_ Das Angebot für die kurbelbetriebenen Raffstoren ist vom Fachbetrieb aufgrund der Angaben des Bauherrn schnell für den Neubau einer Schule erstellt. Der Auftrag wird erteilt und beim Aufmaßtermin stellt sich dann heraus, dass sich ein Raffstore genau vor einer doppelflügeligen Türanlage befindet, die eindeutig als Notausgang ausgewiesen wird.
Der Fachbetrieb meldet Bedenken an und erstellt einen Nachtrag mit dem Differenzbetrag für die Ausführung eines akkugepufferten Notraff-stores. Soweit so gut, aber das Angebot wird abgewiesen und es wird auf die Lieferung des ursprünglich angebotenen Kurbelraffstores bestanden. Auch auf einen weiteren Einwand des Fachbetriebes auf geltende Bestimmungen hin wird seitens des Bauherrn angewiesen wie bestellt auszuführen.
Das jetzige Dilemma für den Fachbetrieb: Muss er wie angewiesen und bestellt den Sonnenschutz mit Kurbelantrieb liefern oder hat er das Recht, die Lieferung und Montage bei der Einzelposition vor dem Notausgang zu verweigern, ohne zu riskieren den gesamten Auftrag zu verlieren? Wissend, dass sich eine 2,8 m hohe und 2,5 m breite Raffstoreanlage im Panikfall nicht so schnell öffnen lässt, wie es der Anstau von Personen vor dem Notausgang erforderlich macht.
Wie verhält es sich, wenn die Baubehörde der Stadt, die gleichzeitig der Bauherr ist, einen Freibrief für eine sehr fragliche Ausführung ausstellt?
Rechtsunsicherheit ist an der Tagesordnung
Der geschilderte Fall ist nur ein Beispiel aus der Praxis, wenn es um Sonnenschutz vor Notausgängen geht. Er zeigt aber sehr deutlich, wie ungeklärt dieses Thema ist und wie unterschiedlich es auch aufgrund der unterschiedlichen Landesbauverordnungen in ganz Deutschland behandelt wird. Es gibt keine eindeutigen Festlegungen, wie sicher zu verfahren ist, im Prinzip muss in jedem Fall einzeln entschieden und genehmigt werden. Fest steht, dass einen das Einhalten einer Forderung des Bauherrn wie im beschriebenen Fall, etwas auszuführen, was zu einer Gefährdung Dritter führen kann, nicht vor Inanspruchnahme von Regressansprüchen etc. absichert. Kommt es in einem Brandfall zu Personenschäden, stehen trotz einer vermeintlichen „Anweisung“ des Bauherrn auch strafrechtliche Konsequenzen im Raum. Es gilt also, das Thema mit dem Bauherrn durchzufechten, auch wenn es hier zu schlechter Stimmung kommen kann. Rechtsverbindliche Auskünfte kann hier immer die Feuerwehr als Brandschutzbehörde geben.
Geltende Verordnungen schaffen entsprechende Grundlagen
Fast immer betroffen ist die Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV) vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2681; 2017 I 2839) geändert worden ist. Diese Verordnung dient u. a. der Umsetzung der EG-Richtlinie 89/654/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten (Erste Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. EG Nr. L 393 S. 1).
Nach § 4 „Besondere Anforderungen an das Betreiben von Arbeitsstätten“ hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Verkehrswege, Fluchtwege und Notausgänge ständig freigehalten werden, damit sie jederzeit benutzbar sind. Der Arbeitgeber hat dabei Vorkehrungen so zu treffen, dass die Beschäftigten bei Gefahr sich „unverzüglich“ in Sicherheit bringen und schnell gerettet werden können. Alleine aus diesem Anforderungsprofil heraus ergeben sich Grundanforderungen an Notausgänge etc., die einzuhalten sind.
Auch der zweite Rettungsweg zählt
Nicht vergessen werden darf der zweite Rettungsweg, der im Notfall sehr oft zum Einsatz kommt. Auch hier gilt es für die Fachbetriebe bei der Ausführung von Rollläden & Co. aufzupassen. So kann es je nach Ausführung eines Wohn- oder Bürogebäudes notwendig sein, dass ein Rollladenantrieb von einer bedrohten Person auch jederzeit manuell geöffnet werden kann, um sich auch bei einem Stromausfall nach außen bemerkbar machen zu können.—