärmebrücken im Bereich der Beschlagssysteme möglich.
Gestiegene Anforderungen
Durch den architektonisch bedingten, nahezu fassadenbündigen Einbau von Außentüren – in der Regel auch noch ohne Vordach – sind die Anforderungen an die Regendichtheit von modernen Beschlagssystemen enorm gestiegen. Diesbezüglich hat auch die europäische Normung hohe Anforderungen an Außentüren gestellt – jedoch nicht an die dazugehörigen Beschlagssysteme. Ein fachgerechtes, insbesondere universelles Abdichtungssystem, das den Wassereintritt und die damit in Verbindung stehenden Schäden, wie sie auch bei Kondenswassererscheinungen auftreten, vermeidet, ist derzeit am Markt nicht verfügbar.
Aus diesem Grund startete die Holzforschung Austria im September 2010 gemeinsam mit namhaften Partnern aus der Wirtschaft das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „OBS – Optimierte Beschlagssysteme für Passivhaustüren“. Anhand von sechs eigenständigen und untereinander korrelierenden Arbeitspaketen konnten neuartige und universell verwendbare Beschlagssysteme entwickelt und untersucht werden. Im Vorfeld wurden Konstruktionsanalysen und Simulationsberechnungen zur thermischen Optimierung durchgeführt. So konnten die zielführenden Konstruktionsarten gut eingegrenzt werden.
Die grundlegenden Erkenntnisse zur bauphysikalischen Optimierung und ein universeller Einsatzbereich der optimierten Beschlagssysteme stand dabei im Vordergrund des Projektes.
Die unterschiedlichen Prototypenserien machten es möglich, ein Optimum an thermischer Optimierung auszuloten – ohne etwas an der grundsätzlichen Konstruktion des Beschlagsschildes abzuändern.
Es wurden verschiedene Ansätze abgearbeitet: So konnten beispielsweise ein entkoppelter Wechselstift, Drückerstifte aus Verbundwerkstoffen und Schließzylinder mit integrierten und aufgesetzten Dichtsystemen sowie thermischen Dämm- und Trennmaßnahmen entwickelt und untersucht werden. Die Untersuchungen zur thermischen Optimierung erfolgten in Kombination mit einer Versuchstür unter einer Differenzklimabelastung von –15°C (außen) und 22–23°C, 50–60 % rel. Luftfeute (innen) sowie Differenzdrücken von 30 Pa. Durch das relativ große Differenzklima sollte es an kritischen Beschlagskomponenten zur Kondenswasserbildung kommen. Zur Bewertung der thermischen Optimierungsmaßnahmen wurden thermographische Aufnahmen, Beurteilungen zur Kondenswasserbildung und Temperaturmessungen am Schlosskasten durchgeführt.
Die Abdichtung geht vor
Als wesentlicher Einflussfaktor stellte sich die Abdichtungsmaßnahme heraus. Diese hat insbesondere bei Druckdifferenzen einen großen Einfluss auf die thermische Qualität der Produkte und steht auch stark mit der Schlagregendichtheit in Zusammenhang. Ein weiter Faktor für die thermische Optimierung ist der Einsatz von Materialien mit niedriger Wärmeleitfähigkeit.
Durch die Optimierungsmaßnahmen konnten die Oberflächentemperaturen im Schildbereich von 14°C auf bis zu ca. 19°C und die der Schließzylinder von ca. 4,9°C auf bis zu 14,4°C gesteigert werden. An bestimmten Schließzylinderkonstruktionen wurde die Kondenswasserbildung vollständig vermieden – selbst bei einem Differenzdruck von 30 Pa.
Wann kommt das Wasser?
Auch im Prüfalltag der HFA macht sich oftmals bemerkbar, dass die Anforderungen an die Schlagregendichtheit von Standard-Beschlagssystemen nicht erfüllt werden und schon nach wenigen Minuten ein Wassereintritt zu erwarten ist. Dieses Wasser kann in der Praxis leicht zu Folgeschäden führen, da es leicht in die Türkonstruktion gelangt und dadurch vom Nutzer nicht zu erkennen ist.
Die im Rahmen des Forschungsprojektes durchgeführten Versuche zur Schlagregendichtheit erfolgten an einer speziell adaptierten Hohlraumkonstruktion, die eine endoskopische Ortung des Wassereintritts zeitlich und örtlich exakt möglich machte.
Die Versuche zur Schlagregendichtheit zeigten, dass eine Regendichtheit von bis zu 70 Minuten bei Differenzdrücken von bis zu 1050 Pa erreicht werden können, wenn die Beschlagskomponenten als korrespondierendes System betrachtet werden und Schließzylinder mit integrierten Dichtsystemen verwendet werden. Auch weitere Beschlagssystemkomponenten (z.B. Türspione und Schließbleche) wurden bezüglich deren thermischen und schlagregendichten Eigenschaften untersucht. An diesen Komponenten konnten ebenso sehr gute Ergebnisse erzielt werden.
Da durch den Austausch von Materialien, der für eine thermische Optimierung notwendig ist, auch Festigkeitsverluste erwartet wurden, erfolgten zusätzlich mechanische Versuche (Dauerfunktions- und Einbruchversuche). Darüber hinaus wurden die optimierten Beschlagssysteme auch brandschutztechnisch untersucht.
Seitens der Projektpartner der Türen- und Beschlagshersteller ist geplant, die im Rahmen des Projektes erlangten Konstruktionen und Erkenntnisse in marktreife Produkte zu überführen.
Diese Produkte stellen in dieser Form ein Novum am europäischen Beschlagsmarkt dar und sollen den beteiligten Unternehmen darüber hinaus dementsprechende Wettbewerbsvorteile bringen. —
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Der Autor
Der Ingenieur Richard Oberressl ist Mitarbeiter an der Holzforschung Austria
Kontakt: r.oberressl@holzforschung.at
Fenster-Türen-Treff 2013
Das Forschungsprojekt „OBS – Optimierte Beschlagssysteme für Passivhaustüren“ wird auch vom Autor auf dem Fenster-Türen-Treff 2013 vorgetragen. Der Branchentreff, der vom 7.bis 8. März in Baden bei Wien stattfindet, hat diesmal die Fenstermontage als Schwerpunktthema.