Glaswelt – Die Einbruchszahlen nehmen deutlich zu – im letzten Jahr gab es eine neue traurige Rekordmarke. Nimmt auch das Geschäft für Sicherheit am Fenster und an der Tür zu? Spürt Siegenia als Beschlaganbieter hier eine steigende Nachfrage?
Ralf Diller – Wir spüren seit Jahren ein gesteigertes Interesse und verstärken ständig unsere entsprechenden Aktivitäten. So ist die Nachfrage nach unseren Systemhandbüchern für Holz und Kunststofffenster (geprüfte Elemente nach DIN EN 1627 als Lizenz) ebenfalls stark gestiegen. Das Bewusstsein der Endgebraucher ist aber leider trotzdem noch nicht ausreichend geweckt. Schon allein die Tatsache, dass bei 77 Prozent der Einbrüche in Wohnungen und Häuser Fenster und Türen einfach aufgehebelt werden, ist in der Bevölkerung nicht vollständig bekannt. Wenn man sich also schützen möchte, dann sollte man bei diesen Bauelementen ansetzen.
Glaswelt – Gibt es hier Länder-Unterschiede, was den Bedarf an sicheren Fenstern und Türen angeht? Wo gibt der Endkunde mehr Geld für dieses Thema aus und wo weniger?
Diller – Deutschland ist für uns der führende Markt, was Raumkomfort im Allgemeinen und das Thema Einbruchhemmung im Besonderen angeht. Die Niederlande ist ein Beispiel, dass in anderen europäischen Ländern mit diesem Thema ganz unterschiedlich umgegangen wird: Hier wird gesetzlich vorgeschrieben, dass Elemente bis 10 m Einbauhöhe mit wirksamer Einbruchhemmung eingebaut werden müssen. In Österreich gibt es noch wenige Anforderungen an Einbruchhemmung, gleichwohl hier auf die Gestaltung und die Ausstattung der Fenster mehr Wert gelegt wird als in Deutschland. Und in Polen steigt das Interesse stark, was sicher auch auf die verstärkte Exporttätigkeit nach Deutschland zurückzuführen ist.
GLASWELT – Der dramatische Anstieg der Wohnungseinbrüche wird auch in den Medien ausgiebig thematisiert. Finden Sie, dass der Fensterbauer diese Steilvorlage für mehr Umsatz in Sachen Einbruchschutz hinreichend aufnimmt? Oder wünschen Sie sich noch mehr Aktivitäten seitens der Anbieter?
Diller – Viele Fensterhersteller haben sich diesem Trend gestellt und sie sind mittlerweile in der Lage, sehr professionell auf Anfragen zu reagieren. Leider versacken auf dem mehrstufigen Distributionsweg bis zum Endgebraucher noch sehr viele wichtige Informationen. So sind dort viele Möglichkeiten der Ausrüstung von Fenstern und Türen in puncto Sicherheit und Einbruchhemmung noch nicht ausreichend bekannt.
GLASWELT – Geht Siegenia selbst auf die Endkunden zu, um über die Möglichkeiten des Einbruchschutzes zu informieren?
Diller – Mit der SASS (Anm. d. Redaktion: „Siegenia-Aubi Sicherheits-Service GmbH“) haben wir eine eigene Gesellschaft, die sich ausschließlich um das Nachrüsten von Standardelementen zu Sicherheitsfenstern und –türen im Bestand kümmert. Das geht weit über die rein werbliche Ansprache der Endgebraucher hinaus, da wir hier wirklich vor Ort sind. Für die gezielte Information der Endgebraucher bieten wir zum Beispiel die Broschüre „Geborgenheit3“ an. Diese ist explizit auf die Bedürfnisse von Endgebrauchern ausgerichtet und kann auch von Fensterherstellern zur werblichen Ansprache ihrer Kunden verwendet werden. Zudem sind wir Mitglied des Netzwerkes „Zuhause Sicher”, einer Initiative der Polizei, die gezielt für die Information von Endgebrauchern gegründet wurde.
GLASWELT – Wie unterstützen Sie den Fensterhersteller und Bauelementehändler, damit dieser das Einbruchschutzthema seinen Kunden näherbringen kann?
Diller – Über unseren Vertriebsaußendienst sind wir vor Ort beim Kunden und können professionell beraten. Im Rahmen unserer Produktgruppe Advance bieten wir Einbruchprüfungen zur Vorbereitung auf offizielle Prüfungen an. Wie erwähnt, bieten wir zusätzlich Systemhandbücher an, die eine Art Bauanleitung für einbruchhemmende Fenster darstellen. Durch die Einhaltung der dort beschriebenen Maßnahmen ist der Fensterhersteller in der Lage, geprüfte Fenster herzustellen. Unsere Mitarbeiter der Anwendungstechnik und des Prüffeldes stehen für Beratungen unserer Kunden jederzeit zur Verfügung. Darüber hinaus bieten wir, als einer der wenigen Beschlaghersteller in Deutschland, in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei zertifizierte Nachrüsterlehrgänge an.
GLASWELT – Ist der Fensterbauer mit dem Beschlagprogramm von Siegenia in der Lage, dem Markt ein sicheres, einbruchhemmendes Fenster anzubieten? Hat Siegenia mit neuen Produktideen auf das gestiegene Interesse reagiert?
Diller – Unsere heutigen Beschläge können einfach und frei skalierbar für unterschiedliche Widerstandsklassen ausgerüstet werden. Zum Beispiel der aktuelle Titan AF erreicht eine hohe Einbruchhemmung bis RC3. Gleichzeitig verleiht er dem Fenster höchsten Bedienkomfort durch seinen rollenden Komfortpilzbolzen. Ebenfalls gewährleistet er durch seine Selbstjustierung einen nachhaltigen optimalen Einlauf in das Schließblech. Ein zusätzlicher Vorteil entsteht dadurch, dass unsere Beschläge für Hebe-Schiebe-Türen bereits in der Standardausführung eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Einbruchversuche bieten. Und für die Zukunft haben wir uns auch schon wieder interessante Produktentwicklungen einfallen lassen. Das präsentieren wir dann auf der nächsten fensterbau. Wichtig ist aber: Die Einbruchhemmung wird durch den Beschlag zwar maßgeblich beeinflusst, aber hier kommt es auf das Gesamtsystem, beginnend bei der Montage, über Verglasung, Profilsystem bis hin zum Beschlag an.
GLASWELT – Hat Siegenia Produkte im Portfolio, die nachträglich an das Fenster angebracht werden, um die Einbruchhemmung zu erhöhen? Was halten Sie von solchen Produkten?
Diller – Als klassisches Nachrüstprodukt bieten wir abschließbare Hebel an, die zumindest einen Schutz gegen unbefugtes Betätigen oder Manipulieren des Beschlages bieten. Die meisten aufschraubbaren Nachrüstprodukte tragen allerdings i.d.R. nicht dazu bei, dass das Design eines Fensters aufgewertet wird und berücksichtigen auch nicht den Systemgedanken. Nachrüstprodukte als DIY bergen oftmals die Gefahr der fehlerhaften Montage und bieten dann keine wirkliche Einbruchhemmung. Wichtig ist, dass die Nachrüstung der Beschläge in ihrer Wirkung sinnvoll aufeinander abgestimmt ist und fachgerecht montiert wird.
GLASWELT – Sind die elektronischen und elektromechanischen Einbruchschutzsysteme ein adäquater Ersatz für den mechanischen Einbruchschutz am Fenster?
Diller – Grundsätzlich gilt zuerst mechanisch schützen und dann elektronisch aufrüsten. Elektronische Systeme ersetzen nicht die mechanische Einbruchhemmung. Zustandsüberwachungen für Fenster wie z. B. iWindow erinnern allerdings den Endgebraucher beim Verlassen des Hauses daran, kein Fenster offen zu lassen. Denn dann ist nämlich auch der beste Sicherheitsbeschlag wirkungslos.
GLASWELT – Welche Einbruchsschutzstufe würden Sie einem typischen und nicht besonders wohlhabenden Endkunden empfehlen, wenn er seine 35 Jahre alten Fenster in seinem Haus oder seine Erdgeschosswohnung erneuern möchte?
Diller – Analog zu den Empfehlungen der Kriminalpolizei empfehlen wir RC2. Ein potenzieller Einbrecher wird vielleicht unsere Einschätzung zum Vermögensstand des Kunden nicht teilen und trotzdem einbrechen. Es geht ja auch nicht nur um den Schutz materieller Werte, sondern auch um den Schutz des Zuhauses und ideeller Werte wie z. B. der Privatsphäre. Trotzdem bieten die Skalierbarkeit unserer Beschläge hinsichtlich Einbruchhemmung sowie die Ausstattung bezüglich Glas und Montage natürlich individuelle Anpassungsmöglichkeiten an den Schutzbedarf und die finanziellen Möglichkeiten des Auftraggebers.
GLASWELT – Was muss er für diesen Mehrwert bezahlen?
Diller – Die Aufwendungen für den Beschlag sind überschaubar, da Siegenia Kunden durch den intelligenten Beschlagaufbau gut vorbereitet sind. Aber wir reden ja über ein gesamtes System. Die Preisbildung am POS obliegt hier natürlich dem Anbieter der Fenster.
GLASWELT – Bestätigen Sie meine Annahme, dass der Endkunde gerade die Haustür besonders sicher ausstattet und Abstriche eher beim Fenster oder der Hebe-Schiebe-Tür macht?
Diller – Ja, das beobachten wir leider ebenfalls. Auch hier fehlt den Endgebrauchern noch das Bewusstsein. Untersuchungen der letzten Jahre haben ergeben, dass die überwiegende Mehrheit aller Einbrüche in Einfamilienhäuser über Fenster und Terrassentüren erfolgt. Daher ist die sicherheitstechnische Ausstattung gerade dieser Elemente besonders wichtig.
GLASWELT – Wie sehen die Nachrüstmöglichkeiten bei der Haustür aus?
Diller – Grundsätzlich bieten wir auch hier Möglichkeiten, die Tür sehr widerstandsfähig aufzurüsten. So kann man z. B. eine Haustür mit einer Mehrfachverriegelung ausrüsten, die neben der gesteigerten Einbruchhemmung auch noch weitere Komfortmerkmale wie höhere Dichtheit der Tür oder geringeren Verzug des Türblattes, integrierte Sicherheitsbügel usw. bieten kann. Im Gegensatz zum Fenster kann hier aber ein höherer Aufwand entstehen, da die Umrüstung auf eine Mehrfachverriegelung eine mechanische Bearbeitung der Rahmen- und Flügelprofile nötig macht.
GLASWELT – An welchem Bauelement werden die einbruchhemmenden Maßnahmen am sträflichsten vernachlässigt?
Diller – Nebeneingangstüren und Schiebetüren. Mann findet z. B. oft eine topaktuelle Haustür im Sichtbereich, aber gleichzeitig eine Kellertür mit Buntbartschloss oder eine Schiebetür, die nicht mehr korrekt verschlossen werden kann.
GLASWELT – Wie macht KFV die Haustür besonders sicher? Wie groß ist der Markt für Fingerprint-Zutrittsysteme und für die Zutrittskontrolle per Mobiltelefon?
Diller – Durch individuell auf das System abgestimmte Verschlussmechaniken und ausgewählte Materialien. Umfangreiche Systemprüfungen sichern die Entwicklungen ab und garantieren eine hohe Widerstandskraft gegen Manipulation bei einem Einbruchversuch. Noch ist der Markt für die Zutrittskontrolle überschaubar, aber wir verspüren eine steigende Nachfrage und sind davon überzeugt, dass wir hier im Rahmen der Entwicklung von Smarthome-Lösungen einen stark wachsenden Markt erleben werden.
GLASWELT – Die App-Lösung iWindow ist seit 2012 auf dem Markt und eine Möglichkeit, den Öffnungszustand des Bauelementes zu überwachen. Wie häufig wird diese Lösung nachgefragt, wie viele Nutzer gibt es bereits?
Diller – Bisher war die Inbetriebnahme von iWindow ausschließlich mit dem PC/ Laptop möglich. Die Akzeptanz unserer Kunden blieb dadurch hinter unseren Erwartungen zurück. Seit Ende letzten Jahres können sie nun das gesamte System mit der iWindow App völlig ohne PC in Betrieb nehmen. Die Resonanz der Kunden, auch auf der Messe BAU Anfang dieses Jahres, war sehr positiv. Der generell wachsende Smarthome-Markt wird die Nachfrage zusätzlich steigern.
GLASWELT – Sind die KFVkeyless-App und die iWindow-App miteinander kombinierbar?
Diller – In der nächsten Entwicklungsstufe werden wir über eine App alle Siegenia und KFV Antriebe steuern und bedienen können.
GLASWELT – Kann man damit auch Fensterelemente ferngesteuert mit motorischen Antrieben öffnen und schließen?
Diller – Ja, das ist bei Siegenia auch mit direkter WLAN-Verbindung von Smartphone zu dem Fensterantrieb möglich. Wir können auch Fensterantriebe, Sensoren und Lüftungsgeräte miteinander verbinden und so eine hybride Lüftung gewährleisten.
GLASWELT – Wie sicher ist das?
Diller – Durch einen Lüfter kann man nicht einbrechen. Beim Verlassen des Hauses alles zu schließen ist ebenfalls ein Muss. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass bei rund 15 Prozent der Einbrüche Fenster sogar offen stehen
GLASWELT – Kommt der Einbrecher in der Zukunft per Internet ins Gebäude?
Diller – Wie es auch bei Fenster und Tür keinen absoluten Einbruchschutz gibt, so gibt es auch bei elektronischen Antrieben keinen absoluten Schutz vor Manipulationen. Unsere WLAN-Steuerung arbeitet allerdings mit einer SSL-Verschlüsselung vergleichbar mit der aus dem Banken-Sektor. Egal, ob mechanisch oder elektronisch - Sicherheit hat oberste Priorität bei Siegenia.
GLASWELT – Herr Diller, vielen Dank für das Gespräch.—
Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.