_ Für das Bausegment ist zwar heute eine stetig wachsende Gruppe an Forschern unterwegs, um die Potenziale auszuloten und die Technologien aus dem Maschinenbau zu adaptieren, diese werden allerdings nur in Pilotprojekten unter eingeschränkten Bedingungen angewendet. Logisch, denn wir müssen doch im Bauwesen immer mit besonderen Anforderungen an Dauerhaftigkeit und Kosten umgehen.
Doch zuerst ein kleiner Überblick über additive Herstellung: Hierbei handelt es sich um eine Fertigungsmethode, bei der nicht abtragend aus einem Vollmaterial oder mittels Umformung ein Bauteil erzeugt wird, sondern durch das Aufbringen bzw. das Verfestigen kleiner Materialmengen ein Volumen entsteht und damit Schritt für Schritt oder besser: Lage für Lage das Bauteil.
Je kleiner die Materialmengen, umso exakter, aber auch langsamer in der Herstellung sind die Bauteile.
Im Allgemeinen werden die Verfahren Photopolymerisation (selektive Verfestigung eines Polymers mittels UV-Licht), Binder Jetting (dünne Pulverschichten werden mit Bindern verklebt), Material Jetting (Polymere oder Wachs werden auf eine Plattform aufgebracht), Material Extrusion (Material wird via Düse extrudiert und erstarrt) und Powder Bed Fusion (dünne Pulverschichten werden punktuell geschmolzen) angewendet.
Da die Anfänge der additiven Herstellung im Bereich der Kunststoffe liegen, sind hier auch die Entwicklungen am weitesten fortgeschritten – und entsprechend auch die ersten Projekte im Fassadenbereich zu finden.
Allerdings kämpfen diese alle mit dem Problem der Materialfestigkeiten und dem grundsätzlichen Problem, dass Kunststoffe meist brennen. Dem gegenüber steht eine gewisse Erfahrung mit den Materialien und den Prozessen sowie das große Angebot, was den Preis deutlich beeinflusst.
Ein weiterer Bereich, der auch sehr umfänglich bearbeitet wird, sind Betonkonstruktionen. Eine Analyse der aktiven Forschungseinrichtungen zeigt, dass rund 80 Prozent der Projekte, in welchen die additive Herstellung für das Bauwesen bearbeitet wird, Beton betreffen (siehe den Blog AM4AE.com). Hier finden sich neben Forschungseinrichtungen auch Bauunternehmen, die ein Potenzial in der Individualisierung von Vor-Ort-Beton-Konstruktionen sehen.
Wie bei allen additiven Herstellungstechnologien ist die Materialqualität ein wesentlicher Entwicklungsparameter – im Bereich Beton noch gepaart mit der Notwendigkeit, eine Zugbewehrung in die zu extrudierende Betonmasse einzubringen. Betonfassaden sind derzeit noch nicht im Fokus, ein Umstand, der sich aufgrund der Möglichkeiten sicherlich schnell ändern wird.
Komplexe Bauteile aus dem Drucker
Für den Fassadenbau interessanter, da seitens der Materialien naheliegender, sind Entwicklungen im Bereich Aluminium und Stahl. Getrieben von der Möglichkeit, geometrisch komplexe Pfosten-Riegel-Konstruktionen im Bereich der Knoten einfacher erzeugen zu können, wurde bereits um 2012 von Dr. H. Strauss an der HS OWL / Deutschland sowie der TU Delft / Niederlande ein Fassadenknoten entwickelt, der neben einem Stecksystem auch die Entwässerung im Knoten einfach möglich macht.
Aufbauend auf diesen Ansatz wurden im Folgenden diverse Knoten entwickelt, die zum einen komplexe Geometrien ohne Schifterschnitte möglich machen und zum anderen hinsichtlich der verschiedenen Belastungen des konstruktiven Materials optimiert wurden. Entstanden sind an individuelle Situationen angepasste Knotenlösungen, die zwar noch in der Entwicklungsphase hinsichtlich der Materialparameter und einer kostengünstigen Herstellung sind, aber dennoch das Potenzial dieser Technologie für das Bauwesen demonstrieren.
Glas drucken?
Ein anderes Material, welches im Fassadenbau viel Anwendung findet, ist Glas. Hier birgt die additive Herstellung die Schwierigkeit der bisher noch nicht entwickelten Technologie des Druckens. Einzelne Druckerprototypen, abgewandelt von anderen Techniken, lassen zwar die prinzipielle Machbarkeit erkennen – eine technologisch kontrollierte Umsetzung ist aber jetzt nicht möglich. Spannend ist es dennoch, ganze Bauteile aus Glas zu sehen, die beispielsweise vom MIT gedruckt wurden.
Abschließend noch der Hinweis auf erste Entwicklungen von gedrucktem Ziegel. Ähnlich der Technologie, die im Kunststoff, Beton und Glas genutzt wird, werden hier Volumen aus extrudierter Keramik erzeugt und durch den Brennprozess gehärtet. So entstehen Sonderbauteile, die in herkömmlicher Weise entweder nicht herstellbar oder äußerst aufwendig sind.
Das hier Beschriebene stellt einen Schnappschuss der Entwicklung in 2018 dar – und wir sind mitten in dieser. Ähnlich anderen Entwicklungen im Fassadenbau, wie etwa die Entwicklung von tragenden Glaskonstruktionen oder die der Punkthalter, wird auch der Prozess der technischen Entwicklung der additiven Herstellung im Bauwesen und im Speziellen im Fassadenbau einen zwei Dekaden dauernden Prozess erleben, in dem sich nach ersten „Early-Bird“-Lösungen mit besonderen Projekten die Technik langsam etablieren wird und nach Durchlaufen eines Einzelfall-Zulassungsmarathons schlussendlich Normungssysteme entstehen werden, die die Technologie breitentauglich machen.
Spannender Prozess – insbesondere, wenn man daran teilhaben und die Entwicklung beeinflussen kann.—