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Zerkratzte KaminBodenplatte

Das neue Parkett ist schön, das zerkratzte Glas weniger

_ Der Handwerker, der den Boden bearbeitet hatte, hinterließ eine zerkratze Bodenplatte, so die Aussage der Eheleute, die nach Beendigung der Bodenarbeiten den Schaden feststellten.

Sie melden den Schaden dem Handwerker mit der Behauptung, er habe zwar die Bodenplatte abgedeckt, dies sei jedoch nicht dicht genug erfolgt. Zwischen Abdeckung und Glasscheibe seien während der Schleifarbeiten Holzspäne eingedrungen, die beim Begehen der Abdeckfolie dann die Kratzer auf der Glasscheibe hinterlassen haben (Foto 01).

Der Handwerker lehnt die Bemängelung ab. Daraufhin beantragt das Ehepaar über einen Anwalt bei Gericht ein Selbstständiges Beweisverfahren mit folgender Fragestellung: „Sind die Kratzer auf der Glasplatte darauf zurückzuführen, dass durch die nicht fachgerechte Abdeckung der Glasplatte Holzpartikel zwischen Abdeckung und Glasplatte gerieten und diese durch Begehen mit Schuhwerk in die Glasplatte gedrückt wurden?“

Der Sachverständige soll für Klarheit sorgen

Anlässlich des anberaumten Ortstermins stellte der Sachverständige Folgendes fest: Der Kamin mit der Bodenplatte steht in einer Ecke des Wohnzimmers. Rechts und links vom Kamin befindet sich je eine Tür zum Flur und zur Küche. Bei der „streitgegenständlichen Glasplatte handelt es sich um eine Bodenplatte aus Einscheibensicherheitsglas, die den Parkettboden rund um den Kamin gegen Beschädigung und/oder Einbrände durch glühende Holz-/Kohlestücke schützt.

Auf der Oberfläche der Glasplatte befinden sich mehr oder weniger gleichmäßig verteilt gerade verlaufende Kratzer (Foto 01), so der Gutachter.

Sind Späne die Ursache? Glas hat eine Oberflächenhärte gemessen nach Mohs, die bei 5 bis 6 liegt. Nur Gegenstände deren Oberflächenhärte gleich hoch ist oder darüber liegt, wie z. B. Quarz (Mohshärte 7), Korund (Mohshärte 9) und Diamant (Mohshärte 10), können die Oberfläche von Glas zerkratzen. Holzspäne liegen weit unterhalb der Mohshärte von Glas und können selbst bei hohem Druck durch Schuhe keine Kratzer auf der Glasoberfläche verursachen, so der Sachverständige in seinem Gutachten.

Die Auftraggeber waren mit der Gutachteranwort nicht zufrieden

Mit dieser Antwort gaben sich die Eheleute als Antragsteller aber nicht zufrieden und beantragten bei Gericht die Beantwortung einer Ergänzungsfrage. „Ergänzend zum Sachverständigengutachten sollte der Sachverständige die Frage beantworten, ob die dokumentierten Kratzer auf der Glasplatte durch unsachgemäßen Kontakt, der vom Kläger verwendeten Schleifmaschine herrühren können.“

Die Antwort hierzu: Aus der Formulierung der ursprünglichen Fragestellung des Gerichts kann geschlossen werden, dass die Glasplatte eine Schutzabdeckung hatte. Wenn dem so war, kann die Schleifmaschine der Kläger keinen direkten Kontakt zur Glasoberfläche gehabt haben.

Und selbst wenn keine Abdeckung vorhanden war, können die festgestellten Kratzer nicht von der Schleifmaschine herrühren, weil sie, wie auf dem Foto 01 zu erkennen ist, einen mehr oder weniger geraden Verlauf haben. Kratzer, die von der rotierenden Bürste der Schleifmaschine herrühren, hätten einen eher bogenförmigen Verlauf.

Der Tipp des Sachverständigen:

Es zeigt sich einmal wieder, dass Handwerker vor Ausführung ihrer Arbeiten auch einmal einen prüfenden Blick auf die anderen Gewerke richten sollten, um auszuschließen, dass es nach Fertigstellung ihrer Arbeiten zu Streitigkeiten hinsichtlich der Beschädigung der anderen Gewerke kommt.

Hätte der Handwerker im aktuellen Fall die Bodenplatte vor Ausführung seiner Schleifarbeiten untersucht, wären ihm sicherlich die bereits vorhandenen Kratzer aufgefallen. Zu dem Rechtsstreit wäre es dann gar nicht erst gekommen.—

Anmerkung zum GutachterFall

Als neutraler Sachverständiger bin ich verpflichtet mich streng an die Fragestellung des Gerichts zu halten und nur diese zu beantworten. Das habe ich im vorliegenden Fall getan.

Es fällt jedoch auf, dass gleich rechts neben der Tür zur Küche ein Esstisch mit Stühlen steht, der den Weg zur Küche einengt. Es bleibt nicht aus, dass die Glasplatte beim Zugang in die Küche zumindest teilweise betreten wird. Gerade in diesem Bereich befinden sich die bemängelten Glaskratzer.

Diese Feststellung diente jedoch nicht der Beantwortung der Fragestellung und hat so in meinem Gutachten keine Erwähnung gefunden.

Der Autor

Wolf-Dietrich Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik.

IGA Institut für Glas-Anwendung

Tel. (0 23 02) 7 53 83

www.iga-chmieleck.de

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