Die „Chemikalienrechtliche Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen durch Beschränkung des Inverkehrbringens lösemittelhaltiger Farben und Lacke“, kurz ChemVOCFarbV, dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/42/EG, umgangssprachlich Decopaint-Richtlinie, in deutsches Recht. Alle EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Decopaint-Richtlinie auf nationaler Ebene umzusetzen. Zweck der Verordnung ist es, den Gehalt an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) in bestimmten Farben und Lacken zu begrenzen. Berührt sind auf dem Bausektor Lacke, Lasuren und Farben zur Beschichtung von Gebäuden, ihren Bauteilen und dekorativen Bauelementen. Die Rechtsnorm betrifft alle Gewerbe und Handwerksbetriebe, die Lacke, Farben und Lasuren für den Baubereich herstellen, importieren oder verwenden.
Warum eine Begrenzung der VOC-Gehalte?
VOC steht für „Volatile Organic Compounds“; übersetzt, flüchtige organische Bestandteile. Per Definition sind VOC organische Verbindungen mit einem Anfangsiedepunkt von bis zu 250°C bei Normdruck. Zu den VOC zählen u.a. Verbindungen der Stoffgruppen, Alkane, Alkene, Aromaten. VOC-Emissionen gelten neben denen von Stickoxiden als mitverantwortlich für die Bildung von bodennahem Ozon und Sommersmog. Hauptemittent der Stickoxide ist mit rund 50 % der Kfz-Verkehr, VOC werden zu etwa 15 % aus dem Verkehr und zu etwa 50 % bei der Verwendung von Lösemitteln freigesetzt. Die sogenannten Ozonvorläufer setzen bei intensiver Sonneneinstrahlung (UV-Strahlung) atomaren Sauerstoff frei, der mit dem molekularen Luftsauerstoff zu Ozon (O3) reagiert.
Die biologische Wirksamkeit von Ozon ist durch seine Reaktionsbereitschaft gekennzeichnet. Wegen seiner schlechten Wasserlöslichkeit, wird Ozon nicht an den schleimhautumgebenen Atemwegen zurückgehalten, sondern kann tiefer in die Lungenperipherie eindringen, wo es auf ungeschütztes Gewebe trifft. Um der Ozonbelastung in unserer Atemluft entgegenzuwirken, sind Maßnahmen zum vermindern der Luftverschmutzung notwendig. Die Decopaint-Richtlinie soll durch die Begrenzung von VOC-Gehalten in Beschichtungsmitteln dazu beitragen, die Luftverschmutzung durch flüchtige organische Verbindungen zu vermeiden oder zu verringern.
Ab wann gelten die Grenzwerte?
1. Stufe: Ab 1. Januar 2007 dürfen Produkte, die nicht verordnungskonform sind, nicht mehr hergestellt werden. Bis Ende 2007 müssen solche Produkte im Handel abgebaut werden, ab Januar 2008 dürfen nur noch Produkte verkauft werden, die den Regelungen entsprechen.
2. Stufe: Im Jahr 2010 wird die zweite VOC-Stufe mit abgesenkten Grenzwerten in Kraft treten. Wieder ist eine Übergangsfrist vorgesehen.
Eine genaue Aufschlüsselung der Grenzwerte für die jeweiligen Produktkategorien findet sich in Anhang II des Originaltextes der ChemVOCFarbV.
Was wird in der Verordnung geregelt?
Neben der Festlegung von Grenzwerten für flüchtige organische Bestandteile in den entsprechenden Beschichtungsstoffen benennt die Rechtsnorm Verbote, Ausnahmen, Pflichten, Zuständigkeiten und definiert unter anderem die Begriffe Gebäude, Bauteile und dekorative Bauteile näher.
Begriffsdefinition: Gebäude sind demnach selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Zu den Bauteilen zählen u. a. Fertigteile, Fenster, Türen, Zargen, Fußböden und Treppen – nicht hingegen Möbel. Unter den Begriff dekorative Bauelemente fallen Stuck, Vertäfelungen, nichttragende dekorative Säulen und andere Bauelemente, die der Dekoration von Gebäuden dienen.
Verbote: Verboten ist es nach der ChemVOCFarbV, die in der Norm anberaumten Beschichtungsmittel mit einem VOCGehalt oberhalb der dort festgelegten Grenzwerte in Verkehr zu bringen. Produkte, welche die Anforderungen nicht erfüllen, dürfen jedoch noch bis zu 12 Monate nach dem Inkrafttreten der Bestimmung in den Verkehr gebracht werden. Diese Übergangsfrist für die erste Grenzwertstufe läuft vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2007.
Ausnahmen: Ausgenommen von den Verboten sind bestimmte denkmalschützerische Anwendungen sowie bestimmte Tätigkeiten die im Rahmen der 31. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geregelt sind. Gegebenenfalls bedarf die Herstellung und Verarbeitung entsprechender Beschichtungen einer behördlichen Erlaubnis.
Kennzeichnungspflicht: Der Hersteller oder Einführer hat die normrelevanten Produkte vor dem Inverkehrbringen, unbeschadet anderer Kennzeichnungsvorschriften, mit einem Etikett zu versehen, auf dem folgende Angaben waagerecht und deutlich lesbar anzubringen sind:
a) die Produktkategorie des gebrauchsfertigen Produktes und die entsprechenden Grenzwerte für flüchtige organische Verbindungen in [g/l] gemäß Anhang II der ChemVOCFarbV
b) der maximale Gehalt an flüchtigen organischen Verbindungen des gebrauchsfertigen Produktes in [g/l].
Der Verarbeiter kann damit die Rechtskonformität erkennen und ist somit in die Verantwortung genommen.
Überprüfung: Für die Umsetzung und die Überprüfung der Einhaltung der Verordnung ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bzw. die nachgeschalteten Landesbehörden zuständig. Häufig sind dies die bei den Landratsämtern angesiedelten Umweltämter.
Haftung: Verstöße gegen die Verordnung werden je nach Sachlage als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat geahndet.
Gibt es bereits adäquate rechtskonforme Lacke und Farben?
Vom Umweltbundesamt wurden bereits 2002 Untersuchungen zu den Gebrauchseigenschaften konventioneller lösemittelhaltiger Bautenlacke im Vergleich zu wasserverdünnbaren Systemen und High-Solids in Auftrag gegeben. In einer Studie, die vom Institut für Lacke und Farben e.V. (ILF) in Magdeburg durchgeführt und von einem Beirat mit Vertretern aus Handwerk und Industrie begleitet wurde, wurden 63 Lacke und Lasuren unter Berücksichtigung der jeweiligen Anwendungsbereiche auf ihr technisches Leistungsspektrum, ihre Verarbeitbarkeit und die VOC-Emissionen getestet.
Die Prüfungen zeigten, dass wasserverdünnbare Lacke mit Lösemittelgehalten von 3 bis 112 g/l (ca. 0,2 bis 9 Massenprozent) die Anforderungen der Stufe II der Decopaint-Richtlinie erfüllen. Diese Produkte halten auch die Anforderungen des Blauen Engels ein.
Von den 28 untersuchten lösemittelbasierten Lacken hielten 15 Produkte die Stufe I und 7 Produkte die Stufe II ein. Alle High-Solid Systeme bestanden die Anforderungen der Stufe II. Die Lacke, welche die Decopaint-Richtlinie erfüllten, decken ein breites Spektrum unterschiedlicher Systeme ab und sind laut Studie in der Gebrauchstauglichkeit mit konventionellen Systemen vergleichbar oder überlegen. Demnach konnten bereits 2002 viele marktübliche Produkte die Anforderungen der Decopaint-Richtlinie erfüllen.
Katja Goll
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Kurz erklärt:
Ab dem 1. Januar 2007 ist es nach der ChemVOCFarbV verboten, bestimmte lösemittelhaltige Lacke und Farben in Verkehr zu bringen. Zweck der Verordnung ist es, den Gehalt an flüchtigen organischen Verbindungen in der Luft zu begrenzen, um die aus diesen Verbindungen resultierende Luftverschmutzung, insbesondere durch bodennahes Ozon, zu verringern. Die Europäische Richtlinie 2004/42/EG, umgangssprachlich „Decopaint-Richtlinie“ wurde in Deutschland mit der ChemVOCFarbV in unmittelbar geltendes Recht umgesetzt. Bis Ende 2007 dürfen entsprechende Produkte noch abverkauft werden. Die Produktion und das Einführen von Produkten, welche die festgelegten Grenzwerte der 1. Stufe überschreiten, sind schon jetzt verboten. Die 2. Stufe der Verordnung zur weiteren Absenkung der VOC-Gehalte tritt im Jahr 2010 in Kraft.
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Merkblatt für Handwerksbetriebe
Für die Verarbeiter von Farben und Lacken hat jetzt der Bundesverband Holz und Kunststoff (BHKH) in Zusammenarbeit mit dem Verband der deutschen Lackindustrie (VdL) ein Merkblatt herausgegeben, um Anwendern eine Orientierungshilfe im Umgang mit der ChemVOCFarbV an die Hand zu geben. Das Merkblatt steht zum kostenlosen Download im Internet auf den Web-Seiten BHKH bereit: http://www.bhkh.de/fileadmin/DOKUMENTE/Decopaint-Merkblatt.pdf. Der Originaltext der ChemVOCFarbV kann im Internet nachgelesen werden, unter: http://http://www.gesetze-im-internet.de/chemvocfarbv/index.html