Zwanzig Universitäten maßen sich in dem vom U.S. Energieministerium ausgeschriebenen Wettbewerb darin, das beste „Prototype Home 2015“ zu realisieren: Von der Entwicklung über die Planung bis hin zum Aufbau auf der National Mall mit Blick zum Capitol. Dort musste das Gebäude eine Woche lang energieautark bewohnt werden – nur solare Energie war zugelassen und kochen, Wäsche waschen und ein 425 l -Kühlschrank (!) für den „Zwei-Personen-Haushalt“ waren für alle Teams obligatorisch. Alle gebauten Visionen sollten mit innovativen Materialien erstellt werden, die eventuell im Jahre 2015 zum Standard gehören könnten. An heutige Wirtschaftlichkeitsberechnungen sollte das Funktionieren des ca. 70 m2 großen Gebäudes nicht gebunden sein, dafür sind die verwendeten Bauelemente noch zu teuer.
Besonders schwierig war das amerikanische Anforderungsprofil nicht, denn in der Oktoberwoche des Wettbewerbs herrschten in Washington +25° Grad. Aber: die überschüssige Solarenergie sollte in Elektroautos eingespeist werden, die mit ihrer Fahrleistung den Energieüberschuss des jeweiligen Hauses dokumentierten.
Oberste Priorität: Energie bewahren
Isabell Schäfer, eine der Projektverantwortlichen an der TU-Darmstadt: „Generell ging es uns darum, frühzeitig im Entwurf auf energetische Parameter Rücksicht zu nehmen. Das ist vielleicht eher ein europäischer Ansatz, ein Haus vom Grundriss und der Gebäudehülle her so zu planen und auszuführen, dass man erst einmal möglichst viel Energie bewahrt, bevor man dann sinnvoll aktive Systeme ergänzt.“ Obwohl vom U.S. Energieministerium kein besonderer Dämmstandard gefordert wurde, entschieden sich die Darmstädter Studenten, ein hochgedämmtes Plusenergiehaus zu planen, das auch im europäischen Raum ohne externe Energiezufuhr ganzjährig bewohnbar ist. „Uns war daran gelegen, Passivhaus-Niveau zu erreichen, um auf einer internationalen Plattform für deutsche Standards zu stehen,“ sagt Schäfer. Dabei kamen den passiven Maßnahmen besondere Bedeutung zu: das Gebäude ist in verschiedene Schichten mit unterschiedlichen Temperaturzonen aufgeteilt.
Außen befindet sich an der Fassade eine verschattende und schützende Hülle aus Eichenholzlamellen, die im Osten, Süden und Westen mit insgesamt 1020 Photovoltaikelementen (amorphe Zellen als Dünnschichtmodule mit insgesamt ca. 2 kWp Leistung) belegt sind und motorisch der Sonne nachgeführt werden. Die Lamellen sind falt- und verschiebbar und regeln den Tageslichteintrag. An der Südfassade befindet sich zwischen den Lamellen und der Verglasung als zweiter Fassadenschicht eine Veranda, die nach oben hin mit schattenspendenden, transluzenten Photovoltaikelementen abschließt.
Nordseitig mit Vierfachverglasung
Die raumhohe Verglasung mit dem Fenstersystem „Energate“ von der Ludwig Häußler GmbH ist Teil der thermischen Hülle. Nordseitig wurde das System mit einer Vierfachverglasung (U-Wert 0,3 W/m2K), im Süden als Dreifachverglasung mit einem U-Wert von 0,5 W/m2K ausgeführt. Das Holzfenstersystem weist einen Purenit-Kern auf und ist teilweise eine Pfosten-Riegel-Konstruktion, teilweise gibt es große Schiebeelemente. Bei geöffneten Lamellen ergeben sich nach Süden hin passive solare Gewinne und für eine Nachtauskühlung im Sommer sind Öffnungselemente gegenüberliegend angeordnet. Zusätzlich sorgt der tiefe Dachüberstand im Süden in dieser Jahreszeit für Verschattung.
In den opaken Bereichen wie Decke, Boden und Wände wurden Vakuumisolationspaneele verwendet, die zweilagig in jeweils 3 cm Stärke aufgebracht wurden. Dadurch wurden dort U-Werte < 0,1 W/m2K erreicht. (Lesen Sie mehr über die Fenster von Häußler im Interview mit Mathias Häußler auf der übernächsten Seite)
Das Gebäude setzt sich aus drei Modulen in Holzrahmenbauweise zusammen, sodass es transporttauglich ist.
Als Klimapuffer im Innenbereich dienen Gipskartonplatten an Wänden und Decken mit einer 1,5 cm-Schicht PCM (Phase Changing Material). Verstärkt wird das Abfangen von Spitzenlasten durch ein passives, wasserführendes Kühlsystem: aus einem Tank im Bodenbereich am Eingang wird Wasser nachts frei über die Photovoltaikelemente (Hochleistungs-Standard-Module mit 8,6 kWp Leistung) auf dem Dach geleitet. Durch die am Tag stark erhitzten Elemente verdunstet ein Teil des Wassers, der andere Teil kühlt durch diese Verdunstung ab und wird durch Kapillarrohrmatten in der Decke oberhalb der PCM-Platten geleitet, wo es die Tageswärme aus den Platten übernimmt. Das wärmere Wasser durchfließt den Wärmetauscher der kontrollierten Lüftungsanlage und zurück in den Bodentank.
Flach in das Dach integriert sind die oben erwähnten PV-Module sowie zwei solarthermische Kollektoren (eine Sonderanfertigung von Bosch-Buderus) für das Brauchwarmwasser.
Innerste Schicht des Gebäudes ist der Raumkern, in dessen Zentrum sich das Bad als der wärmste Bereich befindet. Als Luxus ist die Erweiterbarkeit des Sanitärbereichs durch Schiebewände zu sehen, weiterhin die transluzenten Wandelemente, die Tageslicht bis in das Bad hinein bringen. Dann folgt die Küche und der Aufenthaltsbereich, dessen Möblierung – wie auch das Bett oder die Bürotechnik – sich im doppelten Boden verbergen und nach Bedarf umgruppiert werden können oder ganz unsichtbar sind.
Die Haustechnik funktioniert – neben den passiven PCM/Wasser-Tauschern – über ein Kompaktgerät mit Wärmetauscher, Wärmespeicher und reversibler Wärmepumpe, das an besonders kalten Tagen über die Zuluft nachheizt – und bei Bedarf auch kühlt. „Die aktiven Systeme mussten auf dieses Gebäudekonzept genau abgestimmt sein. Neu war das Zusammenspiel von Gebäude, Gebäudetechnik, passiven und aktiven Maßnahmen“, resümiert Isabell Schäfer.—
Jörg Pfäffinger
Solar Decathlon
Jedes, der am Wettbewerb in Washington D.C. teilnehmenden Studenten-Teams, wurde mit seinem Haus in zehn Disziplinen bewertet:
Architektur: zukunftsfähige Wohnform
Konstruktion und Technik
Kommunikation und Dokumentation / PR
Energieeffizienz und Haushaltsgeräte
Vermarktungsstrategie
Behaglichkeit
Brauchwarmwasser
Energiebilanz
Betrieb eines Elektroautos
Den nächsten Haus-Zehnkampf gibt es wieder im Jahre 2009. Mehr Informationen gibt es unter http://www.solardecathlon.de