Gudrun Birkhan und Jörn Jessen-Hannula arbeiten beide auf dem Bau. Nicht nur die Branche verbindet die Architektin und den Projektmanager, sondern auch das Interesse an der Energieberatung. Beide absolvieren eine Weiterbildung zu diesem Thema. Eigentlich nichts Besonderes also, dass sich die Baufachleute regelmäßig im selben Klassenraum treffen – lägen zwischen ihren Arbeitsorten, dem finnischen Turku und dem arabischen Dubai, nicht rund 6700 Kilometer.
Möglich wird das gemeinsame Lernen durch das Internet: Der Klassenraum ist virtuell und der Lehrstoff kommt per E-Mail ins Haus. Birkhan und Jessen-Hannula sind Teilnehmer des webbasierten Fernlehrgangs Gebäudeenergieberater24. Ende März konnte das Öko-Zentrum NRW das 250. Zertifikat für die Weiterbildung aushändigen, die damit das erfolgreichste Angebot dieser Art in Deutschland darstellt.
Gebäudeenergieberater24, kurz: Geb24, vermittelt Baupraktikern ein Spezialwissen zu dem Arbeitsfeld, das im Namen bereits anklingt. „Ener-gie ist beim Bauen schon länger ein Thema. Aber die kommende Energieeinsparverordnung und die Klimaschutzdebatte haben das Interesse an entsprechenden Qualifizierungen noch einmal deutlich gesteigert“, freut sich der Geschäftsführer des Öko-Zentrums NRW, Manfred Rauschen, über den Zulauf.
Den großen Zulauf für das Bildungsangebot hatte das in Hamm ansässige Baufachinstitut nicht vorausgesehen, als es im Sommer 2005 den ersten Durchgang von Geb24 startete. Fünf bis sechs Kurse jährlich seien das Planziel gewesen, erinnert sich der Zentrumsleiter. Und ergänzt: „Derzeit müssen wir wegen der großen Nachfrage jeden Monat zwei auflegen“. Bis zum Sommer 2007 werden laut Rauschen fast 30 Durchgänge mit jeweils etwa 18 „Fernstudenten“ angelaufen sein.
Geb24 ist als berufsbegleitende Fortbildung konzipiert und kann in fünf Monaten durchlaufen werden. Worauf Birkhan, Jessen-Hannula und aktuell über 200 weitere Teilnehmer noch hinarbeiten, nämlich die Abschlussprüfung, hat Marion Höper bereits abgehakt. Die Ingenieurin für Bauwesen ist die 250. Absolventin, die den begehrten Nachweis in Empfang nehmen konnte. Aus diesem Anlass überreichte ihr Zentrums-Chef Rauschen zusätzlich zur Urkunde ein Software-Paket vom EDV-Partner des Lehrgangs, der Hottgenroth Software GmbH & Co. KG.
Wie die meisten ihrer Kurskollegen darf sich auch Höper über eine gute Abschlussnote – in ihrem Fall ein „Gut“ – freuen. Ansonsten aber ist die 35-jährige untypisch für die Lehrgangsteilnehmer: Bei denen handelt es sich nämlich überwiegend um Männer (82 %), und zwar um solche im mittleren Alter (um die 40 Jahre). Bei den Berufen rangieren die Architekten knapp vor den Bauingenieuren (38 zu 32 %), während sich der Rest zu etwa gleichen Teilen auf Handwerker, Bautechniker und Fachleute der technischen Gebäudeausrüstung verteilt.
Das Motiv für die Weiterbildung in Sachen Gebäudeenergieberatung ist fast immer die Absicht, in diesem Bereich künftig verstärkt tätig zu werden. Dass die Wahl dabei auf Geb24 fiel, begründen die meisten Teilnehmer mit den Optionen, die der Lehrgang über das Zertifikat hinaus bietet: Absolventen können die Aufnahme in die Vor-Ort-Beraterliste des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) beantragen. Gleiches gilt für das Verzeichnis der Energiepass-Aussteller, das die Deutsche Energie-Agentur (dena) führt.
Diese Vorteile waren auch für Höper ausschlaggebend. Mit ihrem Wohnort repräsentiert die Holzmindenerin ebenfalls den Querschnitt der Teilnehmer. Denn obgleich der Fernlehrgang von jedem Ort der Welt aus absolviert werden kann, sind Kunden wie Birkhan und Jessen-Hannula die Ausnahme. Rund die Hälfte stammt sogar aus Nordrhein-Westfalen. Das liegt weniger am dortigen Bekanntheitsgrad des Zentrums als am Lehrgangskonzept und den Ansprüchen der Nutzer: So ist ein wesentlicher Baustein für die angestrebte Praxisnähe der integrierte Workshop, in dem jeder Teilnehmer einen Beratungsbericht erstellt. Das Arbeitstreffen findet zentral in Hamm statt. Auch die Prüfung erfolgt nicht am Computer, sondern vor einer Fachkommission.
„Dass Fernstudenten die freie Zeiteinteilung beim Lernen sehr schätzen, aber auf den per-sönlichen Kontakt mit den Betreuern nicht verzichten wollen, ist auch aus Studien bekannt“, erläutert Zentrums-Chef Rauschen. Mit Stützpunkten, die die Fernlehrgänge auf regionaler Ebene betreuen, will er den Interessenten daher buchstäblich entgegenkommen. Eine erste Geschäftstelle in Stuttgart hat die Arbeit zum Jahreswechsel aufgenommen und bereits zwei Kurse gestartet. Weitere Regionalbüros sollen noch in diesem Jahr folgen.
Sie werden auch die anderen Kurse des Öko-Zentrums NRW managen. Denn Geb24 ist der erfolgreichste, aber nicht der einzige Fernlehrgang des Baufachinstitutes. Bereits seit 1999 ist die Einrichtung in der Fernlehre aktiv und gehört daher im Baubereich zu den Pionieren. Insgesamt haben bereits mehr als 700 Absolventen das Kursprogramm durchlaufen, das derzeit aus fünf Angeboten zum nachhaltigen und energieeffizienten Bauen besteht. Weitere sind in Vorbereitung. Neben der Fernlehre bilden Beratungen und Ingenieurleistungen die Schwerpunkte des Öko-Zentrums NRW, das 2007 auf ein 15-jähriges Bestehen zurückblickt.|
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