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Solarthermie: Dünnglaselemente statt Kollektoren

Energie aus der Fassade

_ Solarthermische Anlagen finden immer mehr Verbreitung. Mit effizienten Wärmespeichern und modernen Heizsystemen kann die im Sommer gewonnene Wärme im Winter als Heizenergie genutzt werden.

Die Solarkollektoren konnten neben der Dachmontage bis dato nur an fensterlosen Fassaden zum Einsatz kommen. Für Bürogebäude mit überwiegend gläsernen Fassadenelementen und freier Sicht nach draußen waren sie kaum nutzbar.

Eine Lösung für gläserne Bürogebäude ist nur möglich, wenn die solarthermischen Funktionen innerhalb der Glas-Fassadenelemente, und nicht über die Solarkollektoren abgebildet werden. Der Prototyp eines von erfis neu entwickelten Systems wurde aktuell vom ift Rosenheim geprüft.

Das Fassadenelement besteht aus zwei Dünngläsern mit dazwischen liegenden Lamellen, die die Sonnenstrahlung absorbieren. Fluidführende Rohrleitungen an den Seiten leiten die thermische Energie weiter zum Wärmespeicher bzw. zum Heizsystem des Gebäudes. Die im Sommer gewonnene Energie steht im Winter als Wärme zur Verfügung. In den heißen Sommermonaten kühlen die Lamellen zugleich die Gebäudehülle und beschatten die Räume. Das System klimatisiert somit den Innenraum auf natürlichem Wege. Dadurch können Klimaanlagen gedrosselt oder sogar komplett abgeschaltet werden. Im Ergebnis sind rund 50 Prozent Energieeinsparung für ein Bürogebäude möglich. Die Lamellen sind so positioniert, dass die Sicht nach draußen erhalten bleibt.

Die Idee zu diesem funktionalen Fassadenelement entstand aus drei Gründen: Erstens kommt zunehmend Dünnglas für 2- und Mehrfach-Verglasungen bei Bürogebäuden zum Einsatz. Dünnglaselemente sind leichter als „herkömmliches“ Glas und verursachen somit niedrigere Material- und Einbaukosten.

Zweitens ist Solarthermie-Technik im Prinzip sehr einfach und technisch ausgereifte Wärmespeicher finden bei aktuellen Gebäudeplanungen stärker Berücksichtigung. Drittens gehören Sonnen- und Blendschutzsysteme zum Standard moderner Gebäudehüllen, da sie zur Energieeffizienz beitragen und die Nutzung des natürlichen Tageslichts verbessern. Der sommerliche Wärmeschutz wird in der EnEV auch gefordert.

Der erfis-Prototyp des Fassadenelements unterscheidet sich optisch von einem „normalen“ Fenster nur durch die dazwischenliegenden Lamellen. Anordnung und Winkel der Lamellen spielen ebenso eine Rolle, wie die Durchlaufgeschwindigkeit des Wassers, das die thermische Energie von den Lamellen aufnimmt. Das ift Rosenheim hat jetzt die Funktionsfähigkeit des Fassadenelements in einem mehrstufigen Verfahren getestet.

In seinem Prüfbericht hat das ift Rosenheim den Gesamtenergiedurchlassgrad (gtotal) der Verglasung und den Sonnenschutz nachgewiesen. Dieser Wert gibt an, welcher Anteil der Energie durch Sonneneinstrahlung in das Rauminnere gelangt und dort zur Erwärmung beiträgt. Im Prüfverfahren wurde gemessen, welche Leistung über die Lamellen und seitlichen, fluidführenden Rohre abgeführt wird.

Die Messung: Der Probekörper ist als Glaspanel mit fluidführenden seitlichen Abstandhaltern konstruiert. Wasser durchströmt diese Abstandhalter mit einem konstanten Volumenstrom, der periodisch gemessen wird.

Temperaturfühler erfassen kontinuierlich die Temperaturdifferenz zwischen Vorlauf und Rücklauftemperatur des Wassers an den Zuführleitungen. Aus den aufgezeichneten Werten des Volumenstroms der Temperaturdifferenz sowie der spezifischen Wärmekapazität des Kühlwassers wird die abgeführte Leistung berechnet.

Ablauf und Ergebnisse

Die Tests sollten folgende Fragen beantworten:

  • Ist die Einbindung der Lamellen geeignet, die absorbierte Energie an die fluidführenden Abstandhalter zu übertragen?
  • Wie viel Energie wird durch das Kühlwasser abgeführt und steht gegebenenfalls für andere Zwecke zur Verfügung?
  • Wie und in welcher Größenordnung beeinflusst die Kühlung den Gesamtenergiedurchlassgrad?

Das ift hat zwei Messabläufe vorgenommen. Der erste Testdurchlauf wurde mit einem Sonnenhöhenwinkel von 45 Grad und einer Einstrahlungsintensität von 573,6 W/m² durchgeführt.

Um valide Ergebnisse zu erzielen, wurden während der Testdurchläufe die Parameter geändert: Die Einstrahlung des Kühlwassers betrug zu Beginn 1,6 l pro Minute, zu einem späteren Zeitpunkt 5,4 l pro Minute. Die solare Bestrahlung wurde im Verlauf an- und ausgeschaltet.

Aus den Messungen lassen sich der Gesamtenergiedurchlassgrad g und die abgeführte Leistung (Kühlleistung) errechnen: Durch die Kühlung des Elements über die beiden seitlichen fluidführenden Abstandhalter verringert sich der Gesamtenergiedurchlassgrad g um 13 Prozent, von 45 auf 32 %. Dabei wurde eine Leistung von 150 Watt über die Kühlflüssigkeit abgeführt. Durch Erhöhung des Volumenstroms verringert sich die Oberflächentemperatur der Lamellen weiter. Gleichzeitig sinkt die Kühlwasser-Temperaturdifferenz zwischen Vorlauf und Rücklauf der seitlichen Abstandhalter. Aus den gemessenen Werten von Temperaturdifferenz und Volumenstrom errechnet sich in diesem Fall eine abgeführte Leistung von 212 Watt bei erhöhtem Volumenstrom.

Ein weiterer Messdurchlauf erfolgte unter geänderten Voraussetzungen: Hier betrug die Einstrahlung 0 Grad und die Einstrahlungsintensität 860,9 W/m². Dabei wurde untersucht, inwiefern sich die Werte ändern, wenn die seitlichen, fluidführenden Abstandhalter zusätzlich gedämmt und so nicht mehr direkt bestrahlt werden. Als Ergebnis wurde dabei eine Leistung von 123 Watt über das Kühlwasser abgeführt.

Die Dämmung der Abstandhalter gegen die direkte solare Bestrahlung verringerte zwar die Kühlleistung um 5 W, der Gesamtenergiedurchlassgrad g blieb dabei konstant bei 61 %. Daraus lässt sich schließen, dass der Hauptanteil der abgeführten Energie über die Lamellen erfolgt.

Die Messergebnisse weisen die Funktionsfähigkeit des Fassadenelements für die Gewinnung von Wärmeenergie und gleichzeitig der Klimatisierung der Gebäudehülle nach. Sie lassen sich zur abgeführten Leistung jedoch nicht 1:1 auf reale Bürogebäude übertragen. Sonneneinstrahlung, Jahreszeit, Gebäudearchitektur u.v.m. sind Faktoren, die auf den Volumenstrom und die Temperaturdifferenz Einfluss nehmen.

Doch fest steht, dass die einstrahlende Sonnenenergie von den im Fassadenelement integrierten Lamellen nicht nur abgewehrt, sondern absorbiert wird. Daher ist der Gesamtenergiedurchlassgrad für den Test interessant, da hiermit der sommerliche Wärmeschutz dokumentiert wird. Zugleich kann die Wärmeenergie wieder in die Lamellen zurückgeführt werden, um so das Gebäude zu beheizen. In den nächsten Schritten gilt es, die Schnittstellen zur Haustechnik zu schaffen und die gewonnene Energie in ensprechenden Speichersystemen (z. B. Erdwärmespeicher) verfügbar zu halten. Die Fassadenelemente können so einen Beitrag leisten, um energieeffiziente Bürogebäude zu schaffen, die fit für „Green Building“ sind. —

www.erfis.de

Moritz von Kunowski, CTO, erfis GmbH, Erfurt

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