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GLASWELT-Interview mit Dr.-Ing. Fabrice Didier zu Beschichtungen für Fassadengläser

“Bei Beschichtungen wird es immer Innovationen geben“

GLASWELT: Herr Didier, heute hört man ab und an die Aussage, dass beispielsweise bei Wärmeschutzbeschichtungen die Grenzen des physikalisch Machbaren erreicht seien. Stimmt denn das?

Didier:

Die Frage, ob sich Beschichtungen noch verbessern lassen, ist so alt wie die Beschichtungen selbst. Denn schon zu Zeiten der ersten 1,1-K-Beschichtungen von Interpane hieß es, das ist die physikalische Grenze. Seitdem sind wir zwei Beschichtungs-Generationen weiter und heute wird ebenfalls gesagt, die Grenze der Machbarkeit ist erreicht.

Der Beschichtungsmarkt wird noch viele gute Entwicklungen sehen, denn es ist ein aktiver und auch attraktiver Markt, auf dem sich gut Patente sichern lassen. Hier herrscht ein guter und gesunder Wettbewerb. Und das ist für die Branche ebenso gut wie für den Kunden.

Aber Sie haben mich gefragt, wo die Grenzen bei den Beschichtungs-Technologien liegen, dazu kann ich nur sagen, es gibt meines Erachtens keine Grenzen, die Welt der Schichten ist unerschöpflich. Und deshalb wird es meiner Ansicht nach bei den Schichten immer wieder Innovationen geben. Schon alleine deshalb, weil es auf diesem Sektor einen starken Wettbewerb gibt, der uns vorantreibt.

GLASWELT: Gut, aber beim Wärmeschutz gibt es keine negativen Emissionen, irgendwann ist hier physikalisch doch Schluss?

Didier:

Nun ja, die Grenze beim Ug-Wert einer Doppelisolierglas-Scheibe mit dem Aufbau 4 x 16 x 4 + Argonfüllung und einer Standardbeschichtung pro Glasseite liegt bei 1,0 W/m²K. Diese gibt es bereits auf dem Markt. Saint-Gobain Glass hat sogar mit Planitherm One ein Glas mit dem Ug -Wert von 1,0 W/m²K bei 90 % Argonfüllung bereits im Programm, momentan soviel ich weiß sogar als einziger Hersteller. Aber Sie haben recht, hier endet die U-Wert-Olympiade, wenn man wie gesagt von nur einer Schicht pro Seite ausgeht.„Für innovative Beschichtungen gibt es ­keine Grenzen, denn die Welt der Schichten ist unerschöpflich“ GLASWELT: Das heißt also, um auf bessere Werte kommen zu wollen, sprich um die zukünftigen Verschärfungen der EnEV zu erfüllen, braucht man zwangsläufig 3-fach-Isoliergläser? Oder lassen sich mit 2-fach-Gläsern und entsprechenden (neuen) Beschichtungen ähnliche Wärmedämmwerte erreichen?

Didier:

Um deutlich unter einen Ug-Wert von 1,0 W/m²K zu kommen bzw. bei einem Fenster Uw-Wert unter 1,3 oder 1,2 W/m²K, braucht man 3-fach-ISO. Mit einer 2-fach-ISO-Scheibe ist das eigentlich nicht zu machen, zumindest nicht in einer industriellen Serienfertigung. Bei einem Fenster mit einer Doppelverglasung kann man einen Ug-Wert von bestenfalls 0,9 W/m²K erreichen und das nur unter bestimmten Rahmenbedingungen, nämlich wenn man Krypton als Füllgas hat.

Aber was die Beschichtungen angeht, sprechen wir ja nicht nur vom Wärmeschutz. Wie sieht es mit der Farbneutralität, dem Sonnenschutz, der Vorspannbarkeit etc. aus? Sie müssen die vielen Kombinationsmöglichkeiten mit einbeziehen, die es bei einer beschichteten 2-fach-Isolierglasscheibe gibt.

„Der Beschichtungsmarkt ist ein aktiver und auch attraktiver Markt. Hier herrscht ein guter und gesunder Wettbewerb.“

GLASWELT: Und wozu dienen diese vielen Schichten?

Didier:

Nehmen Sie beispielsweise die vier Anforderungen Emissivität, Farbneutralität, Solarfaktor und Verarbeitbarkeit, um nur einige zu nennen. Das alleine ergibt, wie ich meine, eine Inflation an Möglichkeiten, Scheiben zu beschichten.

Dies fordert aber viel Know-how. Die Beschichtungstechnologie oder besser gesagt die Beherrschung der Beschichtungen ist ein langer Weg. Wer hier gute Produkte anbieten will, muss eine konstante Qualität in der Produktion erreichen können, die Farbe und die Homogenität der Beschichtungen müssen stimmen, und das alles muss sich permanent reproduzieren lassen. Die Entwicklung der Sputterprozesse war ein langer Weg, der peu à peu erschlossen worden ist. Die Entwicklung neuer Schichten erforderte viel Ausprobieren und eine ganze Menge Know-how.

GLASWELT: Gläser mit Kombischichten (Sonnen- und Wärmeschutz + Selbstreinigung) sind auf dem Vormarsch, wann lohnt es sich, solche Produkte einzusetzen?

Didier:

Glas ist ein Funktionsträger und eine Isolierglasscheibe hat heute 4 Glas-Seiten bzw. 6 Seiten bei Dreifachverglasungen. Diese Funktionen können verschiedene Schichten sein: Sonnen- und Wärmeschutz, Selbstreinigung, Dämpfung von Handystrahlung etc . In der Möglichkeit, die verschiedenen Funktionen zu kombinieren, liegt die Zukunft: Die steigenden Temperaturen im Sommer machen die Kombination von Sonnen- und Wärmeschutz-Beschichtungen, sogenannten 4-Jahreszeiten-Gläser zu interessanten Produkten: Denn diese Kombigläser sind in der Lage, im Sommer die Raumtemperaturen um bis zu 5 Grad Celsius zu senken. Diese Glasprodukte bieten doppelten Komfort, im Sommer wie im Winter. Das macht sie auch für den privaten Wohnbau interessant.

GLASWELT: Wohin geht die Entwicklung bei vorspannbaren Beschichtungen und bei Hard- und Softcoatings?

Didier:

Die Fortschritte in den letzten zehn Jahren sind bemerkenswert. Härtbare Beschichtungen werden immer besser, d.h. sie lassen sich immer besser vorspannen und weiterverarbeiten.

Was LowE angeht, werden deshalb die Hardcoatings in absehbarer Zeit verschwinden. Aber das heißt keineswegs, dass Hardcoatings ganz vom Markt genommen werden. Im Gegenteil, sie werden auch künftig ihren Platz in unserer Produktpalette einnehmen und diese ergänzen. Da sie um einiges beständiger als Softcoatings sind, lassen sich damit manche Anwendungen umsetzen, für die sich Softcoatings nicht eignen.

GLASWELT: Wie schätzen Sie eigentlich in Europa die zunehmende Verschärfung der Regelwerke, wie etwa beim Wärmeschutz, ein?

Didier:

Ich halte dieses Vorgehen der Politik für sehr positiv, denn genau das macht uns stark. Diese Regelwerke schützen uns nicht nur vor Billigprodukten, sie treiben uns in der Entwicklung voran und zwingen uns zum Fortschritt, ebenso wie unsere Mitbewerber.

Schichten sind, allgemein gesprochen, eine Möglichkeit sich von Konkurrenzprodukten zu differenzieren. Deshalb steht die Weiterentwicklung der Beschichtungen bei uns ganz oben auf der Agenda.

GLASWELT: Und welche ganz neuen Beschichtungen wird es in Zukunft geben?

Didier:

Wohin die Reise geht? Ganz allgemein gesprochen gibt es viele Bereiche in denen heute wie zukünftig neue Beschichtungen punkten werden: Fenster, Fassade, Photovoltaik und Innenausbau.

Für Fenster und Fassaden wird es immer mehr aktive Beschichtungen geben, die sich automatisch oder manuell schalten lassen. Es wird Gläser geben, die in Abhängigkeit vom Wetter Schaltprozesse einleiten und dann hell oder dunkel werden. Ich denke, bis 2010 wird es hierfür marktreife Produkte geben. Eines der jüngsten Ferrari-Modelle hat bereits heute Dachverglasungen mit elektrochromen Schichten. Solche Anwendungen im Luxussegment markieren den ersten Schritt zu einem industriellen Fertigungsprozess.

Weiter werden Photovoltaikanwendungen verstärkt in Fassaden zum Einsatz kommen, etwa als Paneele.

Im Innenbereich wird es möglicherweise künftig flächige Leuchteinheiten geben. Nimmt man beispielsweise Scheiben, ähnlich im Aufbau wie Isoliergläser, und stattet die innen liegenden Seiten (Position 2 und 3) mit stromleitenden Beschichtungen aus und füllt den SZR mit Gas, so erreicht man den selben Effekt wie in einer Neonröhre. Nur dass sich die Leuchteinheit als flächiges Element umsetzen lässt. Mit Planilum haben wir bereits eine solche flächige Leuchteinheit auf den Markt gebracht.

Ich vermute ja, dass es noch einiges mehr an neuen Beschichtungen geben wird. Aber lassen wir uns überraschen, was die Zukunft noch an Entwicklungen bringen wird. Wir von Saint-Gobain Glass arbeiten jedenfalls permanent ­daran.

GLASWELT: Herr Didier, vielen Dank für das Gespräch.|

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