GLASWELT: Nachhaltigkeit ist ein Thema, das im Moment in aller Munde ist. Was hat die Holzforschung Austria damit zu tun?
Peter Schober: Die Baubranche wird sich vermehrt und intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Wie weit man sich hier jedoch engagieren muss, wird die Zukunft zeigen. Nachhaltigkeit ist ein gesellschaftspolitisches Thema, es umfasst sowohl Verkehr, Energie, Industrie, Landwirtschaft und dgl. – aber eben auch den Baubereich!
Die europäische Union hat in der neuen Bauproduktenverordnung, die noch nicht veröffentlicht ist, eine siebte wesentliche Anforderung „Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ definiert, die sich mit dem Thema auseinandersetzt. Bei ihrer Veröffentlichung – voraussichtlich nächstes Jahr – wird dann nach den bisher schon bekannten Anforderungen, wie z.B. Energieeinsparung (Wärmeschutz), auch die Nachhaltigkeit ein Thema sein, das entsprechend zu bedienen sein wird. Dazu wurde bei CEN (European Committee for Standardization) ein entsprechendes technisches Komitee CEN/TC 350 „Sustainability of Construction Works“ gegründet, das schon die ersten Papiere veröffentlicht hat. Aufgrund dieser Veröffentlichungen ist man heute in der Lage, entsprechende LifeCycle-Analysen und Umweltproduktdeklarationen durchzuführen. Es besteht also schon ein Regelwerk und es zeichnet sich ab, dass im Bereich der Produktnormen die Nachhaltigkeit Einzug halten wird.
GLASWELT: Inwieweit ist davon die Fensterbranche betroffen?
Schober: Was die Fensterbranche in diesem Zusammenhang betreffen wird, ist die Umweltproduktdeklaration (EPD). Dies ist eine Zertifizierung, die qualitativ und quantitativ umweltbezogene Daten auf der Grundlage festgelegter Parameter bereitstellt und, falls notwendig, ergänzende Informationen liefert. Damit wird versucht, ein Bauprodukt ökologisch zu beschreiben. Der Grundgedanke dabei ist, dass man in Zukunft diese Umweltproduktdeklarationen einzelner Materialien und/oder Bauteile addieren kann, bis man schließlich ein komplettes Gebäude erhält. Zum Fenster beispielsweise gehören die Umweltproduktdeklarationen von Holz, Klebstoff, Beschichtung, Glas, Beschlag und dgl., die in ihrer Addition das Fenster ergeben. In der Fortsetzung dieser Kette entsteht dann die Beurteilung des Gebäudes. Endziel ist es, eine Gebäudedeklaration mit ökologischem Schwerpunkt, eine Art Nachhaltigkeitsausweis zu erstellen, eine Weiterentwicklung des Energieausweises, den es heute zur Deklaration der energetischen Qualität eines Gebäudes schon gibt.
GLASWELT: Was bedeutet das für Ihre aktuelle Arbeit?
Schober: Da es die Anforderungen für Umweltproduktdeklarationen vom Grundprinzip her bereits gibt, sind wir in diesem Bereich sehr aktiv. Dazu stellen wir jetzt gerade fest, wie die einzelnen Produkte zu bewerten sind und erstellen Leitpapiere sogenannte Produktkategorieregeln (PCR), wie hier konkret vorzugehen ist. Auf Basis dieser Regelwerke werden Lifecycle-Analysen durchgeführt, auf die man aufbaut und daraus Umweltproduktdeklarationen (EPD) erstellt.
Unser erstes Ziel ist es, festzustellen, wie groß die Unterschiede innerhalb der Fensterbranche sind, ob z.B. eine einzige Branchen-EPD ausreichen würde oder ob die Unterschiede so groß sind, dass jeder Akteur seine eigene EPD erstellen muss, was einen entsprechenden Aufwand bedeutet.
Derzeit erstellen wir für die Materialgruppe Holz und Holz-Alu Branchen-EPDs. Hierfür müssen wir mit Daten arbeiten, die den „unteren“ Level der gesamten Produktpalette darstellen, denn man kann für derartig grundlegende, allgemein gültige Daten nicht das beste Produkt der Branche herausgreifen, sondern muss etwas widerspiegeln, mit dem etwa 90 Prozent abgebildet werden.
GLASWELT: Was können einzelne Hersteller tun?
Schober: Es gibt die Möglichkeit, dass Hersteller ihre eigene Umweltproduktdeklaration erstellen lassen – insbesondere dann, wenn sie deutlich über einer Branchen-EPD liegen. Damit lässt sich ein eigenes, spezifische ökologisches Produktprofil erstellen. Dieses dient einerseits zur Deklaration des Leistungsniveaus gegenüber dem Kunden, andererseits auch als Basis für die ökologische Produktentwicklung.
GLASWELT: Das klingt danach, als stünde die Branche heute noch ganz am Anfang?
Schober: Genau! Wir stehen noch ganz am Anfang. Man sollte sich dieses Themas jedoch aktiv annehmen, um früh genug die entsprechenden Daten bereitstellen zu können. Meiner Meinung nach sollte dabei jedoch keine Materialdiskussion vom Zaun gebrochen werden. Weiter wäre es sinnvoll, mit den EPDs keinen Öko-Wettbewerb zu entfachen, ähnlich der U-Wert-Olympiade. Es kommt darauf an, vernünftige Daten zu liefern, die ein Produkt auszeichnen. Wir stellen fest, dass einige Akteure dieses Thema sehr vorantreiben, sicher aus marketingtechnischen Gründen, die Entwicklung muss aber in geordneten Bahnen gehalten werden.
GLASWELT: Haben die Firmen überhaupt entsprechendes Datenmaterial?
Schober: Als HFA können wir Daten erheben, aufbereiten und berechnen, und wir können EPDs erstellen. Die Aufbereitung des grundlegenden Zahlenmaterials für die Werk- und Hilfsstoffe und aus Produktion, Vertrieb, Nutzung und Entsorgung liegt jedoch bei den Unternehmen und der Branche. Hier sollte man versuchen, vernünftige Datengrundlagen zu schaffen und daraus lernen, anstatt sie marktschreierisch einzusetzen.
GLASWELT: Für die Gebäudezertifizierung existieren bereits diverse Labels?
Schober: Es gibt im Bereich der Gebäudezertifizierung eine große Vielfalt von Beurteilungssystemen. Bei denen ist aber noch nicht klar, welches sich durchsetzen wird. Bei den heutigen Zertifizierungssystemen spielten das gesamte Gebäude und der gesamte Lebenszyklus die Hauptrolle. Wir müssen lernen, mit diesem komplexen Thema umzugehen.
GLASWELT: Es wurde geäußert, dass der Baustoff Holz bei den bestehenden Gebäude-Labels zu kurz käme. Wie sehen Sie das?
Schober: Der Baustoff, das Material tritt über eine Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes in den Hintergrund. Je länger die Nutzungsdauer ist, und je weiter wir den Betrachtungsbogen spannen, desto geringer wird der Einfluss des Materials auf die Gesamtbewertung. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Ein anderer Punkt ist, dass die Holzbranche nicht die Kraft für eine gemeinsame Stimme gefunden hat, während andere Branchen ein gutes Lobbying betrieben haben. Daher wird Holz derzeit in diesen Betrachtungen nicht den Stellenwert erhalten, den sich die Branche wünscht. Noch einmal: Wichtig ist, dass seriöses Datenmaterial entsteht. Holz hat dabei durchaus seine Vorteile, aber dieses ohne gesicherte Nachweise nur zu behaupten, ist zu wenig. —
11. Fenster-Türen-Treff
Mehr zur Nachhaltigkeit gibt es beim 11. „Fenster-Türen-Treff” der Holzforschung Austria, der vom 10.–11. März 2011 in Villach stattfindet. Hauptthema wird unter dem Titel „Das intelligente Haus” die Bauteilentwicklung insgesamt sein und welchen Stellenwert das Fenster darin findet. Des Weiteren geht es um die sommerliche Überwärmung, die in der Praxis eine immer größere Rolle spielt. In diesem Zusammenhang sind auch die Lüftung (durch das Fenster?) und die Energiekennzahlen zu sehen. Andere Themen sind Rechtsentscheidungen und Einblicke in das Vergaberecht.
Aktuelle Entwicklungen der Fenstertechnik und Erfahrungen aus den Prüflabors der HFA werden den praxisorientierten Teil der Veranstaltung vervollständigen.
Das Programm des Fenster-Türen-Treffs 2011: ww.holzforschung.at