_ Eine Studie, durchgeführt an der Hochschule Luzern, beschäftigte sich mit der visuellen Wirkung von Größe und Position sowie der Form, Laibungsposition und Materialität von Fenstern. Dabei wird aufgezeigt, dass Fenster mit gleich großer Glasfläche auf den Raumbenutzer heller oder dunkler wirken, je nach Fensterform und Anordnung im Raum. Weiter konnte beobachtet werden, dass die Fensterposition in der Laibung, die Rahmenform und die Materialisierung den Lichteinfall in den Raum entscheidend verändern und damit die wahrgenommene Raumtemperatur ansteigen oder absinken lassen. Die Kenntnis der wahrnehmungsbezogenen Gewinne, eröffnet große Gestaltungsmöglichkeiten für die zukünftige Produkt- und Angebotsentwicklung im Fensterbereich.
Dass das Fenster bei der Raumbelichtung die zentrale Rolle spielt und große Fenster heller wirken als kleine, muss nicht weiter erwähnt werden. Jedoch weiß man noch nichts darüber, welchen Einfluss Fenstereigenschaften wie Profil, Material, Fensterposition und Fensterformat auf die Helligkeitswirkung haben. Mehr noch: Können weitere Wirkungen in der Wahrnehmung der Benutzer, wie zum Beispiel „frei“ und „geborgen“, auf spezifische Fenstereigenschaften zurückgeführt werden? Welches ungenutzte Wahrnehmungspotenzial steckt im Bauteil Fenster? Welchen Beitrag kann es zum ökonomischen und ökologischen Erfolg von Wohnimmobilien leisten?
Viele Meinungen ergeben ein Bild
Visuelle Qualitäten eines Raumes, wie Lichtmenge, Lichtfarbe oder Blendung, können mit den entsprechenden physikalischen Instrumenten gemessen werden. Dies sagt aber nichts darüber aus, wie der Raum vom Betrachter empfunden wird. Wollen wir Auskunft erhalten über die Wirkung, die der Raum oder die Raumelemente erzeugen, müssen wir den Nutzer direkt befragen. In der durchgeführten Studie wurden 71 Personen über ein digitales Umfragetool zu den Aspekten des Fensterrahmens interviewt. 56 Probanden schlossen die Untersuchung ab (Männer-/Frauenanteil je 50%). Den Testpersonen wurden 3D Visualisierungen vorgelegt. Im Gegensatz zu einer Versuchsanordnung im realen Raum, konnten dadurch gleichbleibende Lichtbedingungen garantiert werden. Der Raum ist gegen Süden ausgerichtet und mit direkter Sonneneinstrahlung versehen. Das digitale Bild ist aus der Augenhöhe der Betrachterposition aufgenommen. Die Innenwände des Raumes sind neutral weiß angelegt und als Aussicht wurde eine ortsübliche Landschaft mit großem Naturanteil gewählt.
Liegt das Fenster weit außen, wirkt es wärmer
Insgesamt wurden sechs verschiedene Farbvarianten des Fensterrahmens bzw. der Laibung untersucht – von deckend weiß, über eine helle und dunkle Holzfarbe, bis zu einem metallischen Grau und einem deckenden Schwarz (Bild 1). Erweitert wurde die Auswahl durch eine ungewöhnliche Variante mit satter, rotglänzender Laibungsfarbe. Jede der Farbvarianten ist in zwei Laibungspositionen dargestellt, Wand innenbündig und Wand außenbündig.
Folgende drei Erkenntnisse gehen aus der Untersuchung hervor:
- Rahmenfarben mit rot/braun Anteilen bewirken den „wärmsten“ Raumeindruck (Abbildung Fenster 3a/3b sowie 4a/4b und 6a).
- Je dunkler die Farbe eines Fensterrahmens desto „härter“ wirkt der Raum (Ausnahme Weiß). Und dies unabhängig von der Rahmen- und Futterbreite bzw. -tiefe.
- Fenster in einer Außenfassade bündigen Position wirken „wärmer“ als innenbündig positionierte Fenster. Dies unabhängig ihres Farbtons (Ausnahme Schwarz).
Die dritte Erkenntnis ist doch erstaunlich, da eine formale Eigenschaft des Fensterrahmens (die Laibungsposition), nicht eine Farb- oder Oberflächeneigenschaft zu einer Veränderung der Wärmewirkung führt. Was der Grund dafür ist, kann zu diesem Zeitpunkt nur vermutet werden und ist teil einer weitergehenden Untersuchung. Eine mögliche Erklärung wäre, dass eine größere Massivität der Innenfassade, erzeugt durch die Fensterlaibung, die größere Wärmeempfindung bewirkt. Es wird auch vermutet, dass in der äußeren Rahmenposition, die zusätzliche Reflexionsfläche des Sonnenlichts auf der Laibung die größere Wärmewirkung unterstützt.
Das Fensterformat und seine Wirkung
Die zweite Versuchsanordnung fokussiert das Fensterformat und die Fensterposition im Raum. Wiederum wurden über das digitale Befragungstool Anfragen zur Beurteilung versandt. Der Augpunkt befindet sich diesmal in nahezu frontaler Position zum Untersuchungsobjekt auf Augenhöhe beim Betreten des Raumes. Die Fensteröffnungsgröße wurde gemäß den gesetzlichen Vorschriften auf 10 Prozent der Bodenfläche des 15 m2 großen Raumes festgelegt. Die zu untersuchenden Variablen der Öffnungsarten bildeten einerseits das Format (hoch oder quer) und die Position (decken- oder bodenbündig, links, rechtsseitig oder mittig). Wobei dreierlei Formatvarianten getestet wurden: Ein Format mit den Kantenlängen im goldenen Schnitt, eines mit langgezogenem Querformat von Wand zu Wand, sowie eines mit Hochformat von Boden bis Decke.
Stehende Fenster wirken heller
Unserer Recherche zeigt, dass stehende Fenster eine klar „hellere“ Wirkung entfalten – egal in welcher Wandposition sie sich befinden. Dagegen wirken liegende Fenster signifikant „dunkler“ (Bild 3). Das Bandfenster schneidet also bezüglich „hell“ Wirkung klar schlechter ab als ein aufrechtes Fenster mit gleicher Fensterfläche. Je ungleicher die Kantenlängen einer Öffnung, desto zusätzlich größer wird der Gegensatz von „frei/geborgen“ zwischen liegendem und stehendem Fenster (Bild 3/4). Über die Ursachen kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden und wäre ein Thema für eine Folgestudie. Es wird aber vermutet, dass die Annäherung des Fensters an ein Türformat beim stehenden Fenster einen Raumausgang erkennen lässt und damit der „freiere“ Raumeindruck entsteht.
Interessantes offenbart auch der Vergleich der oberen und unteren Fensterposition: Obwohl sie in der Tendenz gleich hell wirken, schneidet das an der oberen Raumkante positionierte Fenster „geborgener“ ab und dies bei allen Fensterformaten. Es wird vermutet, dass der stärkere visuelle Abschluss auf der Höhe des Körpermittelpunktes des Betrachters die größere „geborgene“ Raumwahrnehmung entstehen lässt (Bild 5).
Wissensfortschritt & Fazit
Die positivste Raumwirkung bezüglich der Eingangsfrage nach einer „hellen“ und „offenen“ Raumwahrnehmung erzielen also primär hochformatige Fenster. Ein noch besseres Resultat ist messbar, wenn diese in der Wandmitte positioniert sind und ihre Maßverhältnisse möglichst nah an einem Türformat liegen. Das Fenster weist dabei immer die gleich große Öffnungsfläche auf und damit die annähernd gleichen Wärmeverluste und -lasten. Eine hellere Wirkung je nach Format und Position bedeutet also einen energetischen Gewinn durch die bessere wahrnehmungszentrierte Nutzung des Tageslichts. Wohnungen mit entsprechend gestalteten Fenstern lassen sich über das „hellere“ und „freiere“ Raumempfinden besser verkaufen, ohne dass sie durch größere Fenster mehr Energie verbrauchen.
Ein zweiter energetischer Gewinn liegt auch in der Beeinflussung der Raumwirkung durch das Fensterrahmenmaterial und die Laibungsposition: Räume mit innen liegenden Fensterlaibungen wirken wärmer als solche mit bündiger Innenfassade.
Die Rahmenfarbe im rot/braun Bereich unterstützt die höhere Temperaturempfindung und ist somit ein Potenzial zur Einsparung von Heizkosten. Wie groß diese Gewinne effektiv ausfallen, ist Teil einer Folgestudie.
Aber klar ist: In der spezifischen Gestaltung von Innenraumwirkung liegt damit ein enormes Potenzial verborgen und Hersteller erhalten Aussagen für die Entwicklung neuer Produkte. Der Planer bekommt mit diesem Wissen ein konkretes Werkzeug in die Hand, um nicht nur nutzergerechtere Räume gestalten zu können, sondern um zukünftig auch das wahrnehmungsbezogene Potenzial der Nachhaltigkeit besser zu nutzen. —
Quellenverzeichnis: [1] Haag-Walthert, Dominic; Gsponer, Josianne: Einfluss von Fensterformat- und Position auf das Raumempfinden. In: Luxlumina – Schweizer Architektur & Lichtdesign, Clavadel: Luxlumina Verlag, 2014, Nr. 7, S. 40-42[2] Hutchings, John; Luo, Ronnier: In: aic-colour-journal.org/index.php/JAIC/search/results, Zugriff: 19.1.2015[3] Kobayashi, Shigenobu: Colorist, Tokyo: Kodansha International, 1998Abbildungsnachweis: Haag-Walthert, Dominic; Gsponer, Josianne: Der gerahmte Blick [II]. Vorstudie Modul Studa, Hochschule Luzern, 2014
Der Autor
Prof. Dominic Haag hat Design und Innenarchitektur an der Zürcher Hochschule der Künste sowie Architektur an der ETH Zürich studiert. Seit dem Jahr 2000 führt er sein eigenes Büro für Architektur, Innenarchitektur und Design in Zürich. Seit 2009 unterrichtet er als hauptamtlicher Dozent im Bachelorstudiengang Innenarchitektur an der Hochschule Luzern.