Mund: Die neue Glasbemessungs-DIN 18008 ist ein großes Aufregerthema – das belegen die Klickzahlen aus unserem Newsletter, die Reaktionen auf unserer Facebook-Plattform und auch entsprechende Leserreaktionen (z. B. der Gastkommentar auf S. 93). An der DIN wurde doch 14 Jahre gearbeitet – und jetzt ist keiner drauf vorbereitet? Wie passt das zusammen?
Rehberger: Sagen wir so, angekündigt war die Glas-DIN schon lange. Ich war 2012 bei einem BF-Symposium, wo Dr. Ruth Kasper von der RWTH Aachen erläuterte, was sich durch die DIN ändert und dass die Umstellung der Glasbemessung auf das Teilsicherheitskonzept besser die glasspezifischen Eigenschaften des Werkstoffs berücksichtigt. Rückblickend kann man sagen, es gab genügend Zeit sich vorzubereiten.
Mund: Du als Glasexperte gehst schon gleich in die Details – bleiben wir doch mal zunächst bei der Frage: Wen betreffen denn die neuen Bemessungsregeln? Dass die Glasbranche sich mit dem Thema auseinandersetzt und -gesetzt hat, ist ja obligatorisch. Sind es aber nicht vor allem die Fenstermacher, die sich mit diesen geänderten Regeln auseinandersetzen müssen?
Rehberger: Das stimmt, denn der Fensterbauer erhält mit der Ausschreibung den Auftrag für das komplette Bauelement, d. h. inklusive dem Isolierglas. Und jetzt wird es spannend. Eigentlich müsste der Planer auch die Glasbemessung ausschreiben, ähnlich wie er das für Betondecken etc. macht. Das macht er aber in der Regel nicht. Nun müsste der Fensterbauer aktiv werden und das rügen. Das erfolgt aber meistens nicht, sondern er bestellt beim ISO-Hersteller die benötigten Scheiben. Und an dieser Stelle müsste der Fensterbauer konkrete Angaben zur Glasdimensionierung machen, schließlich definiert er das gesamte Bauelement. Fordert er seine Isoliergläser mit Breite und Höhe, aber (unwissentlich) zu geringen Glasdicken oder falschem Glastyp an, ist sein Fenster nicht mangelfrei, falls ein Glas deshalb zu Bruch geht.
mund: Du beschreibst den Fall, wenn der Auftrag über eine ausschreibende Stelle kommt. Aber auch beim „normalen“ Endkundengeschäft muss der Fensterbauer doch die Glasdimensionierung im Griff haben. Vielleicht hat er ja auch einen guten Glaslieferanten, der ihn drauf hinweist, dass ein bestimmter Glasaufbau jetzt nicht mehr der DIN entspricht. Was aber, wenn die Reklamation ins Haus flattert und herauskommt: Die Scheibe wurde nicht korrekt nach DIN bemessen und hält dieser Bemessung auch nicht stand? Kann der Fensterbauer die Reklamation durchreichen?
Rehberger: Relevant ist immer, wer die Bemessung durchgeführt hat. Erteilt der Fensterbauer dem ISO-Hersteller einen Auftrag über z. B. zehn 3-fach-Scheiben 1,0 x 1,2 m aus 3 x 4 mm Float, kommt das einer Bemessung gleich, egal ob er gerechnet hat oder er aufgrund seiner Erfahrung bestellt hat. Damit ist er verantwortlich. Ich denke der Fensterbauer sollte die Bemessung durchführen, da er alle Anforderungen (Wind-, Holm- Schneelast, Gebäudehöhe etc.) kennt, die die Eckdaten für die Berechnung des Fensters und der zugehörigen Isolierglas-Aufbauten bilden. Diese Infos hat der ISO-Hersteller nicht.
Mund: Eigentlich wäre ja alles ganz einfach: Die DIN könnte in die Software beim Fenstermacher eingearbeitet werden. Nur die Software-Häuser wollen diese Verantwortung auch nicht übernehmen und lassen lieber die Finger davon… Jetzt wünsche ich aber ein erfolgreiches „Schmökern“ in unserer aktuellen Ausgabe.