GLASWELT – In Ihrer beruflichen Karriere hat sich die Branche mit ihren Produkten erheblich weiterentwickelt und gewandelt. Was waren denn Entwicklungen, die Sie beeindruckt haben oder mit denen Sie nicht gerechnet hätten?
Prof. Sieberath – Am meisten beeindruckt hat mich die Entwicklung des Fensters vom einfachen Verschluss einer Wandöffnung zum technischen Produkt unter dem Motto „Energiemanager“. Damit wurde das Fenster erheblich aufgewertet, weil es ja letztlich nicht nur der Minimierung der Energieverluste dient, sondern als einziges Bauteil auch für die Energiegewinnung genutzt werden kann. Weitere technische Meilensteine waren die Entwicklung der Wärmeschutzverglasung durch innovative Glasbeschichtungen Ende der 90er Jahre, die ständige Weiterentwicklung der Rahmenmaterialien sowie die enorme Verbesserung der Sicherheit, insbesondere der Einbruchhemmung. Eine negative Erfahrung, mit der ich selber nicht gerechnet hätte, ist die ständige Verzögerung des Harmonisierungsprozesses von Regelwerken aufgrund mangelnder Entscheidungsfähigkeit der Europäischen Kommission und inkonsequenter, sich stetig wandelnder politischer Rahmenbedingungen.
GLASWELT – Ihr Nachfolger steht mit Jörn P. Lass schon fest. Wann werden Sie die Staffelübergabe vollziehen?
Prof. Sieberath – Die Staffelübergabe wird zum 1. Januar 2020 erfolgen. Ähnlich wie in meinem Leben hat Professor Lass auch als Fensterbauer begonnen und alle wichtigen Aufgabenfelder im ift erlebt und als Führungskraft verantwortet. Die Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen und Positionen der Branche sowie die Lehrtätigkeit als Professor sind eine sehr gute Ergänzung. Ich bin mir daher sicher, dass er die Herausforderung der Institutsleitung anders als ich, aber genauso erfolgreich bewältigen wird.
GLASWELT – Was bzw. welche Projekte liegen Ihnen jetzt bis zum Ende Ihrer aktiven Zeit als Institutsleiter noch am Herzen?
Prof. Sieberath – Ich möchte gerne ein „ordentlich bestelltes“ Haus übergeben und einige offene Projekte abschließen. Die verbleibenden Wochen werde ich intensiv dafür nutzen, mit Professor Lass die vielen Details der Institutsleitung zu besprechen. Das operative Geschäft liegt bei unseren Geschäftsbereichsleitern in guten Händen, und die strategischen Themen sowie die Ausrichtung des ift werden ja bestens von Dr. Peichl betrieben. Deshalb ist die Übernahme der Institutsleitung etwas einfacher als bei mir, denn 2004 war ja erst mal Krisenmanagement gefragt.
GLASWELT – Was machen Sie, wenn Sie jetzt bald nicht mehr jeden Tag als Institutsleiter die Verantwortung für rund 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen? Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Prof. Sieberath – Neben den umfangreichen Aufgaben und Herausforderungen als Institutsleiter habe ich Gott sei Dank immer noch genug Zeit gefunden, um private Kontakte, Freundschaften und Hobbys zu pflegen und natürlich für viele glückliche Stunden in der Familie mit meinen Kindern und meiner Frau. Hierfür habe ich nun mehr Zeit, die ich sicher intensiv nutzen werde. Als Institutsleiter durfte ich viele Länder bereisen. Leider blieb in meinem Terminkalender meistens zu wenig Zeit, um die Menschen und die Kulturen besser kennenzulernen. Das werde ich nun mit meiner Frau nachholen. Dank der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten kann ich das gut mit meiner Begeisterung für Fenster, Fassaden, Türen, Tore und Glas verbinden. Denn ich möchte mein Wissen gerne an die nächste Generation Ingenieure weitergeben. Das bin ich dem Institut und der Branche schuldig, denen ich 37 wunderbare und erfüllte Berufsjahre zu verdanken habe. Sicher wird sich auch die Gelegenheit für den ein oder anderen Vortrag finden, den mein Nachfolger Prof. Lass aus terminlichen Gründen nicht wahrnehmen kann. Auf jeden Fall werde ich mich strikt aus dem operativen Geschäft des ift heraushalten – das liegt nun bei Professor Jörn Lass.