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GLASWELT vor Ort: Glaskongress 2015

Innovation = überleben

_ Vor dem Hintergrund der angespannten Wettbewerbssituation, zunehmender (Fenster-)Importe aus Osteuropa sowie einem wachsenden Fachkräftemangel sieht sich die hiesige Glasbranche mit großen Herausforderungen konfrontiert. Umso mehr stellte sich die Frage: Warum waren auf den Glaskongress die Glasverarbeiter gegenüber Vertretern der Zulieferer in der Unterzahl, sodass diesmal die Lizenzgeber die Vertretung übernehmen mussten?

Wie Verarbeiter die aktuelle Lage am Glasmarkt in den Griff bekommen können und wie es mit der schwierigen Preisentwicklung beim Isolierglas weitergehe, bot viel Stoff zur Diskussion. BF-Präsident Thomas Dreisbusch: „Unser technisch hoch anspruchsvolles Isolierglas wird zum Teil am Markt verramscht, warum eigentlich?“

Die Nachfrage nach hochwertigen Isoliergläsern sei gegenwärtig gut. Dreisbusch sprach von einem Sanierungspotenzial bei Isolierglas von rund 27 Mio. m2 im Jahr 2014. Gleichzeitig schränkte er mit Blick auf die Fenster- und Glasimporte aus Osteuropa ein: „Die Menge sagt nichts über die Ertragslage aus und wo die Firmen sitzen, die diese Produkte liefern“. Dazu BF-Geschäftsführer Jochen Grönegräs: „Der bereits dicht besetzte Markt verschärft sich für die (ISO-)Verarbeiter jetzt noch durch Importe aus dem Osten.“

„Eigentlich müsste die Lage für Ihre Branche gut sein“, so Professor Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft zur gegenwärtigen Lage am Bau: „Die Immobilienpreise steigen, der Neubau nimmt zu und die Sanierung schreitet voran. Es gibt heute mehr Selbstnutzer, die in neue Fenster investieren wollen, wenn sie eine Wohnung kaufen.“ Alle Großstädte in Deutschland werden künftig wachsen. Langfristig bedeutet das um die 220 000 Neubauwohnungen pro Jahr.

Aber er nahm die Regierung in die Pflicht: „Die Einschnitte bei der Unterstützung von energetischen Sanierungsmaßnahmen bremsen die Verbraucher: Teilweise warten die Verbraucher auf neue Subventionen. Kommen diese nicht, wird erst einmal nicht saniert.“

Sein Fazit: Die Wohnungs-Nachfrage wird anhalten, ebenso der große Bedarf an energetischen Sanierungen. Der Markt wird sich vom Land auf die Städte konzentrieren bis hin zu Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Auch wenn der Einfamilienhausbau zurückgehe, wird dort konstant saniert.

Anschließend legte Dr. Christian Kaiser von der Heinze GmbH die neuesten Marktzahlen zum Bau- und Fenstermarkt vor. Auch er sieht den Bau-Markt von der Stimmung her positiv. Zudem sei die Konsumbereitschaft in der Gesellschaft sehr hoch, um größere Investitionen wie einen Fenstertausch anzugehen. Dank dem günstigen Ölpreis und dem schwachen Euro seien so für 2016 gute Rahmenbedingungen zu erwarten.

Fensterimporte treffen ISO-Hersteller

Seine Prognose für den Wohnungsneubau liegt in diesem Jahr bei +2 %, in 2016 bei +1,7 %. Kaiser: „Bei den Eigenheimen kann es nicht besser werden. In diesem Jahr gehen wir von +2,5 %, in 2016 allerdings von –3,7 % aus. Die Gewinner sind die Mehrfamilienhäuser mit einem diesjährigen Zuwachs von +7,4 %; für 2016 erwarten wir +6,4 %. Der Nichtwohnbau liegt für 2015 bei +2,3 %. Insgesamt haben wir ein moderates Wachstum.“

Dr. Kaiser präsentierte weiter eine Hochrechnung des Fenstermarkts (Stand März 2015). Bundesweit sehe er eine moderat positive Entwicklung, wobei es im Neubau-Fenstermarkt starke regionale Unterschiede gebe. Stark sind Baden-Württemberg und Westdeutschland. Nach vorläufigen Zahlen habe sich im Jahr 2014 der Markt mit 13,4 Mio. Fenstereinheiten um +2,3 % fortentwickelt, für 2015 werden 13,4 Mio. FE erwartet (+2,2 %).

Diese Zahlen beziehen sich, so Kaiser, auf die Fenster, die insgesamt in Deutschland eingebaut werden. Wie viele Fenster davon allerdings aus dem Ausland stammen, belegten die Zahlen nicht. Kaiser schätzte diese auf 15 bis 20 Prozent.

Die Importfenster treffen auch die heimischen ISO-Hersteller. Denn der deutsche Markt für Isolierglas stehe damit unter zusätzlichem Druck, gleichzeitig käme Billig-ISO aus Tschechien zu uns. Dazu ein Kommentar aus dem Publikum: „Wenn der Importanteil steigt, werden auch die hiesigen Anbieter an diesen Preisen gemessen – doch was können die heimischen Isolierglasanbieter dieser Entwicklung entgegensetzen?“

Innovation sichert das Überleben

Die Antwort darauf sei einfach, so Prof. Dr. Heiko Hessenkemper von der TU Bergakademie Freiberg. Keine Sparmaßnahmen, sondern Innovationen werden den Glasverarbeitern die Zukunft sichern.

„Der Schlüssel für den zukünftigen Erfolg liegt in Innovationen. Und von diesen gibt es in der Glasbranche bei Weitem nicht genug. Ganz im Gegenteil, die Branche sei nicht innovationsgetrieben, sie ist kostengetrieben und fokussiere sich zu sehr aufs Sparen. Doch wenn Forschung und Entwicklung auf der Strecke bleiben, fehlen die notwendigen Innovationen, die neue Marktsegmente erschließen helfen. Ohne neue Produkte, die Alleinstellungsmerkmale bieten, wachse die Gefahr sich im Preiskampf zu verlieren.“

Dabei gebe es heute für Glasverarbeiter so viele Möglichkeiten wie nie zuvor am Markt zu partizipieren, da im und am Gebäude mehr und mehr Glas eingesetzt werde. „Nutzen Sie die Chance, werden Sie innovativ, schaffen Sie neue Produkte und versorgen Sie damit auch die Fenster- und Fassadenbauer mit Mehrwert und Alleinstellung“, so sein Appell. „Unternehmen, die in der heutigen Situation nicht aktiv sind, werden es in Zukunft schwer haben: Die Innovativen werden die Nichtinnovativen schlucken“, so der Professor.

Gleichzeitig fordert Hessenkemper die Glasbranche auf, wieder verstärkt in Mitarbeiter und vor allem in den Nachwuchs zu investieren: „Wenn wir nicht auf allen Ebenen – vom Facharbeiter bis hin zum Glas-Ingenieur – in unseren Nachwuchs investieren, werden wir als Branche in Kürze ein massives Problem haben.“

Hessenkemper stellte dann neue Verfahren vor, z. B. ein Walzverfahren für das thermische Glashärten. Das Abkühlen erfolgt über Kontaktkühlung, wobei eine hohe Oberflächengüte erreicht werde, die herkömmlichen Temperverfahren gleichwertig sei. Mit diesem Verfahren lassen sich auch sehr dünne Gläser ( 2 mm) vorspannen, was sonst schwieriger sei. Interessant waren auch die Ausführungen zu einem neuen korrosionshemmenden Puder. Dies verspreche eine verbesserte Oberflächengüte und lasse sich wie herkömmliche Luzite verarbeiten.

Dass Rechtsthemen auch unterhaltsam vorgetragen werden können, zeigte einmal mehr Prof. Christian Niemöller. ISO-Hersteller und Fensterbauer sollten an einem Strang ziehen, da sie gemeinsame Interessen verfolgen. Beide müssen mit gleichen Anforderungen und engen Terminen umgehen. Aber beide sind auch natürliche Feinde im Preiskampf, bei Vertragspflichten, in der Durchstellpflicht, bei Terminen etc. Und ISO-Hersteller wie auch Fensterbauer haben oft eine fehlende Konfliktbearbeitungs-Kompetenz und gehen fahrlässig mit Reklamationen um. „Wenn eine Reklamation kommt, sollte man sich nicht automatisch und kategorisch hinter der erfolgten Bauabnahme verschanzen“, so Niemöller, „damit wird oft viel kaputt gemacht. Der ISO-Lieferant sollte sich zudem als Streithelfer einbringen, das bringt im Rechtsstreit Dateneinsicht.“

Niemöllers Fazit: Fensterbauer und Isolierglashersteller sollten immer eine offene und ehrliche Diskussion führen. „Treffen Sie eindeutige Vereinbarungen und halten Sie diese ein. Unter diesen Voraussetzungen können Glasverarbeiter und Fensterbauer eine starke Allianz bilden.“

Der nächste Glaskongress findet am 28. und 29. April 2016 in Grassau (Bayern) statt. —

Matthias Rehberger

Die Vorstände von BF und GMI

BF: Thomas Dreisbusch (Vorsitzender), Michael Dobbe, Thomas Fiedler, Jürgen Halbmeyer, Nils-Christian Plaum, Thomas Stukenkemper und Ralf Vornholt.

GMI: Ralf Vornholt und Michael Elstner (Geschäftsführende Vorstände); im erweiterten Vorstand: Thomas Fiedler, Denise Golda und Nils-Christian Plaum.

www.bundesverband-flachglas.de

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