Nicht nur der Sicherheitsgedanke, sondern auch Wünsche nach Transparenz im Gebäude, lassen sich mit Ganzglasgeländer bestens umgesetzen. Offene, helle Räume werden heute im modernen Wohnbau gefordert. Im zeitgemäßen Bürobau wird darüber hinaus großer Wert auf transparente Organisationsabläufe mit hellen, übersichtlich gestalteten Erschließungszonen gelegt. Die verbindende, nonverbale Kommunikation selbst über Stockwerke hinweg und die architektonische Transparenz erhält im fortschrittlichen Objektbau großen Zuspruch. Denn als äußeres Zeichen unterstützen transparente Innenräume gruppendynamische und arbeitsdynamische Prozesse.
Auch wird von Gebäudenutzern ein gleichmäßiges Streiflicht im Bodenbereich, insbesondere bei Treppen und Gängen, als sehr angenehm empfunden, was sich mithilfe von Glasgeländern und gläsernen Treppen umsetzen lässt. Damit kann man zudem dunkle Zonen in der Erschließung vermeiden.
Bei Ganzglasgeländern haben sich verschiedene Ausführungsarten etabliert. Die wichtigsten sollen hier zusammengefasst werden, denn die meist auf den ersten Blick nicht augenscheinlichen Unterschiede sind wesentlich und verdienen eine genauere Betrachtung.
I. Die klassische Glaseinspannung
Grundlage dieser konstruktiven Ausführung ist die Darstellung in der TRAV, wie dies beispielhaft Bild I zeigt. An eine tragende Konstruktion wird ein gebohrtes VSG (vorzugsweise aus 2 x ESG) mit einem Flachstahlband verschraubt. Die erforderliche Einspannhöhe wird mit mindestens 100mm angegeben. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei dieser Zeichnung um eine Prinzipdarstellung handelt, die nicht in jedem Fall ohne weiteres umsetzbar ist.
II. Maschinenbaukonstruktion
Wie eine Konstruktion buchstabengetreu nach dem Wortlaut der TRAV Kat. B aussehen kann, zeigt Bild II. Laut TRAV ist hier VSG zulässig, da es sich jedoch bei dem gezeigten Beispiel um eine gebohrte Ausführung handelt, wird allgemein VSG aus TVG aufgrund der höheren Reststandfestigkeit bzw. des Resttragverhaltens den Vorzug gegeben. VSG aus Float wäre ebenso denkbar, wenn örtliche Spannungsspitzen durch Lochbohrungen vermeidbar wären. Bei der Ausführung von VSG aus TVG ist zu beachten, dass TVG mit Lochbohrungen nur Zulassungen besitzt, wenn der Abstand zwischen Lochbohrungen und Glaskante mindestens 80mm beträgt. Eine Verwendung von nicht bauaufsichtlich zugelassenen TVG Produkten ist nicht vorgesehen. Der Lochdurchmesser der Bohrung ist in der TRAV mit 25 – 35mm angegeben. Diese Bohrungsgrößen machen Sinn, da sich Fertigungsungenauigkeiten und Herstellungstoleranzen vielfach überlagern und so ausreichend Spiel gegeben ist, um den Glas-Metall-Kontakt zu unterbinden. Um eine gleichmäßige Krafteinleitung zu erreichen, fordert die TRAV, dass die Verschraubung in der Mitte des Flachstahlbands vorzusehen ist. Kumuliert man all diese Aussagen ergibt sich eine Einspannhöhe von mind. 190mm für VSG aus TVG. Das Flachstahlband mit einer laut TRAV vorgesehenen Mindestdicke von 12mm hat bei einer üblichen Lieferbreite von 200mm ein Gewicht von ca. 19kg/lfm. Der Verschraubungsabstand beträgt in der Regel ca. 300mm. Bei Bild II wurde gleichermaßen berücksichtigt, dass die Glaselemente, um eine gleichmäßige Krafteinleitung zu erreichen, nicht örtlich geklotzt oder unterlegt werden dürfen. Das bedeutet, dass ein Versuchsaufbau der Einbausituation jedes einzelnen, verbauten Glaselementes entsprechen muss.
Dies wird schwierig, wenn man einerseits die Planitätsabweichungen des Glases berücksichtigt und anderseits eine Konstruktion herstellen soll, die absolut plan ist und so montiert werden kann, dass die Glaselemente prinzipiell absolut senkrecht stehen, ohne „unsaubere“ Hilfsmittel wie z.B. örtliche Klotzungen zu verwenden. Aus diesem Grund zeigt Bild II eine verschraubte Konstruktion, denn eine verschweißte Konstruktion mit Schweißverzug, aber auch feuerverzinkte Konstruktionen oder nicht einwandfreies Rohmaterial, sind aus den genannten Gründen kaum vorstellbar.
Abgesehen von der TRAV stellt sich der Praktiker oft die Frage, wie bei der Montage den arbeitsrechtlichen Minimalerfordernissen entsprochen werden kann: Wie lässt sich beispielsweise ein 3 m langes Glaselement mit einem Eigengewicht von ca. 210kg und einer Klemmplatte mit ca. 57kg Gewicht, in gefährlichen Montagenbereichen (Absturzgefahr) während der Bauphase tatsächlich montierten?
III. Klebekonstruktion
Eine geklebte Konstruktion wie in Bild III zu sehen ist, stellt eine praktikable Lösung dar. Die Stahlkonstruktionen können mit geringfügig erhöhtem Aufwand relativ plan hergestellt werden. Nach der Montage der Unterkonstruktion sind die Stahlprofile mindestens örtlich mit genau dem gleichen Material der Hinterfüllung auszukleiden, sodass ein Glas-Metall-Kontakt vermieden wird. Danach ist der Freiraum zwischen Stahl und Glas möglichst blasenfrei mit 2-Komponenten-Kleber zu hinterfüllen. Üblicherweise wird dabei das Profil vorab bis zu einer gewissen Höhe gefüllt, um das Glaselement anschließend einzudrücken. Überflüssiges Klebematerial sollte man umgehend entfernen. Es ist darauf zu achten, dass die Auflagerung im gesamten Glaseinspannungsbereich gleich beschaffen ist. Weiter sollten auf der Baustelle die gleichen Arbeitsbedingungen wie in der Werkstatt geschaffen werden. Die Mischung und Implementierung des Klebers auf der Baustelle sowie die Prozessdauer und Prozessgenauigkeit stellen hohe Anforderungen an das Montageteam. Bei der beschriebenen Klebekonstruktion ist ein Scheibenaustausch bzw. eine Reparatur, wenn nicht unmöglich, zumindest sehr abenteuerlich.
IV. Punktgehaltene Konstruktion
Die in Bild IV dargestellte Punkthalterkonstruktion bedarf in Deutschland einer Zulassung im Einzelfall. In Österreich ist diese Befestigung in der ÖNORM B 3716 Teil 3, offensichtlich auf Grundlage zahlreicher Berechnungen und Versuche, klar geregelt. Ein minimaler Lochbohrungsabstand von 150mm und ein Randabstand von minimal 80mm bei TVG, sind zu beachten. Die Lochbohrungen sind entweder paarweise übereinander oder auch versetzt mit einem Maximalabstand von 300mm anzuordnen, was bedeutet, dass pro Laufmeter etwa sieben Punkthalter mit Lochbohrungen erforderlich sind. Die Punkthalter sind auch so auszubilden, dass eine im unbelasteten Normalzustand spannungsfreie Glasmontage möglich ist.
V. Modulbauweise
Es gibt heute bereits patentierte Systeme am Markt, die die Vorteile der Ausführungen I bis IV in sich vereinen, wie Bild V zeigt. Auf der Grundlage einer Elementbauweise mit hohem Vorfertigungsgrad werden dabei Glas- und Metallelemente bereits im Werk vollautomatisch unter optimierten Bedingungen und sehr hoher Prozesssicherheit miteinander verbunden. Solche vorgefertigten Bauelemente lassen sich beispielsweise in ein vorab montiertes Profil einhängen und können dann fein justiert und spannungsfrei mit diesem Profil verschraubt werden. So wird sichergestellt, dass jede einzelne Anwendungssituation der System-Prüfung entspricht und die geprüfte Einbausituation auch auf die Anwendung auf der Bausstelle übertragbar ist. Bei den Systemgebern sind häufig viele mögliche Einbausituationen erfasst und in einer umfangreichen Datenbank gesammelt, die den Verarbeitern zur Verfügung gestellt werden können. Dadurch sind keine Sonderlösungen mehr erforderlich, die jedes Mal neu erfunden werden müssen. Die Montagezeiten lassen sich zudem auf ein Minimum reduzieren. Die geprüften Systeme, die es am Markt gibt, besitzen umfangreiche statische Nachweise. Solche Versuchsnachweise mit hunderten von getesteten Gläser untermauern die Sicherheit der Konstruktion und der eingesetzten Produkte.
Glas und Metall bilden bei geprüften Glas-Metall-Konstruktionen eine Einheit und können auch bei Kleinaufträgen fix und fertig auf die Baustelle geliefert werden. Die Fertigung erfolgt auf Grundlage eines Freigabeplans der, meist ohne gesonderter Verrechnung (im Angebotspreis enthalten) erstellt wird und zur Freigabe gelangt. Dieser Freigabeplan ist dann Grundlage der Ausführung. So ist von dem Anbieter vor Ort nur ein Aufmaßplan bzw. eine Skizze erforderlich. Auf Wunsch kann häufig sogar die Montage mit angeboten und ausgeführt werden.
Dadurch können auch Glaser und andere Glas verarbeitende Handwerker diese geprüften Produkte einbauen, sofern sie sich nach den Vorgaben der Systemgeber richten. Damit sind der Einbau solcher Ganzglaskonstruktionen nicht mehr wie früher üblich nur dem spezialisierten Metallbauer vorbehalten.
VI. Plan montierte Konstruktion
Die Ausführung in Bild VI zeigt beispielhaft ein neues Produkt am Markt und wirft einen Bilck auf künftige Entwicklungen. Bei dieser plan montierten Konstruktion wird wieder Glas und Metall als Einheit vorverbunden und dann als fertiges Bauelement in die zuvor montierte Konstruktion gehängt. Das besondere ist dabei, dass die Konstruktion außen absolut plan ist, ohne abstehende Profile, Klemmplatten etc. Dies ist durch eine statische Verklebung mit geprüfter Sicherung möglich - eine zukunftsweisende Entwicklung.
Ausblick
Die angeführten Konstruktionsbeispiele zeigen verschiedene Möglichkeiten, auf die der Verarbeiter zurückgreifen kann, abhängig von der jeweilige Einbausituation. Das Ganzglasgeländer ist heute in der täglichen Praxis kein Einzelfall mehr, trotzdem sind geprüfte Lösungen in der Branche noch wenig bekannt. Durch die richtige Wahl der Konstruktion ist für den Verarbeiter eine Planungs-, Ausführungs- und Nachweissicherheit gegeben und ein problemloser Einsatz mit relativ wenig Konstruktionsaufwand möglich.
Ein Blick in die Branche zeigt, dass künftig eine Reihe neuer und vielfältiger Entwicklungen bei Stahl-Glas- sowie Ganzglas-Konstruktionen zu erwarten ist.|
Autor
Bernhard Feigl ist geschäftsführender Gesellschafter der Glas Marte GmbH, Bregenz.
Tel. (+43) 55 74 67 22 - 0