Großzügige Glasflächen werden in der Architektur zur komfortablen Tageslichtnutzung, für ein angenehmes Raumklima und solare Wärmegewinne eingesetzt. Um dies zu erreichen, müssen Fenster objektbezogen geplant und geeignete Materialien ausgewählt werden. Die GLASWELT sprach mit dem Autor und Professor für Bauphysik Andreas Wagner über sein neues Buch.
GLASWELT: Herr Wagner, wer sollte Ihr Buch lesen?
Andreas Wagner:
Das Buch richtet sich primär an die Architekten und Planer, die im Kontext des energiesparenden Bauens Rat für Entscheidungen bei der Fassadenkonzeption suchen. Auch für andere Fachleute aus der Baubranche und dem Handwerk bietet die Neuauflage einen kompakten Überblick über das aktuelle Wissen zu energieeffizienten Verglasungen und gesamten Fenstersystemen.GLASWELT: Welche Schwerpunkte setzen Sie dabei konkret in Ihrem Buch?
Andreas Wagner:
Im Vordergrund stehen drei Schwerpunkte:
Erstens der Stand von Wissenschaft und Technik bei Technologien zur Optimierung des Wärmeschutzes – z.B. Glasbeschichtungen – sowie hinsichtlich innovativer Ansätze zur Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes.
Zweitens werden die relevanten Einflussgrößen auf die energetisch optimierte Planung von Fenstern, Fassaden bzw. eines gesamten Gebäudes vorgestellt und diskutiert. Die Erfahrungen zeigen, dass oftmals mit einer nur eindimensionalen Optimierung einzelner Größen die erhofften Energieeinsparungen für das Gesamtgebäude verfehlt werden.
Letzter Punkt sind die baupraktischen Aspekte, gerade vor dem Hintergrund, dass ein Großteil unseres Baubestandes zur Sanierung ansteht.
GLASWELT: Welche neuen Themen sind der letzten Ausgabe ihres Buches hinzugekommen?
Andreas Wagner:
Drei Themenfelder nehmen im neuen Buch breiteren Raum ein:
Zum einen die Tageslichtnutzung und hier vor allem die Diskussion von wesentlichen fensterbezogenen Einflussgrößen und Planungsverfahren.
Zum anderen die Kapitel, die sich mit dem Einbau des Fensters auseinandersetzen – hier werden hochgedämmte Passivhauskonstruktionen unter die Lupe genommen sowie Fragen der energiegerechten Fenstersanierung kritisch diskutiert.
Als letztes ist das Thema „Fenster in der Energiebilanz“ zu nennen, bei dem auf die Rolle des Fensters bei der Berechnung des Gesamtenergiebedarfs nach der neuen DIN V 18599 eingegangen wird.
GLASWELT: Welche aktuellen Trends sehen Sie bei Fenstern und Verglasungen?
Andreas Wagner:
Die bauphysikalischen Kennwerte der am Markt erhältlichen Produkte haben sich durch optimierte Produktionstechnologien weiter verbessert. Die Gebrauchstauglichkeit der neuen Passivhausfenster hat sich in der Praxis bestätigt. Bei den schaltbaren Verglasungen stehen zwei Produkte kurz vor der (Wieder-)Einführung in den Markt. Neue Entwicklungen sind auch im Bereich von VakuumVerglasungen zu beobachten sowie bei mikrostrukturierten Oberflächen zur Lichtumlenkung. GLASWELT: Wo liegen noch die besonderen Herausforderungen an Hersteller und Planer?
Andreas Wagner:
Die Anforderungen an Fenster und Fassaden sind sehr umfassend und insbesondere im Nichtwohnungsbau auch konträr. Wie erfülle ich einen hohen visuellen Komfort und sommerlichen Wärmeschutz, ohne den Wunsch der Nutzer nach Ausblick zu konterkarieren? Hier liegt meiner Meinung nach eine wesentliche Herausforderung, die nur gelöst werden kann, wenn die Fassade als Gesamtsystem gesehen wird. Im Hinblick auf die zukünftig verfügbaren Vakuum-Verglasungen stellt sich die Frage nach adäquaten Rahmen, die auch deren Bautiefe wieder reduzieren.GLASWELT: Welche Auswirkungen hat die neue EnEV auf den Umgang mit Fenstern und Verglasungen?
Andreas Wagner:
Die Berechnungsmethode für den Energiebedarfsnachweis von Nichtwohngebäuden ist (leider) sehr komplex geworden. Aber der Aufwand lohnt sich, weil damit erstmals auch die Kühlung und die elektrische Beleuchtung in der Bilanzierung berücksichtigt werden. Der Einfluss der Fenster wird hierbei offensichtlich. Gerade in Bürogebäuden schlummert da ein immenses Energieeinsparpotenzial. Durch eine entsprechende Auswahl von Fenster- und Verschattungssystemen sowie – ganz wichtig – mit einer maßvollen Dimensionierung von Glasflächen kann dieses erschlossen werden.GLASWELT: Welche Rolle spielt hinsichtlich der Energieeffizienz der sommerliche Wärmeschutz? Welche Entwicklungen gibt es auf diesem Sektor?
Andreas Wagner:
Der sommerliche Wärmeschutz hilft, Kühllasten schon vom architektonischen Entwurf her auf ein Minimum zu reduzieren. Dafür stehen eine ganze Reihe neuer innovativer (selektiver) Sonnschutzverglasungen und Verschattungssysteme am Markt zur Verfügung. Mit den vorgeschlagenen Normen prEN 14500 und 1501 ist der Vergleich verschiedener Systeme nun auch objektiv möglich.GLASWELT: Angesichts immer besserer Wärmeschutzwerte von Verglasungen und Fenstern: Empfehlen Sie die großflächige, raumhohe Verglasung?
Andreas Wagner:
Ich werde mich hüten, hier eine pauschale Antwort zu geben.
Im Buch werden die Randbedingungen sehr klar aufgezeigt: Grundlegend sind natürlich der Wärmeschutz im Winter und die Vermeidung sommerlicher Wärmelasten. Dazu muss die Frage beantwortet werden, inwieweit der Komfort in Fensternähe und die Tageslichtversorgung für den Raum gewährleistet sind.
Der Komfort wird wesentlich beeinflusst durch einen möglichen Kaltluftabfall bei großen Fensterhöhen. Es ist also zu prüfen, ob ein dauerhafter Aufenthalt am Fenster notwendig ist – wenn ja, sind entweder Gegenmaßnahmen durch Heizung oder Lüftung zu treffen oder die Fensterhöhe muss reduziert werden.
Für die Tageslichtversorgung eines Raumes spielt eine Verglasung der Brüstung keine Rolle – insofern macht man sich das Leben in Bezug auf solare Wärmelasten leichter, wenn man auf Transparenz in Fußbodennähe verzichtet.
Die Freiheitsgrade hinsichtlich der Glasflächen sind durch neue Produkte bei Fenstern und Sonnenschutzsystemen sicherlich deutlich größer geworden. Andererseits werden die Zielwerte für energieeffiziente Gebäude ständig ambitionierter. Ich werde nachdenklich, wenn – oft noch unter dem Deckmantel des energieoptimierten oder ökologischen Bauens - Fassaden geplant und verwirklicht werden, die das Beherrschen des Raumklimas nur mit großem Aufwand ermöglichen. Dies ist in meinen Augen nicht nachhaltig. |
Info
Im Fokus des BINE-Informationspaketes stehen Verglasungen und Rahmen für einen verbesserten Wärmeschutz. Hierzu werden die thermischen und optischen Kennwerte und deren Einfluss auf den Energiebedarf für Heizen, Kühlen und Beleuchten erläutert. Weitere Themen sind fortgeschrittene Wärmeschutzverglasungen, Tageslichtlenkung und Sonnenschutz.
Andreas Wagner,
Energieeffiziente Fenster
und Verglasungen,
3. vollständig überarbeitete Auflage 2007
Solarpraxis Verlag, Berlin
140 Seiten, 16,80 Euro
ISBN 978-3-934595-61-3
Autor
Prof. Andreas Wagner, geboren 1959, Professor für Bauphysik und Technischen Ausbau an der Universität Karlsruhe (TH), Fakultät für Architektur. Nach dem Maschinenbaustudium, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Freiburg). Seit 1995 Professur in Karlsruhe, seit 1999 Gründungspartner der ip5 Ingenieurpartnerschaft.
Forschungsschwerpunkte: Monitoring und Bewertung der Energie-Performance von Gebäuden, Regelungs- und Betriebsstrategien für HLK-Anlagen, thermischer Komfort in Gebäuden, Lichttechnik und visueller Komfort, Begleitung des Förderprogramms energieoptimiertes Bauen (EnOB; https://enob.info/) des Bundeswirtschaftsministeriums.