_ Die Anforderungen, die eine Glasbeschichtung erfüllen muss, hängen vor allem von den geografisch-klimatischen Bedingungen ab, unter denen das fertige Isolierglas eingesetzt wird. Ist (im Winter) die Temperaturdifferenz vom Innenraum nach außen hoch, muss der Wärmeverlust reduziert werden. Im mitteleuropäischen Raum werden dafür Low-E-Gläser auf der Basis von Silberbeschichtungen verwendet. Diese verhindern die Wärmeabstrahlung nach außen.
In Regionen mit hohen Durchschnittstemperaturen muss die Wärmestrahlung vorwiegend von außen reduziert werden. Dazu gibt es Sonnenschutzgläser, die die Wärmestrahlung der Sonne absorbieren bzw. reflektieren. Entscheidend für die durchgelassene Wärmestrahlung ist dabei der Energiedurchlassgrad (g-Wert), der für Sonnenschutzgläser i. d. R zwischen 0,2 und 0,5 liegt. Für Low-E-Gläser liegt der g-Wert bei etwa 0,6.
Die neue Beschichtung aus Vanadiumdioxid (VO2) kann beides: Der physikalische Prozess des thermochromen Schaltens von transparent zu transluzent lässt sich bei VO2 durch einen Phasenübergang von halbleitend zu metallisch erklären. Dieser Prozess erfolgt bei einer Übergangstemperatur von etwa 68 °C.
Dieser Übergang ist umkehrbar und geht mit einer Veränderung der optischen und elektrischen Eigenschaften einher. Bei niedriger Temperatur ( 68 °C) aufgrund seines metallischen Charakters infrarote Strahlung im Wesentlichen reflektiert.
Beim Übergang zur metallischen Phase verändert sich fast ausschließlich die Lichtdurchlässigkeit im nahen Infrarot. Das bedeutet, man sieht es nicht, da in dem für Menschen sichtbaren Bereich keine Veränderung auftritt.
Schalttemperatur bei 25 °C
Durch die Mischung von VO2 mit Fremdatomen (z. B. Wolfram oder Fluor) lässt sich die Übergangstemperatur auf 25 °C absenken, was den Einsatz als „intelligente“ Fensterglasbeschichtung möglich macht. Der g-Wert einer solchen thermochromen Beschichtung liegt im Niedrigtemperaturzustand je nach Schichtdicke zwischen 0,4 und 0,6. Bei Temperaturerhöhung sinkt der g-Wert um bis zu 0,15.
Die hier vorgestellte Beschichtung reguliert also die einfallende Sonneneinstrahlung vor allem im Infrarot-Bereich und lässt sich in Abhängigkeit von der Außentemperatur anpassen. Die Schicht ist damit in der Lage, im Winter die Wärmestrahlung der Sonne durchzulassen, um diese effektiv zu nutzen. Im Sommer kann die entsprechend geschaltete Schicht den Sonneneinfall durch eine sehr hohe Infrarotreflektivität blockieren, so bleibt der Innenraum kühl.
In kalten Regionen lässt sich diese thermochrome Beschichtung mit Low-E-Beschichtungen kombinieren, z. B. innerhalb einer 3-fach-Isolierglaseinheit. Hierzu bringt man das Vanadiumdioxid auf der Innenseite der äußeren Scheibe auf (Position 2).
Vanadiumdioxid wird zwar schon seit einigen Jahren als Fensterglasbeschichtung diskutiert, hat aber aufgrund seiner dunkelbraunen Färbung bei Kunden und Verbrauchern bisher wenig Zuspruch gefunden.
Bei dem aktuellen Projekt, wofür das 1. Physikalische Institut der Universität Gießen verantwortlich ist, wurde jetzt erstmalig an der Mischung von Vanadiumdioxid mit Erdalkalimetallen experimentiert. Dadurch konnte eine ansprechendere Farbe erreicht werden als bisher (großes Bild, linke Probe). Der Farbeindruck der Beschichtung wird dabei zu einem neutralen Grau, wodurch gleichzeitig auch die Transparenz für sichtbares Licht weiter gesteigert werden konnte.
Kostengünstige Herstellung möglich
Die neue Vanadiumdioxid-Beschichtung zeichnet sich im Vergleich zu bestehenden elektrochromen Beschichtungen durch eine „intelligente“, von der Außentemperatur abhängige Anpassung der Lichtdurchlässigkeit aus. Dazu kommt ihre unkomplizierte und vor allem kostengünstige Herstellung. Die neue, thermochrome Beschichtung kann mithilfe industriell üblicher Verfahren auf Standardgläser aufgebracht werden, zum Beispiel mittels Sputterdepositionsverfahren.
Darüber hinaus lässt sich die thermochrome Beschichtung sehr gut mit bereits bestehenden Standardbeschichtungen kombinieren. So können z. B. auch Kombinationen mit zusätzlichen Wärmedämmbeschichtungen umgesetzt werden.—
Der Autor
Physiker Marc Konstantin Dietrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am 1. Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Der Forschungsschwerpunkt des Doktoranden liegt in der Herstellung funktionaler Dünnschichten.