Der Beklagte spielte in einer Spielothek eine Partie Billard mit einem Bekannten. Da es sich um sogenanntes Poolbillard handelte, führte der Beklagte zu Beginn des Spiels den Anstoß mit der weißen Billardkugel gegen die übrigen, in Dreieckform aufgestellten, Kugeln aus. Der Anstoß war so heftig, dass die weiße Kugel über den hinteren Tischrand hinaussprang, gegen eine rund 1,60 Meter (Bild 02) entfernte Glasscheibe flog und diese zerstörte (Bild 01). Dies ist soweit unstrittig.
Der Besitzer der Spielothek (der spätere Kläger) hatte daraufhin die Schadensansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Beklagten geltend gemacht. Diese bot jedoch lediglich eine hälftige Schadensregulierung an. Die Begründung: der Standort des Billardtisches sei zu nahe an der Fensterscheibe platziert und der Betreiber der Spielstätte hätte auch entsprechende Schutzmaßnahmen vornehmen können.
Daraufhin machte der Kläger die Ansprüche unmittelbar gegen den Verursacher geltend. Dessen Rechtsvertreter machte sich die Begründung der Versicherung zu eigen und ergänzte, dass die Scheibe bereits Vorschäden gehabt habe, die den Glasbruch zumindest begünstigt hätten.
Die Sache ging vor Gericht und ein Sachverständiger wurde hinzugezogen.
Der Sachverständige sollte bei seiner Untersuchung insbesondere darauf eingehen, ob eine Beschädigung nur dadurch erfolgen kann, dass die Kugel unsachgemäß fest angestoßen wird.
Weiter sollte geprüft werden, ob es auch durch einen normalen Anstoß möglich sei, eine derartige Beschädigung der Scheibe herbeizuführen. Darüber hinaus sollte er untersuchen, ob die Räumlichkeiten der Spielothek so ausgestattet sind, dass eine solche Beschädigung der Scheibe begünstigt wird; also mit anderen Worten, ob die Spielothek nicht uneingeschränkt für die Benutzung des Billardtisches geeignet ist.
Außerdem sollte er prüfen, ob die Scheibe bereits relevante Vorschäden aufwies, die den Schadenseintritt begünstigten.
Feststellungen beim Ortstermin
Bei dem Ortstermin stellte der Sachverständige folgende Sachverhalte fest:
- Der Billardtisch (2,88 x 1,62 m), von dem die Kugel in die Glasscheibe gestoßen wurde, steht in einem Eckbereich eines Raumes.
- Der Abstand zwischen der beschädigten Glasscheibe und der Vorderkante des Tisches beträgt ca. 1,60 m. Vor der Glasscheibe befindet sich in Bodennähe im Abstand von 20 cm ein 20 cm breiter Heizkörper.
Ausgehend davon, dass die Billardkugel vom Anstoßpunkt im hinteren Drittel des Tisches zunächst auf den Heizkörper und von hier in die Glasscheibe gesprungen ist, muss der Flugweg der Kugel etwa 3,60 m betragen haben. Der Klägervertreter legte ein Foto vor (Bild 01), welches den Bruchausgang mit vom Zentrum sternförmig auseinanderlaufenden Glassprüngen zeigt.
Die Beweisfrage lässt sich in drei Teile gliedern:
Frage 1: Kann eine Beschädigung nur dadurch erfolgen, dass die Kugel unsachgemäß fest angestoßen wird, oder ist es auch durch einen „normalen“ Anstoß möglich, eine derartige Beschädigung der Scheibe herbeizuführen?
Dazu der Sachverständige: Beim Poolbillard muss der erste Anstoß mit der einzelnen weißen Kugel in Richtung der übrigen, mittig auf dem Tisch versammelten anderen Kugeln derart kräftig ausgeführt werden, dass diese auseinander getrieben werden. Bei einem „normalen“ kräftigen Anstoß der Billardkugel wäre diese jedoch auf dem Tisch verblieben. Dass die angestoßene Kugel über den Tisch in die Glasscheibe gesprungen ist, lässt den Schluss zu, dass die Kugel unsachgemäß fest angestoßen wurde.
Frage 2. Haben die Räumlichkeiten der Spielothek die Beschädigung der Scheibe begünstigt?
Der Anwalt des Beklagten meint dazu: der Schaden wäre zu vermeiden gewesen, wenn man entweder den Billardtisch weiter vom Fenster entfernt aufgestellt hätte, oder wenn die Scheibe durch Maschendraht oder ähnliches geschützt worden wäre.
Dazu der Sachverständige: Das Aufstellen des Billardtisches in einer weiteren Entfernung zum Fenster ist aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich. Der Glasbruch ist ausschließlich durch den Anprall der unsachgemäß fest angestoßenen Billardkugel ausgelöst worden.
Die Frage, ob der Kläger mit einer unsachgemäßen Spielweise rechnen und deshalb die Räumlichkeit so ausstatten und/oder Maßnahmen zur Verhinderung des Anpralls der Billardkugel gegen die Glasscheibe vornehmen muss, ist aus Sachverständigensicht eine Rechtsfrage, die er nicht zu beantworten habe.
Frage 3: Wies die Scheibe bereits relevante Vorschäden auf, die den Schadenseintritt begünstigt haben?
Der Anwalt des Beklagten meint dazu, die Festigkeit der Glasscheibe war bereits gemindert, aufgrund der zum Zeitpunkt des Schadensereignisses niedrigen Außentemperaturen und der hohen Innentemperatur durch den vor der Scheibe stehenden Heizkörper. Des Weiteren auch dadurch, dass bereits früher Billardkugeln gegen die Glasscheibe geprallt seien.
Dazu der Sachverständige: Das vom Anwalt des Klägers vorgelegte Foto (Bild 01) zeigt den Bruchausgang mit vom Zentrum sternförmig auseinanderlaufenden Glassprüngen. Ein solcher sternförmiger Bruchausgang ist typisch für eine zu starke punktuelle Belastung durch einen mehr oder weniger „spitzen“, harten Gegenstand. Aus diesem Grund kann der Sachverständige den Glasbruch begünstigende relevante Vorschäden ausschließen.
Das Fazit des Gutachters
Im vorliegenden Fall ist der Glasbruch in der Spielothek ausschließlich durch den Anprall der viel zu fest (d.h. unsachgemäß) angestoßenen Billardkugel ausgelöst worden. Und der Beklagte trägt hierfür die Verantwortung.
Dass Glasbrüche durch Vandalismus, wie zum Beispiel durch Steinwürfe, Fußbälle oder Hagelschlag entstehen können, ist bekannt. Aber wie der vorliegende Fall zeigt, lassen sich auch mit einer zu stark gespielten Billardkugel durchaus Glasscheiben zerstören.
Der Autor
Dipl.-Ing. Wolf-Dietrich Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik und Glasanwendung.
IGA Institut für Glas-Anwendung
Wolf-Dietrich Chmieleck