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Was fordern nachhaltige Gebäude von der Fassade?

“Die Planung wird genauer werden“

Glaswelt – In der Branche hört man öfter, die Nachhaltigkeits-Zertifizierung von Gebäuden habe wenig mit dem Fassadenbauer zu tun und betreffe nur die Planer. Stimmt das so?

Oliver Pazdera – Nicht ganz, es betrifft auch die Verarbeiter. Im Rahmen der Zertifizierung werden Listen vorgegeben, welche Eigenschaften die Bauteile zu erfüllen haben. Abhängig davon, welche Stufe der Zertifizierung angestrebt wird, schränkt sich der zur Verfügung stehende Bauteilkatalog ein. Auf diesen Katalog setzt nun die Planung des Architekten in der Leistungsstufe 5 auf. Diese dient dann dem ausführenden Gewerk als Vorgabe bei der Erstellung der Werk- und Montageplanung. Die ursprünglichen Vorgabe-Listen müssen hier eigentlich mit ausgegeben werden, da die Planung des Architekten in der Regel nicht das Spektrum der erforderlichen Informationen enthält.

Da dies aber selten der Fall ist wird die Definition, welche Bauteile und Hilfsstoffe ein Gewerk dann einsetzt, durch die beauftragte Firma selbst durchgeführt.

Das führt dazu, dass der Fassadenbauer im Rahmen der Erstellung seiner Werk- und Montageplanung sämtliche eingeplanten Materialien aufführen muss. Diese Listen muss er dann vor Produktionsbeginn zum Abgleich an den Architekten senden. Das hört sich nach viel Aufwand an, aber stellen Sie sich vor, Sie müssten als Metallbauer alle Vorgaben selbst herauslesen, interpretieren und abgleichen. Dann doch lieber so herum.

Glaswelt – Wenn der Planungsaufwand für den Verarbeiter wächst, sind nun nachhaltige Fassaden aufwendiger zu fertigen als herkömmliche?

Pazdera – Sofern der Metallbauer bisher Einsatzstoffe (mit EPDs) verwendet hat, die im Rahmen der Zertifizierung bereits zugelassen sind, ergeben sich hier kaum Änderungen. Aber wer weiß das schon vorher ganz genau.

Sollte im Rahmen des Abgleichs der angegebenen Materialien tatsächlich festgestellt werden, dass dies oder jenes nicht zugelassen ist, kann das selbstverständlich Einfluss auf die Fertigung nehmen, sollte der Verarbeiter keinen adäquaten Ersatz finden.

Änderungen konstruktiver Art treten – jedenfalls im Bereich der Fassade – jedoch eher selten auf. Muss das verwendete (nicht zertifizierte) Einsatzmaterial aus verschiedenen Gründen doch beibehalten werden, ist mit einer Abwertung beziehungsweise mit Minuspunkten bei der Gebäude-zertifizierung zu rechnen.

Glaswelt – Und wie beeinflusst eine Nachhaltigkeits-Zertifizierung den Projektablauf und den Produktionsprozess? Muss dieser umgestellt werden?

Pazdera – Je nach dem, inwieweit es zu Änderungen durch die Vorgaben z. B. der DGNB-Zertifizierung kommt, treten entscheidende Änderungen bzw. Aufwendungen ein. Zum einen müssen bereits im Zuge der Planung alle eingesetzten Produkte und Hilfsstoffe vorab festgelegt und gelistet werden. Zu dieser Dokumentation müssen sämtliche Daten- und Sicherheitsdatenblätter beigefügt werden. Dieser Aufwand kommt in jedem Fall hinzu. Sollten im Betrieb Produktionsverfahren umgestellt werden müssen, kann dies einiges an Aufwand mit sich bringen.

Ein Beispiel: Wurden bisher relativ feste Polystyrol-Dämmplatten verwendet und muss nun auf eine weiche mineralische Dämmung umgestellt werden, so hat das möglicherweise auf die Konstruktion und die Eigenschaften des Endprodukts einen erheblichen Einfluss. Wenn z. B. bisher diverse Formteile aus Hartschaumdämmung gefertigt wurden, für deren Herstellung eine spezielle Maschine angeschafft worden war, wird nun ein anderes Verfahren benötigt. Auch bisherige Lieferantenpartnerschaften können hinfällig werden. Das kann teuer werden.

Glaswelt – Wie sieht das bei Ihnen im Unternehmen aus, mussten Sie etwas in Ihrer Produktion umstellen?

Pazdera – Bisher haben wir durch DGNB-Zertifizierungen keine wesentlichen Änderungen in unseren Produktionsprozessen hinnehmen müssen. Das mag jedoch daran liegen, dass wir als Hersteller von Spezialfassaden kaum etwas von der Stange fertigen und uns mit jedem Auftrag neu einstellen. Zudem haben wir uns in der Vergangenheit durch die Einführung ähnlicher Prozesse wie einer werkseigenen Produktionskontrolle (WPK), der Zertifizierung in der Schweißtechnik oder der CE-Zertifizierung daran gewöhnt, neue Zertifizierungsanforderungen zu erfüllen.

Im Grunde haben wir unsere Dokumentation im Bereich der Planung und des Materialeinkaufs ausgeweitet und unsere WPK an die erweiterten Anforderungen angepasst. Denn wir müssen ja im Ernstfall nachweisen können, dass wir die angegebenen Produkte für den jeweiligen Auftrag verwendet haben und nicht irgendwelche Teile, die gerade im Lager verfügbar waren. Der Aufwand ist schon groß. Die Implementierung eines solchen Systems ohne bestehende Rahmenbedingungen ist entsprechend aufwendig und bringt für sich alleine gesehen kaum einen Nutzen für den Metallbauer.

Glaswelt – Müssen Sie für die von Ihnen gefertigten Bauelemente entsprechende Vorgaben umsetzen bzw. Produktnachweise bringen?

Pazdera – So ist es. Für ein zertifiziertes Gebäude müssen wir für alle verwendeten Stoffe und Bauteile, die in unsere Fassadenelemente, Türen und Fenster fließen, von Beginn an entsprechende Nachweise vorlegen. Zwischenzeitlich haben wir einen Satz an Produktnachweisen, auf den wir standardmäßig zurückgreifen können. Jedoch muss im Rahmen der Dokumentation die Zuordnung dieser Bauteile zu den einzelnen Positionen in unseren Bauelementen jedes Mal aufs Neue erfolgen.

Die Arbeit steckt wie immer im Detail. Es gibt kein Bauvorhaben, bei dem nicht irgendwelche Datenblätter für Sonderbauteile oder chargenabhängige Nachweise gefordert werden, die sich einfach aus der Tasche ziehen lassen. Hier ist viel Arbeit im Vorfeld der eigentlichen Herstellung zu erledigen.

Glaswelt – Beeinflusst die Nachhaltigkeits-Zertifizierung auch die Terminplanung? Gibt es hier Veränderungen zu früher?

Pazdera – Auf die Terminplanung direkt gibt es kaum Einfluss. Dennoch gibt es hier Kritik: Leider ist es so, dass die Planung in der Regel immer etwas hinterherhinkt und so auch die Dokumentation für die DGNB-Zertifizierung. Das hat mit nicht geklärten Anforderungen und Wünschen seitens der Auftraggeber und der Architekten zu tun. Dazu kommen Änderungen, die während der Produktion oder bei der Montage noch einfließen müssen. Am Bau läuft eigentlich nie alles so, wie ursprünglich geplant.

Was im Wesentlichen eine saubere DGNB-Dokumentation verhindert, ist der Zeitdruck. Durch einen ausreichenden Planungsvorlauf würde sich vieles entspannen. Auch könnten so oftmals Fehler vermieden werden, die durch fehlende Angaben oder Änderungen mitten in der Werkplanungsphase noch einfließen sollen. Hier gehen Wunsch und Realität oft auseinander. Meist sind auch die Planungsphasen zu kurz kalkuliert oder werden durch Verzögerungen im Vorfeld zusammengestrichen. Und nun möchte man hier noch eine saubere DGNB-Dokumentation abverlangen. Mit den geplanten Terminen hat das oft nicht mehr viel zu tun.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger, Chefredakteur der GLASWELT.

Was bringt dem Fassadenbauer die Gebäudezertifizierung?

Negativ

– I.d.R. Mehraufwand, der nicht vergütet wird

– Risiko der Produktions-/Produktumstellung (Kosten)

– Erhöhten Zeitanspruch in der (i.d.R. zu kurzen) Planungsphase

Positiv

+ Einschränkung des Wettbewerbs

+ Sofern QM-Systeme bereits implementiert sind, kaum Mehraufwand

http://pazdera.de/

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