Passivhäuser müssen gegenüber „gewöhnlichen“ Neubauten keine grundsätzlich anderen, zusätzlichen oder unüblichen Komponenten aufweisen: Wände, Dächer, Fenster und auch die Lüftung werden in jedem Haus ohnehin gebraucht. Das Passivhauskonzept setzt auf eine erhebliche Qualitätsverbesserung dieser Komponenten. Weil die für das Passivhaus erforderliche Qualität bereits heute technisch ohne Umstände zu erfüllen ist, ergibt sich dadurch eine klare Perspektive: Warum sollte man sich mit einem Standard zufrieden geben, der unnötig schlechter ist als das nach dem Stand der Technik heute Verfügbare?
Zwar ist die Qualität aller Einzelkomponenten beim Passivhaus „nur“ jeweils quantitativ besser als die heute übliche Massenware, aber aus der Summe dieser Verbesserungen ergibt sich ein qualitativer Sprung. Die Definition eines Passivhauses lautet „Die Art, der Ort (im Raum) und der Zeitpunkt (am Tag) der Heizwärmezufuhr spielenkeine Rolle mehr. Die thermische Behaglichkeit wird durch die Qualität der Gebäudehülle und des Lufterneuerungssystems bestimmt.“
Dieser Zustand kann erreicht werden, wenn die Innenoberflächentemperaturen aller Bauteile sowie die Zulufttemperatur auch unter kältesten Auslegungsbedingungen nicht mehr als etwa 4°C unter die Raumlufttemperatur fallen und wenn die auf die Wohnfläche bezogene maximale Heizlast nicht größer als 10 W/m2 ist. Für künftige Neubauten kann man nur empfehlen, diese Bedingungen generell zu erfüllen. Der Qualitätssprung, der zum Passivhaus führt, ist physikalisch begründet – hier gibt es keine Willkür. Die das Passivhaus definierenden Eigenschaften ermöglichen eine ökonomisch vernünftige Bauweise – sie erlauben es, extrem energieeffiziente Gebäude kostengünstig auszuführen.
Ökonomisch sinnvoll und mehr Komfort
Schon heute können Passivhäuser im Lebenszyklus ökonomisch mit gewöhnlichen Neubauten konkurrieren, und dies, obwohl es sich bei den verwendeten Komponenten noch keinesfalls überall um industriell gefertigte Massenprodukte handelt. In dem Maß aber, in welchem eine kostengünstige Fertigung auch der Passivhauskomponenten fortschreitet, wird sich für sie das Gleiche herausstellen wie schon für die Niedrigenergietechnik: Der Mehraufwand ist minimal, bei geschickter Fertigung gehen die Mehrkosten auch des Passivhausstandards gegen Null.
Je mehr Erfahrungen mit dem Passivhaus gesammelt wurden, desto klarer kristallisiert sich die hohe Behaglichkeit in diesen Gebäuden heraus. Bewohner berichten, wie sie den Kontrast zwischen zugigen, schlecht gedämmten Häusern mit mäßiger Luftqualität und ihrem Passivhaus erleben. Dass es enorme Komfortvorteile beim Passivhaus gibt, ist kein Wunder – auch dies begründet sich aus einfachen physikalischen Zusammenhängen: Gut gedämmte Außenoberflächen sind im Winter automatisch warm und bleiben im Sommer kühl. Eine spürbare Strahlungstemperaturasymmetrie entfällt, der Antrieb für die Raumluftwalze und den Kaltluftsee am Boden ebenfalls. Das Ergebnis sind „warme Füße“ und darüber berichten die Bewohner.
In ausreichendem Ausmaß ständig erneuerte Luft schafft gute Innenraumqualität; das wurde in Passivhäusern mehrfach objektiv gemessen und auch darüber berichten die Bewohner.
Wieviel Luft braucht das Haus?
Da Fugen nichts nützen, aber viel schaden, sollten schon „normale“ Gebäudehüllen dicht sein. In Passivhäusern wird der notwendige Luftaustausch mit einer Lüftungsanlage sichergestellt. Fugenlüftung würde dann allenfalls stören und die Wärmeverluste beträchtlich erhöhen – denn für durch Fugen durchtretende Luft ist die Wärmerückgewinnung unwirksam. Luftdicht ist beispielsweise die klassische, gemauerte Außenwand nur, wenn sie einen nicht unterbrochenen Innenputz trägt. Der Innenputz muss allerdings auch rundum ausgeführt werden – also vom Rohfußboden bis zur Rohdecke. Auch hinter Treppen muss verputzt werden, selbst wenn man das nicht sieht. Sind erst einmal dichte Grundkonstruktionen gewählt, so kommt es vor allem auf die luftdichten Anschlüsse zwischen den Bauteilen an. Die Qualitätsanforderung für die Luftdichtheit bei Passivhäusern lautet: Beim Drucktest muss ein n50-Wert kleiner oder gleich 0,6 h–¹ erreicht werden.
Entscheidender Faktor Glas
Die passive Nutzung der Sonnenenergie ist eines der zentralen Konzepte für die niedrigen Wärmeverbräuche im Passivhaus. Auch die Solarenergie durch die Fenster führt zu weiter verbessertem Komfort: lichtdurchflutete Räume sind die Konsequenz der Öffnung zur Sonne. Speziell für das Passivhaus entwickelt wurden Dreischeibenwärmeschutz-Verglasungen, die mit einem „center of glass“ Ug-Wert zwischen 0,5 und 0,8 W/(m2K) so gut sind, wie noch vor wenigen Jahren übliche Außenwände. Zwei Vorteile liegen auf der Hand: Diese Fenster lassen auch im mitteleuropäischen Kernwinter mehr Sonnenenergie in die Räume, als Wärme durch sie verloren geht. Außerdem sind die Oberflächentemperaturen auch in Kälteperioden so hoch, dass weder ein spürbarer Strahlungswärmeentzug noch eine störende Konvektionswalze entstehen. Sowohl für die Behaglichkeit als auch für die Energiebilanz ergibt sich hier ein Qualitätssprung. Die Kriterien dafür, dass das so ist, lauten:
- Passivhaus–Behaglichkeitskriterium Verglasung: U<sub>g</sub> ≤ 0,8 W/(m<sup>2</sup>K)
- Passivhaus–Energiekriterium Verglasung: U<sub>g</sub> –1,6 W/(m<sup>2</sup>K) x g < 0
Die Verfügbarkeit derart hochwertiger Verglasungen war entscheidend für den Durchbruch beim Bau von Passivhäusern. In wenig verschatteten südorientierten Fassaden ist damit eine echte passive Solarenergienutzung mit Nettowärmegewinnen sogar im Januar möglich.
Auch auf den Rahmen kommt es an
Eine gute Verglasung benötigt auch einen Rahmen mit entsprechender Qualität. Dank des Engagements von Herstellern ist es innerhalb weniger Jahre gelungen, qualitativ hochwertige Fensterrahmen für das Passivhaus zu entwickeln: Inzwischen sind Fenster-Uw-Werte zwischen 0,7 und 0,8 W/(m2K) ohne Weiteres erreichbar. Passivhaus-Qualität verlangt hier, dass mit einer Verglasung mit Ug=0,7 W/(m2K) ein Fenster-U-Wert (Größe 1,23m x 1,48m) kleiner oder gleich 0,8 W/(m2K) erreicht wird. Aber erst zusammen mit dem Glasrandverlustkoeffizient Ψg kann die thermische Qualität vollständig bewertet werden.
In letzter Zeit wurde oft diskutiert, ob es nicht eine Erleichterung wäre, das Fenster-Kriterium abzuschwächen und den Referenz-U-Wert für die eingesetzte Verglasung zu reduzieren (bessere Verglasungen sind ja heute durchaus verfügbar). Die Absicht bei dieser Diskussion ist klar: Dadurch müssten sich Hersteller von Fensterrahmen weniger anstrengen, um ein Passivhaus-Zertifikat zu erhalten – auch Rahmen-U-Werte von noch um 1,0 W/(m2K) wären dann z.B. zertifizierbar. Diese Argumentation ist allerdings kurzsichtig: Beim Bau von energieeffizienten Gebäuden kommt es ja gerade nicht darauf an, mit möglichst geringen Anforderungen an die Produkte ein „tolles Label“ zu erhalten (ein aus Herstellersicht verständliches Ansinnen), sondern es geht um ein funktionsfähiges und immer noch kostengünstiges Gebäude. Rahmen-U-Werte um 1,0 und Verglasungen um 0,5 W/(m2K) passen nicht zusammen – so schlecht sollte ein im Passivhaus eingesetztes Bauteil nicht sein. Alle anderen opaken Bauteile haben U-Werte um 0,15 W/(m2K) – der Fensterrahmen ragt hier als einsame, traurige Spitze heraus. Die Anstrengung, eine gute Gesamtlösung zu erreichen, wird mit jedem nicht völlig ausreichenden Produkt wieder auf den individuellen Bauentwurf verlagert: Es ist dann der Architekt, der ein weniger optimales Produkt durch erhöhte Anstrengungen an anderer Stelle kompensieren muss – und das wird teuer. Dass andererseits Fensterrahmen die hier beschriebene Qualität erreichen können, wird durch die verfügbaren Produkte belegt. Gerade hier sind aus Sicht des PHI noch weitere Fortschritte möglich, und diese sind mit die attraktivsten Potenziale im gesamten Gebiet der Gebäudehülle.—
Im zweiten Teil in der nächsten GLASWELT lesen Sie mehr über die Einbauanforderungen für ein Passivhaus-Fenster und über den Ausblick, wie sich der Passivhaus-Standard beim Bauen entwickeln wird.
Der Autor
Prof. Dr. Wolfgang Feist (55) arbeitet an der Universität Innsbruck im Arbeitsbereich Bauphysik.
Feist lieferte entscheidende Beiträge zur Entwicklung des Niedrigenergiehauses in Europa – vor allem zur Entwicklung des Passivhausstandards. Unter seiner Ägide wurde das erste Passivhaus (Projekt Darmstadt Kranichstein) gebaut. Er ist Träger des Deutschen Umweltpreises und des internationalen Umweltpreises der Stadt Göteborg.