_ In Marketingprospekten sieht man oft fröhliche Menschen, die zu Hause auf dem Sofa sitzen und mithilfe eines Smartphones die Rollläden fahren bzw. das Licht bedienen. Doch wie sieht das der Anwender? Sind das die Funktionen, für die ein Nutzer eines Wohngebäudes tatsächlich bereit ist Geld auszugeben? Der Mensch steht also im Fokus und die Automation muss auf ihn ausgerichtet sein. Das bedeutet aber in Konsequenz, dass man zuerst mit der Analyse beim Nutzer beginnen und die technische Lösung auf ihn abstimmen muss. Leider wird die Kundenanalyse oft übergangen und man wählt (zu) schnell eine konkrete technische Lösung.
Automation bedeutet, dem Menschen muss Arbeit abgenommen werden, d. h. das Leben muss für ihn einfacher und angenehmer werden. Wenn die (Raum-) Automation bewirkt, dass der Nutzer den Raum nicht mehr richtig bedienen kann oder sich fremdbestimmt fühlt, hat irgendjemand etwas ziemlich falsch gemacht! Um es richtig zu machen, muss man dem vorab Nutzer einige Fragen stellen. Möchte er z. B. einen Zentraltaster, mit dem er über einen Tastendruck aller Verbraucher im Haus ausschalten kann? Erkennt er den Sinn von Fensterkontakten, die das Licht im Haus für 5 Minuten einschalten und somit in Einbruchfall abschrecken?
Das Wesentliche an den beispielhaften Fragen ist dabei nicht, wie der Kunde diese im Einzelnen beantwortet. Das Wesentliche ist, dass sie jeder Nutzer unterschiedlich beantworten wird. Es gibt also keine Universallösung. Mancher Nutzer wird verstärkt Wert auf Funktionen der Energieeffizienz legen, manch anderer bevorzugt Sicherheits- oder Komfortfunktionen. Das bedeutet aber, dass der Mensch, für den die Automation eingeführt wird, individuell berücksichtigt werden muss.
Sinnvolle Funktionen aus der Sicht des Nutzers
Was will nun aber der Nutzer? Wenn Sie es selber sind: Nehmen Sie sich die Zeit und machen sich in Ruhe Gedanken darüber. Wenn es eine Einzelperson ist, dann sprechen Sie mir ihr. Bei einer ganzen Zielgruppe hilft eine Kundenbefragung. Dazu wurde ein Fragebogen mit etwas über 40 Fragen entworfen, der sich in die Teilbereiche Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Verschattung, Kühlung, Sicherheit und weitere Anforderungen gliedert. Dabei ist zu beachten, dass zu jeder Frage eine differenzierte Antwort gegeben werden kann. Das ist deshalb sinnvoll, um zu erfahren, ob eine Anforderung auf jeden Fall oder nur eventuell gewünscht bzw. abgelehnt wird.
Zielkundenanalysen
In zwei Studien an der Hochschule Rosenheim wurden mit ähnlichen Fragebögen größere Zielgruppen untersucht. Bei der Untersuchung von Philipp Eigl [2] lag das Durchschnittsalter der Befragten bei etwas über 30 Jahren und es herrschte fast Gleichverteilung zwischen Frauen und Männern. Grafik 2 zeigt, dass Funktionen des Fernzugriffs schlecht abgeschnitten haben, obwohl die Teilnehmer zur Smartphone-Generation gehören. Bei den Rollläden war das Interesse an Automation und Gruppensteuerung der Verschattung groß – das Interesse, diese auch von unterwegs steuern zu wollen aber sehr gering. Immerhin fährt die Verschattung doch bereits selbstständig morgens herauf und abends herunter. Die Schwerpunkte lagen auf Energieeffizienz durch Einzelraumregelung sowie einigen Sicherheits- und Komfortfunktionen.
Eine Studie von Kay Mattausch [3] untersuchte den Einsatz von Automation für das altersgerechte Wohnen. Der Hintergrund ist der demographische Wandel und die Analyse aus Sicht der betroffenen Personen. Das Alter der Befragten lag bei 51 bis 85 Jahren (Durchschnitt: 64 Jahre). Grafik 1 zeigt deren Bewertung der Funktionen. Im Fokus standen hier sicherheitsbezogene Funktionen. Die Funktion „zeitgesteuerte Rollläden“ hat erstaunlich schlecht abgeschnitten. Das erklärte sich über die Auswertung der persönlichen Gespräche. An vielen Stellen antworteten die Personen mit „Na ja, solange ich das noch selber machen kann“. Aus psychologischer Sicht war hier die Angst zu erkennen, zu viel abzugeben und somit als Mensch nicht mehr benötigt zu werden.
Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass man Senioren keine zeitgesteuerten Rollläden anbieten sollte. Nur sollte das nicht mit dem Argument erfolgen, dass das Arbeit abnimmt, sondern die Sicherheitsvorteile und den energetischen Mehrwert herausgestellen.
Konsequenzen
Im Gesamtkontext der Automation spielt die Fassade eine wichtige Rolle. Viele Funktionen sind nur möglich, wenn in der Fassade entsprechende Sensoren und Aktoren zum Einsatz kommen. Die wesentlichen elektromechanischen Komponenten sind:
- Zustands- und Verschlussüberwachung, Ver- und Entriegelungsapparaturen,
- Glasbruchmelder, Haftmagnete
- Antriebe für Rollläden und Jalousien
- Tür-Öffner, Antriebe zum Öffnen und Schließen von Fenstern und Türen
- Lüftungselemente
In vielen Fällen werden diese Sensoren und Aktoren nachträglich vom Elektrofachunternehmen oder Gebäudeautomations-Systemhaus installiert. Fensterkontakte werden nachträglich aufgebracht oder die Verkabelung für Rollladenantriebe nachträglich verlegt. Üblicherweise ist das optisch weniger elegant, als wenn die benötigten Sensoren und Aktoren sowie die Kabelführung schon direkt vom Fachbetrieb der Fassade integriert würden. Einige Unternehmen meiden noch dieses Thema und es entgehen ihnen entsprechende Umsatzmöglichkeiten. Dort, wo sich Firmen aus dem Fassadenbau aktiv mit dem Thema auseinandersetzen, können sich diese stärker in den Gesamtprozess der Planung und Umsetzung von Gebäudeautomation einbringen.
Fazit
Der Trend zur Automation in Gebäuden, d. h. auch der Raumautomation, ist nicht zu verkennen. Wichtig ist aber, die Funktionen individuell am Nutzer auszurichten. Nur wenn dies beachtet wird, wird der Nutzer anschließend mit der Automation zufrieden sein und den Mehrwert erkennen. Auf diesen Trend sollten sich auch die Unternehmen im Fassadenbau einstellen und zum Thema Integration erforderlicher Sensoren und Aktoren eine entsprechende Beratungs- und Umsetzungskompetenz aufbauen.—