_ Seit Jahrzehnten gibt es pauschale Vorgaben zur bauphysikalisch richtigen Einbauebene von Fenstern. Bei monolithischen Außenwänden wird den meisten Lesern noch die alte Regel bekannt sein, dass das Fenster in die Wandmitte gehört, im Zweifelsfall eher etwas nach innen versetzt. Das Einhalten dieser Regel war bis in die 1990er-Jahre der wesentliche Baustein, um Schimmelpilze an den raumseitigen Fensteranschlüssen zu vermeiden.
Spätestens mit der 3. Wärmeschutzverordnung von 1995 wurden gedämmte Außenwandaufbauten der Regelfall. In der breiten Masse haben sich Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) durchgesetzt, deren Dicke in den Anfangszeiten bei 6 – 8 cm lag. Das Fenster wanderte seinerzeit nach außen und wurde außenwandbündig eingesetzt, womit in jeglicher Hinsicht ein guter Kompromiss gefunden war. Der Blendrahmen konnte mit Dämmstoff überdeckt werden, die Fugenabdichtung war unkompliziert, insbesondere änderte sich die Art der Fensterbefestigung nicht.
Nicht viel später machte man uns jedoch klar, dass wir das Weltklima retten müssen.
Neben diesem Hype ist es insbesondere der dramatische Anstieg der Heizenergiekosten, der zu einer erheblichen Zunahme bei den Dämmstoffdicken führte. Im Ergebnis stellen Dämmstoffe mit 16 – 24 cm Dicke heutzutage den Standard dar – in Extremfällen sind sogar 30 cm vorzufinden. Mit den deutlich besseren U-Werten der Außenwände rückten die Wärmebrücken zunehmend in den Fokus.
Man erkannte schnell, vorneweg das Passivhaus-Institut in Darmstadt (PHI), dass der prozentuale Anteil der Wärmeverluste über Wärmebrücken in derart gut gedämmten Außenwänden erheblich ansteigt. Die Wärmebrückenoptimierung wurde zur regelmäßigen Planungsaufgabe.
Simulationen mit Wärmestromprogrammen (Isothermenprogrammen) zeigten auf, dass das Fenster in die Dämmebene wandern muss. Es gilt vereinfachend die Regel: Je weniger sich die Isothermen „verbiegen“, desto geringer sind die Wärmeverluste.
Bei heutigen Dämmstoffdicken heißt das im Ergebnis nichts anderes, als dass eine sogenannte Vorwandmontage durchzuführen ist. Dieses Prinzip hat sich nunmehr in allen modernen Niedrigenergiehäusern mit WDVS durchgesetzt.
Um ein Fenster vor der Rohbauebene einbauen zu können, bedarf es z.B. lastabtragender Konsolen und Winkel. Ferner tauchen zunehmend geklebte und verschraubte Dämmzargensysteme auf. Jeder weiß, dass die Vorwandmontage zu deutlichen Mehrkosten gegenüber der einfachen Lochfenstermontage führt. Es sei nun die Frage erlaubt, ob sich dieser finanzielle Mehraufwand für den Bauherren lohnt. Ist die Heizenergieeinsparung so groß, dass sich die Mehrkosten über die Lebensdauer des Fensters amortisieren?
Ein einfacher Vergleich der Wärmeverluste zwischen Einbauvarianten zeigt die energetischen Auswirkungen. Auf großartige Ausflüge in bauphysikalische Details sei bewusst verzichtet und lediglich ein Vergleich von absoluten Wärmeverlusten vorgenommen worden. Bei Bild 2 ist der Grenzfall einer Lochfenstermontage berechnet worden, das Fenster ragt bereits mehrere Zentimeter nach außen. Die Lastabtragung erfolgt, aufstehend auf der Brüstung oder Decke, noch direkt in den Baukörper, sodass in der Regel eine kostengünstige „Standardmontage“ möglich ist. Der Wärmestrom beträgt über den gesamten Bereich der Simulation 13,5726 W/m (T = 30K).
Zum Vergleich im Bild 3 der in energetischer Hinsicht optimale Fenstereinbau in der Dämmebene, bei dem jedoch weit auskragende Konsolen- und Winkelbefestigungen erforderlich werden. Ferner ist das Herstellen einer luftdichten Anschlussfuge deutlich aufwendiger.
Erwartungsgemäß ist der Wärmeverlust über den berechneten Bereich bei dieser Variante geringer. Die Differenz beträgt absolut = 0,5053 W/m (13,5726 W/m – 13,0673 W/m). Bereinigt man den Wert hinsichtlich der Temperaturen, ergibt sich eine Differenz beim Einbau-Psi-Wert von = 0,0169 W/(mK).
Damit ist der Techniker zufrieden – aber der Kaufmann wundert sich, denn auf der Grundlage des bewährten vereinfachten Nachweisverfahrens in der damaligen EnEV 2007 (FGT = 66 kKh/a) und einem Zuschlag für Anlagenverluste (eE = 1,1), lässt sich das Heizöläquivalent für einen Neubau ermitteln. Demnach beträgt die Heizenergieeinsparung pro laufendem Meter Fensteranschluss ca. 0,12 Liter pro Heizperiode. Das sind bei einer angenommenen Lebensdauer eines Fensters von 30 Jahren ca. 3,6 l Heizöl pro Meter. Da mag der Heizölpreis in den kommenden Jahren auch über einen Euro pro Liter steigen: Der Kostenmehraufwand für die aufwendigere Vorwandmontage amortisiert sich definitiv nicht.
Warum gehört das Fenster trotzdem in die Dämmebene?
Es sei an die ureigenste Aufgabe eines Fensters erinnert: Das Fenster bringt Tageslicht in die Räume, je mehr, desto besser. Vor diesem Hintergrund ist der kostengünstigere Fenstereinbau „im Loch“ bei gleichzeitig großen Dämmstoffdicken schlichtweg ungünstig. Die tiefen Leibungen und Stürze bei kleinformatigen Fenstern führen zu Verschattungen und somit zu einem geringeren Lichteinfall. Außerdem wird der Blickwinkel von innen nach außen massiv verringert. Ferner verringern sich bei dieser Variante die solaren Wärmezugewinne, wobei auch dieser Punkt hinsichtlich der effektiven Heizenergieeinsparung nicht überbewertet werden sollte.
Das Bild 4 zeigt eine Solarsimulation für ein Fenster auf einer Westfassade im April am frühen Nachmittag. Bei der hier gegebenen Leibungstiefe von 50 mm wird die Glasfläche nur geringfügig verschattet. Im Bild 5 beträgt die Leibungstiefe hingegen 200 mm. Es ist erkennbar, dass eine erhebliche Verschattung auf der Glasfläche entsteht. Der Lichteinfall ist deutlich reduziert, es entsteht der sogenannte „Schießscharteneffekt“. Dieser Effekt macht sich hauptsächlich bei kleineren Fenstern bemerkbar, bei großformatigen Elementen sind die Auswirkungen, bezogen auf die Gesamtfläche, selbstverständlich deutlich geringer.
Das heißt, dass die primäre Aufgabe eines Fensters, möglichst viel Tageslicht in die Räume gelangen zu lassen, mit der Einbaulage in der Dämmebene am besten erfüllt wird. Aber: Mit dieser Einbaulage ist es nicht möglich, eine nennenswerte Energieeinsparung zu erzielen. Die nicht unerheblichen Mehrkosten für die Vorwandmontage amortisieren sich bei der angenommenen Lebensdauer eines Fensters von 30 Jahren nicht. Es ist somit legitim und sinnvoll, bei großformatigen Fenstern, größeren Fensterbändern und insbesondere Fensterfassaden auf die Vorwandmontage zu verzichten. In diesen Fällen machen sich die störenden Verschattungseffekte kaum bis gar nicht bemerkbar. —
Der Autor
Dirk Sommer ist von der Handwerkskammer Berlin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Bautischler-Handwerk.
E-Mail: sommersv@aol.com