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Ganzglasgeländer: Unterschiedliche Richtlinien in der D-A-CH-Region

Andere Länder, andere Anforderungen

_ Wenn man die Grundlagen für Ganzglasgeländer in den drei Ländern miteinander vergleicht, so stellt man schnell fest, dass die Regelungen in Deutschland auf Basis der DIN 18008 am umfangreichsten und zudem über weite Strecken auch sehr präzise und eindeutig sind. In Österreich stellt die ÖNORM B 3716 die Grundlage der Regelungen für Ganzglasgeländer dar. Die Norm ist einfach gehalten und regelt nur wesentliche Punkte. Viele Details sind ungeregelt und somit dem Ausführenden überlassen.

In der Schweiz gibt es nur die allgemeine Geländernorm SIA 358, jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Richtlinien und Empfehlungen, die in der praktischen Auslegung einer Normierung gleichkommen. Am bekanntesten sind die Richtlinien des SIGaB (Schweizer Institut für Glas am Bau). Mangels Normen wird in der Schweiz oft auf deutsche und österreichische Normen zurückgegriffen.

Das Problem beginnt damit, dass sich alle Bemessungskriterien in Deutschland, Österreich und der Schweiz prinzipiell unterscheiden. Hinzu kommt, dass nicht einmal innerhalb der Staaten gleiche Regelungen gelten, sondern dass in einzelnen Bundesländern und Kantonen entscheidende Bedingungen anders gesehen bzw. ausgelegt werden. Überlagert wird all das noch zusätzlich durch eine Vielzahl von Zusatzanforderungen, Sonderfällen oder Ausnahmen, wie Richtlinien von Versicherungen oder Arbeitnehmerschutzbestimmungen.

Geht man ins Detail, lassen sich die unterschiedlichen Sichtweisen wie folgt zusammenfassen:

Vergleich: Glaslagerung in D-A-CH

Deutschland: Laut DIN 18008 Teil 4 gelten nur Ganzglasgeländer Kategorie B mit linienförmiger Glaslagerung als stoßsicher im Sinne der Norm (In Teil 4 sind nur punktförmige Lagerungen der Kategorien A + C geregelt.). Punktförmig gelagerte Geländer der Kategorie B, sofern sie außer dem Eigengewicht keine Normalkräfte aufnehmen, sind somit in Teil 3 geregelt.

Unter Linienlagerung versteht man laut DIN 18008 Teil 4 in Längsrichtung durchgehende Zwischenlagen aus druckfestem Elastomer, während örtliche Zwischenlagen (z. B. Keile) laut Teil 3 Anhang A aus harten Thermoplasten, wie Polyamid, bestehen können. Der Lastabtragmechanismus und die resultierenden Spannungen sind möglichst realitätsnah zu berücksichtigen.

Österreich: In der ÖNORM B 3716 Teil 3 wird bei ausschließlich unten eingespannten Glasgeländern zwischen liniengelagerten und punktgehaltenen Ausführungen unterschieden. Bereits in der Norm werden maximal mögliche Punkthalter-Abstände und Punkthalter-Durchmesser vorgegeben, um einen vereinfachten, praktikablen Nachweis zu ermöglichen.

Punkthalterungen als Klemmhalter, die ohne Bohrungen am Rand bzw. an den Ecken der Verglasungen angebracht sind, sowie die geeigneten Materialien und deren Auswirkung sind in der ÖNORM kaum verankert.

Schweiz: Die Qualität und Gleichmäßigkeit der Lagerung bei der Glaseinspannung ist das A und O jedes Ganzglasgeländers. So sagt z. B. die SIGaB-Richtlinie: „Die VSG-Einheit darf auf keinen Fall mit Keilen eingespannt werden, da es sonst zu extrem hohen Spannungen direkt im Bereich der Keile käme. Es muss eine Lagerung gewählt werden, die es ermöglicht, dass sich die VSG-Einheit nach der freien Biegelinie anpassen kann.“

Wie dies genau aussehen kann, bleibt dem Ausführenden überlassen. Hierzu gibt es sehr umfangreiche Tabellen und Bemessungsdiagramme über erforderliche Glasarten und -dicken, die sehr hilfreich sind. Die Schweizer verwenden bei Glasgeländern oft VSG aus Float (kein ESG/TVG).

Gebrauchstauglichkeit

In allen drei Ländern wird der Gebrauchstauglichkeit und der Lagesicherung eine zentrale Rolle beigemessen. Die Grundlage hierfür ist in der DIN 1055-100 zu finden. Während in der Schweiz die Gebrauchstauglichkeit in der SIA 260 eindeutig definiert ist.

Grundlage aller Ausführungen ist nach wie vor eine technische Zeichnung der früheren deutschen TRAV, in der eine Verbund-VSG-Scheibe mit Stahlplatten verschraubt wird.

Die technische Aufgabe einer guten Glaseinspannung liegt nicht nur in der gleichmäßigen Lagerung und Bettung, sondern auch in der Justierbarkeit der Scheibe, denn bei einer Einspannhöhe im Verhältnis 1 : 10 muss man bedenken, dass eine Lageveränderung im Einspannbereich um 1 mm eine Lageveränderung im Handlaufbereich von 1 cm bedeutet.

Eine größtmögliche Gleichmäßigkeit in der Lagerung, ohne Gummiprofile oder andere Hilfsmittel, die im 1/10 mm Bereich verrutschen können, ist in jedem Fall von Vorteil.

Lose, verschiebbare örtliche Auflager werden oft fälschlicher Weise als Lagesicherungen bezeichnet, obwohl sie gerade diese Aufgabe nicht erfüllen können. Nach mehrmaligen Normlastwechseln ist die senkrechte Glasgeländerposition und damit die Gebrauchstauglichkeit oft nicht mehr gegeben.

Bei Glasbruch ist der Schuldige dann schnell gefunden. Wie will man nachträglich den Beweis antreten, dass der Schaden, ausgehend von einem örtlichen Druckpunkt, auch passiert wäre, wenn die ganze Längskante optimal linienförmig, gleichmäßig gelagert gewesen wäre?

Örtliche Druckpunkte, die auf dem Prinzip „schiefe Ebene“ funktionieren, erzeugen enorm hohe Kräfte, denn man kann mit Keilen nicht nur Türen aufhalten, sondern auch Felsbrocken spalten. Diese großen Kräfte, die weder einschätzbar noch messbar sind, können bei Berechnungen und Nachweisen nur mit viel technischem Verständnis realitätsnah berücksichtigt werden.

Handlauf und Kantenschutz

Mangels Regelung werden in Österreich und der Schweiz die Handläufe einer Glasbrüstung oft mit Gummiprofilen verklemmt. Diese Handläufe sind sehr leicht abzuziehen (Schrumpfung von vorgefertigten Gummiprofilen) und auch im Fall von Glasbruch wird das Bruchglas schnell aus dem oberen, lastverteilenden Handlaufprofil ausgezogen.

Dies ist in Deutschland nicht möglich, denn in der DIN 18008 ist eindeutig beschrieben, dass Handläufe mit Dichtstoff zu hinterfüllen sind, was in der Regel die Stabilität und die Tragfähigkeit deutlich verbessert.

Auch der Kantenschutz wird unterschiedlich gesehen. Während in Deutschland Ganzglasgeländer ohne Handlauf und/oder ohne Kantenschutz nicht normkonform ausgeführt werden können, ist dies in Österreich und der Schweiz bei Verwendung einer entsprechenden Glasart problemlos möglich. Im Gegenzug gibt es für die unten eingespannte Glaskante in Österreich die eindeutigsten Kantenschutzbestimmungen, hierzu steht in der ÖNORM B 3716: „Die Konstruktion muss so ausgeführt werden, dass die Kanten von Verbundglas sowie Verbund-Sicherheitsglas (VSG) nicht ständig der Feuchtigkeit ausgesetzt sind. Eine Abtrocknung freiliegender Kanten darf nicht behindert werden.“

Das heißt, es ist nicht von gelegentlichen Lochbohrungen etc. die Rede, nein, es heißt: „die Abtrocknung darf nicht behindert werden.“ Eine Forderung, der auch die Prinzipdarstellung in der DIN 18008 entspricht, sofern das Glaslager, wie üblich, nur örtlich ausgeführt wird.

Ausblick

Den Entwicklungen bei Glasgeländern sind künftig kaum noch Grenzen gesetzt und griechische, italienische, türkische oder asiatische Konstruktionen werden zusätzliche Herausforderungen für Monteure, Planer, Techniker und Prüfingenieure darstellen.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich diese Konstruktionen von bekannten Lösungen, indem sie angeblich mit „weniger“ auskommen: weniger Schrauben, weniger Wandstärke, weniger Einspanntiefe, weniger ...? Ein Technologietransfer nach Mitteleuropa, mit dem Hauptargument „weniger“, ist so vermutlich kaum zu befürchten.

Der gewünschte Qualitätsstandard sollte immer vom Kunden / Architekten vorgegeben werden. Der Ausführende ist gut beraten, wenn er die möglichen Qualitätsunterschiede klar aufzeigen kann. Denn nicht selten bestellt der Kunde das Allerbilligste und behauptet beim ersten Anlass, dass ihm die allerbeste Qualität zugesichert worden sei. Solchen Aussagen sollte der Verarbeiter und Monteur im eigenen Interesse vorbeugen.—

Der Autor

Ing. Bernhard Feigl ist Geschäftsführer von Glas Marte, Innungsmeister für das Glashandwerk und im Fachverband für konstruktiven Glasbau aktiv.

www.glasmarte.at

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