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Ausbildung

Das Expertengespräch für Auszubildende im Metallbau

OStR Michael Höhler von der David-Roentgen-Schule in Neuwied unterrichtet Berufsschüler aus dem Metallbauerhandwerk. Sein pädagogisches Handeln umfasst unter anderem den Einsatz und die Weiterentwicklung des Expertengesprächs, bei dem im beruflichen Unterricht Fachleute aus unterschiedlichen Baugewerken Frage- und Ausgabenstellungen aus der Praxis mit den Schülern diskutieren und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Ein Konzept, das auch bundesweit Schule machen könnte.

GLASWELT: Herr Höhler, welche beruflichen Anforderungen werden heute an die Auszubildenden gestellt?

Der Erfinder des Expertengespräch OStR Michael Höhler - Höhler - © Höhler
Der Erfinder des Expertengespräch OStR Michael Höhler - Höhler
Michael Höhler: Heute ist der Fassadenbau und seine praktische Umsetzung von vielen Neuentwicklungen bei Isoliergläsern, Rahmenprofilen, Befestigungsmittel etc. geprägt, ebenso wie durch neue Fertigungs- und Montageverfahren. Schon heute wird von qualifizierten Facharbeitern neben Fertigung und Montage zunehmend auch das Bewältigen von komplexen Planungsarbeiten und deren Durchführung gefordert. Dieser Trend wird zunehmen. Dazu kommt, dass die künftigen Gesellen und Meister in der Lage sein müssen, sich auf verändernde berufliche Situationen einzustellen, selbständig nach Lösungen zu suchen und diese qualifiziert ausführen.

Zeitgemäßes berufsschulisches Lernen zielt darauf ab, dass die Schüler in gestalteten Lernumgebungen anhand ausgewählter beruflicher Realsituationen und Aufgabenstellungen selbstorganisiert Fachinhalte erarbeiten. Intension ist es, dass die Nachwuchskräfte neues Wissen erwerben und praxisorientierte Kompetenzen entwickeln.

GLASWELT: Wie setzen Sie das um?

Höhler: Das Expertengespräch ist mittlerweile ein wichtiger Meilenstein, durch das im Berufsschulunterricht ein enger Praxisbezug hergestellt wird. Dazu stelle ich Kontakte zu Unternehmen oder zu Hochschulen her, um von dort Spezialisten aus der Glas-, Fenster- und Fassadenbranche zu engagieren.

Die Berufsschule vermittelt den Schülern Praxiswissen, anhand ausgewählter beruflicher Realsituationen und Aufgabenstellungen - Höhler - © Höhler
Die Berufsschule vermittelt den Schülern Praxiswissen, anhand ausgewählter beruflicher Realsituationen und Aufgabenstellungen - Höhler
Mit den Expertengesprächen bieten  wir unseren Nachwuchskräften ein Forum, um mit externen Fachleuten zu diskutieren, um berufliche Situationen authentisch zu spiegeln, um unterschiedliche, branchenspezifische  Arbeitsprozess nachzuvollziehen.

Im Unterricht bereiten wir vorab die Berufsschüler methodisch und fachlich auf das kommende Gespräch vor, damit sie entsprechend in die Fachdiskussion einsteigen können, um einen optimalen Nutzen daraus ziehen zu können.

GLASWELT: Welche Impulse bringt das Expertengespräch für die Schüler?

Höhler: Aus der Lernpsychologie und aus eigener Erfahrung wissen wir, dass der Lernprozess durch den direkten Praxisbezug begünstigt wird. Im Expertengespräch werden die Auszubildenden mit einer realen Lernsituation konfrontiert. Durch eine Reihe von Fachfragen erfolgt im Gespräch dann eine theoretische Bewertung, die zur besseren Erfassung der Aufgabenstellung beiträgt.

urch interdisziplinäres Lernen soll der Metallbaunachwuchs heute praxisorientierte Kompetenzen zu erlernen. - Höhler - © Höhler
urch interdisziplinäres Lernen soll der Metallbaunachwuchs heute praxisorientierte Kompetenzen zu erlernen. - Höhler
Neben den Informationen aus Fachbüchern dienen die vom jeweiligen Experten präsentierten Informationen als wichtige Quelle. Dazu kommt dann der Fachdialog zwischen den Schülern und dem Experten, dessen Resultate zur Lösungsfindung herangezogen werden. Idealerweise werden die Lösungsansätze dann gemeinsam mit dem Experten in der Klasse erarbeitet. Die Schüler erhalten so die Möglichkeit, neue Kenntnisse zu erlangen, zu festigen sowie bekanntes zu überdenken und zu korrigieren. In diesem Prozess erweitern die Schüler ihr Wissen sowie ihre berufliche Handlungskompetenz.

GLASWELT: Wie reagieren die Schüler auf diese Art der Wissensvermittlung?

Höhler: Meine Erfahrungen aus der über sechsjährigen Arbeit mit und am Expertengespräch sind positiv. Die Themen werden aufgrund der unterschiedlichen Schwerpunkte in den Ausbildungsbetrieben unterschiedlich angenommen. Zudem spielen die individuellen Interessen der Schüler eine wichtige Rolle. Unsere Auswertungen belegen den Zuspruch der Schüler.

GLASWELT: Und wie sehen das die Betriebe?

Höhler: Aus Erfahrungsberichten von Schülern ist bekannt, dass die Ausbildungsbetriebe den Praxisbezug im Unterricht sehr schätzen. Insbesondere freut es mich, dass ein ehemaliger Schüler aufgrund des erworbenen Wissens im Expertengespräch ein Bewerbungsgespräch für sich entscheiden konnte und eine Stellenzusage bekam. Das bestärkt mich in meiner Arbeit.

Die Schüler nehmen das Expertengespräch sehr interessiert auf. - Höhler - © Höhler
Die Schüler nehmen das Expertengespräch sehr interessiert auf. - Höhler
GLASWELT: Wie profitieren die Firmen, wenn sich deren Mitarbeiter bei Ihnen im Unterricht engagieren?

Höhler: In Anbetracht des Fachkräftemangels hat der Firmenvertreter die Möglichkeit an unserer Schule, talentierte Fachkräfte zu sichten. Zudem präsentiert er ja seinen Betrieb und erhöht den Bekanntheitsgrad als zukünftiger Arbeitgeber. Weiter dient es der Imagepflege.

GLASWELT: Wie hat sich der Berufsschulunterricht gegenüber früher verändert?

Höhler: Der aktuelle Lehrplan für die Metallbauerausbildung umfasst 13 Lernfelder. Für deren Bearbeitung ist der klassische ausschließliche Frontalunterricht antiquiert und längst passé. Stattdessen versuchen wir heute Lernumgebungen zu gestalten, die den Schülern das eigenständige erarbeiten von Fachinhalten ermöglicht. Der Lehrer übernimmt dabei die Rolle des Moderators und Lernberaters, der den Schülern Impulse gibt. Die Methoden eines zeitgemäßen Unterrichts werden heute im Kontext der beruflichen Erfordernisse ständig weiterentwickelt und dienen nicht nur dem fachlichen Wissenserwerb, sondern zielen auf die Förderung der Methoden,- Personal- und Sozialkompetenz der jungen Fachkräfte ab.

. Im Expertengespräch werden die Auszubildenden mit einer realen Aufgabenstellung konfrontiert undlernen diese zu bewerten. - Höhler - © Höhler
. Im Expertengespräch werden die Auszubildenden mit einer realen Aufgabenstellung konfrontiert undlernen diese zu bewerten. - Höhler
GLASWELT: Was wollen Sie Ihren Schüler mit auf den Weg geben?

Höhler: Sie sollen befähigt werden, komplexe berufliche Aufgaben erfolgreich zu lösen. Das von mir entwickelte Expertengespräch ist aus der Überzeugung heraus entstanden, dass die Berufsschulausbildung und mithin unsere Auszubildenden durch eine engere Zusammenarbeit mit Praxisvertretern profitieren. Damit soll gleichzeitig auch dem Verfall an Fachwissen entgegengewirkt werden. Daher halte ich das Expertengespräch für eine zukunftsorientierte Unterrichtsmethode.  

Die Fragen stellte Matthias Rehberger