_ Große Fensterflächen, helle Flure, breite Türen und lichtdurchströmte Wohnräume zeichnen das Bauwerk aus der Feder des Berliner Architekten Roman Lichtl aus. Dessen Entwurf für das „Haus Rüsternallee“ ist das Ergebnis eines Architektenwettbewerbs, den der evangelische Träger, das Theodor-Wenzel-Werk e. V. (TWW), ausgelobt hatte. Das Haus sollte seine Bewohner im Sinne „der vierten Generation“ versorgen und für sie mit sogenannten Pflegeapartments gleichzeitig ein angenehmes und komfortables Wohnen gewährleisten. Dass diese barriere- und schwellenfrei gebaut wurden, war Teil der Bauaufgabe.
Grundlagen für barrierefreies Bauen in der Pflege
Wie für Pflegeeinrichtungen gefordert, wurde der Bau barrierefrei nach DIN 18040 - R erstellt. Daneben galt es die Landesbauordnung und das Heimgesetz zu erfüllen, welche jedes Bundesland individuell ausgestaltet.
Gerade im Bereich der Pflege sollte barrierefreies Bauen über technische Standards hinausgehen und Aspekte von Komfort und Sicherheit als Parameter des Universal Design in die wohnliche Gestaltung aufnehmen, so Architekt Roman Lichtl. Dies komme neben den Bewohnern hier auch dem Personal sowie Angehörigen und Besuchern zugute.
Wichtige Kriterien für die Bewohner
Das Haus spricht eine gehobene Zielgruppe an, wobei nicht nur Selbstzahler einziehen sollen. Für das Vorhaben investierte das TWW rund 12 Mio. Euro, was ein Drittel höher liegt als der geförderte Standard. Mit dem KFW 70-Standard entspricht die Bauweise den höchsten Anforderungen der Energieeffizienz für öffentliche Gebäude. Die Nutzung erneuerbarer Energien unterstreicht die ökologische Orientierung des Neubaus.
Die bauliche Umsetzung des „Haus Rüsternallee“ sollte zudem ein selbstbestimmtes Wohnen der Nutzer auch bei starker Pflegebedürftigkeit ermöglichen. Bestandteile der Umsetzung sind dabei:
- Optimale Leichtgängigkeit bei der Bedienung von Türklinken und Fenstergriffen sowie der automatischen Tür- und Fenstersysteme.
- Großformatige, bodentiefe Fenster. Der Blickkontakt nach außen, sprich die optisch Verbindung der Innen- und Außenräume ist gerade für Menschen mit motorischen Einschränkungen wichtig, um ihnen das Gefühl der Teilnahme am Leben im Gebäude zu geben.
- Intelligente Türsysteme mit Transpondertechnik schützen vor Weglauftendenzen bei Menschen mit Demenz.
Einen großen Wert hat der Trägerverein auf die Gestaltung gelegt. Eine markante ovale Form und ausgefallene architektonische Details kombinieren die Aspekte Design mit Wirtschaftlichkeit. Denn die ovale Form bedeutet für Bewohner und Pflegepersonal kurze Wege und ist so aus Sicht des Pflegebetriebs besonders wirtschaftlich.
„Die Architektur ist es uns das Wert“, so TWW-Geschäftsführer Ronald Wehner. Die Gestaltung sei für die Angehörigen ein wichtiges Entscheidungskriterium, wenn sie ihre Angehörigen ins Heim geben müssen.—
Das Fazit des Architekten
GLASWELT – Herr Lichtl, das Haus Rüsternallee ist seit fast drei Jahren in Betrieb. Welche Resonanz geben Ihnen Bewohner und Mitarbeiter?
Roman Lichtl – Ich erhalte noch immer viele positive Rückmeldungen. Die Bewohner schätzen den modernen, zweckmäßigen Bau mit seiner ovalen Form. Und das Personal versichert, es sei kein Vergleich zu den Einrichtungen, in denen sie vorher gearbeitet hätten, es gäbe fast keine Fluktuation.
GLASWELT – Welchen Stellenwert haben das Ambiente und die Architektur?
Lichtl – Die ungebrochen hohe Nachfrage an Interessierten verdeutlicht, dass sich Menschen trotz höherer Preise von der Architektur angezogen fühlen. Sie ist neben dem guten Ruf der Pflege der Hauptgrund, sich für diese Einrichtung zu entscheiden. Damit hat die Architektur wesentlich zum Erfolg beigetragen.
GLASWELT – Menschen wollen mehrheitlich zu Hause alt werden, ist das „Pflegeheim“ überhaupt noch zeitgemäß?
Lichtl – Aufgrund der demografischen Entwicklung wird der Anteil von älteren Menschen zunehmen, die nicht mehr in ihren eigenen vier Wänden adäquat versorgt werden können – Menschen mit Demenz oder schwerstpflegebedürftige Personen. So wird das Pflegeheim auch künftig zeitgemäß sein.
GLASWELT – Mit welchen baulichen Lösungen beantworten Sie den wachsenden Bedarf an altersgerechten Wohnungen?
Lichtl – Meines Erachtens sollte der Fokus auf die gesamte Bevölkerungsstruktur gelegt werden. Es geht letztlich um generationenübergreifende Ansätze und um ein lebenslanges selbstbestimmtes Wohnen. Ich spreche deshalb vom „alltagsgerechten“ Bauen. Damit meine ich die Möglichkeit zu schaffen, dass jede Generation in seinen Wohnungen lebt und dort auch älter werden kann, ohne dass Umbaumaßnahmen notwendig werden. Das bedeutet, bereits bei der Planung diese Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Ich denke, dass sich jeder über breite Türen und Schwellenlosigkeit in der Wohnung bis auf den Balkon hinaus freut. Meine Vision hierzu ist das kleine Mädchen, das mit ihrem Bobby Car in die schwellenlose Dusche rollt und vielleicht achtzig Jahre später dann mit dem Rollator.