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Kontroverse über die Bauanschlussfuge

Eine Fuge ist eine Fuge, oder?

Die Fragen

Frage 1: Welche Bedeutung hat für Sie für die Bauanschlussfuge das Prinzip „Innen dichter als außen“? Ist das Prinzip immer zwingend anzuwenden?

Frage 2: Sind PU-Schäume alleine in der Lage, eine Baukörper-Anschlussfuge gleichzeitig zu dämmen und abzudichten? Lassen sich damit Anschlüsse herstellen, die den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik genügen?

Frage 3: Wie beurteilen Sie Schadensfälle im Vergleich zu früher? Hat sich bei den Ursachen und den daraus resultierenden Wirkungen etwas geändert? Nehmen Tauwasserprobleme im Baukörperanschluss zu?

Frage 4: Die Montage ist im Vergleich zu früher deutlich aufwendiger und komplizierter geworden. Ist dies gerechtfertigt oder könnte man mit weniger Aufwand das Gleiche erreichen?

Die „Kontrahenten“

Wilfried Berger ist Schreiner und Bauschaden­analytiker und betreibt in Berg bei Ravensburg ein Büro, welches Dienstleistungen für Handwerker, Baugeschädigte und alle Art von Schadensanalysen anbietet. Auf seiner Homepage sind umfangreiche Informationen über die fachgerechte Montage hinterlegt. https://www.baufachforum.de/

Rüdiger Müller ist Institutsleiter des PfB (Prüfzentrum für Bauelemente). Er ist ­ehrenamtlicher Vertreter des Verbraucherrates im DIN. In dieser Eigenschaft arbeitet er in relevanten Normenausschüssen mit. http://www.pfb-rosenheim.de


Wilfried Berger:

Zu Frage 1: Nein. Es wäre beispielsweise fatal, wenn wir in einem historischen Fachwerkhaus, Membranen mit Alueinlagen einbauen würden. Entscheidend ist, dass wir die Bauanschlussfuge der Bausubstanz anpassen müssen. Und dabei müssen wir uns zuvor die Frage stellen, was wir von der Außenhülle erwarten. Im Neubau gilt es aber zu verstehen, dass wir ganz andere Häuser mit anderen Ansprüchen bauen wie vor 50 Jahren. Daher ist diese Forderung hier zwingend. Das Gleiche gilt aber auch für den Altbau. Wir können doch nicht ein Fenster einbauen, das einen Wärmeleitwert von ca. 1,1 W/m2K hat und dann die Fuge mit 3,0 W/m2K ausbilden und „absaufen“ lassen. Das hat zwischenzeitlich jeder gute Handwerker verstanden. Und die, die es nicht verstehen, haben in diesem Markt nichts zu suchen.

Zu Frage 2: Betrachten wir doch einfach einmal die DIN 4108 näher, dann sehen wir, wie Ortschäume eingestuft werden: Demnach sind dies „weiche“ Produkte, die gleichzeitig zu Rissbildungen neigen. Und somit können sie nicht lastabtragend sein. Entscheidend ist allerdings der Absatz 7.2.1.: Dort ist eindeutig festgehalten, dass Bauschäume nicht zwischen ­diffusionsdichte Deckschichten eingebaut werden dürfen. Jetzt verlangen allerdings die Wärmedämmverbundsysteme, dass im Innenbereich eine diffusionsdichte Schicht eingebaut werden muss. Würden wir hier das Prinzip „innen dichter als außen“ nicht einhalten, dürfte der Ortschaum doch gar nicht eingebaut werden. Gleiches gilt bei Holzhäusern, wenn OSB-Platten verarbeitet werden. Wo sollen wir dann dieses Produkt noch verwenden? Diffusionsdicht ist der Schaum nicht. Also braucht der Schaum in 90% aller Fälle auf unserer Baustelle eine Membrane als Ergänzung. Denn der Schaum alleine kann diese kontrollierte Feuchtewanderung gar nicht erfüllen. Entscheidend ist doch, dass nach der Norm die Anschlussfuge ­ einige Ansprüche erfüllen muss. Wenn der Schaum die Prüfung der Schlagregendichtheit besteht, darf er bis 30 bis 50% durchnässt werden. Aber mit dieser Schlagregenbeanspruchung können die anderen Ansprüche der Einzelprüfung von „Schall“ und „Wärmeleitfähigkeit“ gar nicht mehr erfüllt werden – ganz zu schweigen von dem Brandschutz-Anforderungen. Und darum kann der Schaum als eigenständiges Produkt diesen Forderungen nicht nachkommen – so wenig wie die Quellbänder.

Zu Frage 3: Früher, bei unseren Bauten mit 3,0 W/m2K, traten Bauschäden erst nach 15 Jahren auf bzw. wurden dann erst erkannt. Heute treten die Schäden z.T. nach dem ersten Winter auf. Entscheidend ist – was viele Planer, Bauleiter und Handwerker nicht begreifen wollen – dass wir „Hochleistungsbauhüllen“ bauen. Dadurch werden an die Bauteile enorme zusätzliche Ansprüche gestellt. Und dabei ist es nicht erlaubt, an gewissen Stellen „stecknadelgroße“ Leckagen zu produzieren. Wer das nicht begreifen möchte, muss einen anderen Beruf wählen.

Zu Frage 4: Nein. Der Aufwand wird sogar noch wesentlich höher werden, da bestimmte Schnittstellen des Einbaus schlecht koordinierbar sind. Mit der Erhöhung der Ansprüche wird der Fenstereinbau zu einem ganz separaten Gewerk. Viele Fensterbauer, die ich kenne, bauen keine Fenster mehr ein, ohne dass sie ihrem Kunden Einbaugrundlagen zum Bauvertrag mit beilegen. Damit ist dann klargestellt, was Vertragsgrundlage ist und was als Nachtrag berechnet werden muss. Damit erkennt der Kunde aber auch, dass der Einbau ein „Hochleistungsprodukt“ ist und akzeptiert auch die Nachträge. Wir müssen einsehen, dass der Einbau zum Teil teurer ist, wie das Fensterelement. Wer in der Zukunft den Meter Fensterfuge für weniger als 25 Euro verkauft, wird seinen Betrieb nicht lange halten können. Und da helfen Ortschäume als vermeintliche Wundermittel auch nicht weiter. —


Rüdiger Müller:

Zu Frage 1: Ich stehe dem Prinzip sehr skeptisch gegenüber. Insbesondere für Holzfenster und dem praxisfremden Vorschlag, die Leibungen auszuputzen, ergab sich aus Erkenntnissen diverser Gutachterfälle wegen dieser „Absperrung“ eine Zunahme der Holzfeuchte bis zur Fasersättigung. Gerade im Renovierungsbereich wird neben der Wärmedämmung der Baufuge beidseitig versiegelt und meist raumseitig noch verleistet. Damit ist die Fuge innen und außen dicht. Wird dann noch auf das Verputzen der Leibung verzichtet (was sowieso vom Bauablauf nicht anders möglich ist), liegt eine optimale Baufuge vor.

Zu Frage 2: Wie von mir durchgeführte Untersuchungen zeigen, sind prinzipiell auf Dichtigkeit nachgewiesene PU-Schäume auch allein geeignet, um eine Baufuge reklamationsfrei herzustellen und so den anerkannten Regeln der Technik zu genügen.

Zu Frage 3: In den letzten Jahren hat die Schimmelbildung sehr stark zugenommen. Und dies gerade bei nach an allen Regeln der Kunst ausgeführten Bauanschlüssen. Man kann klar ableiten, dass die Probleme der Tauwasserbildung mit Zunahme der „Jagd nach dem Luftzug“ enorm angestiegen sind. Ich meine, dies kommt sicherlich nicht allein durch die immer mehr theoretischeren Vorgaben von Richtlinien, sondern basiert auf einer vollkommen falschen Verbraucheraufklärung. Wenn man z.B. an einem Neubau in den Wintermonaten ein Schild vorfindet, mit der Beschriftung „Bitte Fenster und Türen schließen, es wird bereits geheizt“, dann kann sich selbst ein Laie vorstellen, was da mit den Fenstern und Türen, insbesondere an dem Naturprodukt Holz passiert. Die Ursachen des Dilemmas sind bei den Theoretikern zu suchen, den „Luftzugjägern“, die z.B. mit Thermokamera, Ultraschallgerät und/oder Räucherstäbchen akribisch Leckagen aufsuchen, um so von dem Handwerker nochmals Geld einzubehalten. Da neben der Jagd nach dem Luftzug, noch die Jagd nach dem 1/20, ja sogar 1/100 am U-Wert eingetreten ist, gibt es keine Harmonie mehr zwischen den aneinanderliegenden Materialien. Ich stelle die Frage: Wo soll der Zug hingehen und können wir uns das alles noch leisten oder machen wir damit das gute ausführende Handwerk kaputt?

Zu Frage 4: Die Einbauanleitungen (Montageleitfaden) – welche zudem noch von den Handwerksverbänden mit unterstützt werden – sind von 10 auf sage und schreibe über 250 Seiten erweitert worden. Ist das wirklich ein Fortschritt? Die Montage wurde verwissenschaftlicht. Es sollte doch ausreichen, wenn das Fenster lot- und fluchtgerecht montiert und mit PU-Schaum und/oder Klebeschaum, die sowohl eine dem Gesetzgeber vorgegebene Luftdurchlässigkeit als auch eine gewisse Druckfestigkeit aufweisen, abgedichtet und die Baufuge verschlossen wird. Inwieweit es sich hierbei um eine RAL-Montage handelt, ist nicht das Thema, denn diese stellt eine von mehreren Montagevarianten dar. Wir sollten wieder zu dem Leitsatz zurückkommen, weniger – mit entsprechendem handwerklichen Sachverstand ausgeführte Montage – ist mehr.­ —

Die Fragen stellte Daniel Mund, stellv. Chefredakteur der GLASWELT.

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