_ Der neue Verbandspräsident Detlef Timm (58) ist Wirtschaftsingenieur und zusammen mit seinem Bruder Bernd Geschäftsführer des Unternehmens Hans Timm Fensterbau in Berlin, das von seinem Vater gegründet wurde und sich über die Grenzen Berlins hinaus in ganz Deutschland als Hersteller für hochwertige Fenster einen Namen gemacht hat.
Timm nannte das einheitliche Auftreten des Verbandes im Interesse der gesamten Branche, die noch bessere Nutzung der Informationsmaterialien des Verbandes wie Merkblätter und Leitfäden sowie die Werbung neuer Mitglieder als erste Schwerpunkte seiner Amtsführung.
Große Vorgänger-Fußstapfen
„Ich weiß, dass ich in die großen Fußstapfen meines Vorgängers trete“, erklärte Präsident Timm. „Deswegen werde ich mich darum bemühen, dieses Amt auch in seinem Sinne kontinuierlich weiterzuführen. Wobei ich mich, wie ich weiß, auf die gut aufgestellte Geschäftsstelle um Geschäftsführer Ulrich Tschorn verlassen kann.“ (Lesen Sie auch das Interview mit Detlef Timm auf S. 64).
Europa auf der Agenda in Palma
Am Donnerstag hatte der scheidende VFF-Präsident Bernhard Helbing den Jahreskongress mit den Worten eröffnet: „Unser Programm ist gespickt mit europäischen Themen – das kann man nicht in Deutschland besprechen. Ein Grund mehr, dass wir den Tagungsort Palma de Mallorca ausgewählt hatten.“ Rund 160 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt und hatten im weiteren Verlauf unter anderem die Gelegenheit, Peter Rathert vom Bundesbauministerium, den bekannten Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach und Prof. Dr. mult. Franz-Josef Radermacher von der Universität Ulm und Mitglied des Club of Rome zu erleben.
Was steckt in der neuen EnEV?
Dabei gab Peter Rathert einen Überblick über den Stand der neuen EnEV 2016 und was bei einer Neufassung der Verordnung zu erwarten ist. Er konstatierte, dass die Europäische Kommission gerne bereits einen Gebäudestandard von 30 kWh/m²a etablieren würde, was vergleichbar wäre mit einem KfW45-Haus. Aus der Sicht des Ministeriums sei aber finanziell allenfalls ein Effizienzhausstandard 55 vertretbar. Die avisierten Anforderungen seien also aus Regierungssicht zu hoch und auch die Wohnungswirtschaft habe wohl schon „gemeckert“, so Rathert. Schließlich müsse eine EnEV-Verschärfung auch noch bezahlbar sein.
In diesem Zusammenhang haben sich wohl Kanzlerin Merkel und Bauministerin Hendricks für „mehr Klimaschutz ohne höhere Kosten“ ausgesprochen. Die Zusammenlegung von EnEV und EEWärmG könne diesem Ziel zuträglich sein. Rathert bekennt aber auch: „Vieles wird im Ministerium vom Umweltamt bestimmt.“
Absage an eine Bundesbauordnung
Eine Absage erteilte Rathert einer Forderung von Helmut Hilzinger, der sich dafür aussprach, dass die Landesbauordnungen in eine bundesweite Bauordnung zusammengefasst werden müssten. Rathert: „Das haben wir schon oft diskutiert – gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Aber das verpufft jedes Mal.“ Der Leidensdruck sei aber wohl nicht groß genug, vermutet er und die Länder gäben ungern Kompetenzen ab. Eine Bundes-Musterbauordnung sei zwar „in der Mache“ – skeptisch zeigte er sich aber, ob die Länder das dann auch umsetzen würden.
Auch im Cockpit muss man sich verstehen
Da alle Tagungsteilnehmer per Flugzeug zum Kongress angereist waren, passte der Vortrag von Pilot und Fluglehrer Peter Brandl gut zur Agenda: Er vermittelte den Unternehmern den Zusammenhang zwischen dem Steuern eines großen Flugzeugs und dem Manövrieren einer Firma. Für ihn gibt es drei wesentliche Erfolgsbausteine: Verantwortung, effektive Kommunikation und gute Vorbereitung. Nebenbei beleuchtete er seinen Grundsatz als Fluglehrer: „Erfahrung ist die Summe aller überlebten Fehler“.
Wer schreibt, der bleibt
Prof. Niemöller ging in seiner kurzen Session unter anderem auf einen Fall ein, der zur richterlichen Entscheidung vorliegt. Dabei habe der Fensterbauer es versäumt, auf ein mögliches Problem aufgrund eines unzureichenden Nutzerverhaltens hinzuweisen. Jetzt würde darüber entschieden, ob der Hersteller auch zur Haftung herangezogen werden kann.
Nebenbei wies er darauf hin, dass man Mängelrügen besser per „echte“ Schriftform übermitteln solle. Die digitale E-Mail-Übermittlung von Mängelrügen sei nicht immer anerkannt.
Eine Lanze für das Holzfenster
Einen umfassenden Rundumblick über die Globalisierung, Welternährung, den Umweltschutz und was da auf uns zukommt lieferte Prof. Dr. mult. Franz-Josef Radermacher. „Das eigentliche Problem ist die anwachsende Weltbevölkerung“, war die Ausgangsposition seines Vortrags. Es müsse darum gehen, möglichst viel CO2 zu binden bzw. den CO2-Konsum zu verringern. Aber: „14 Mio. t CO2 einzusparen durch eine EnEV-Verschärfung hat für das Klima einen äußerst geringen Effekt.“ Die horrenden Summen, die dafür ausgegeben werden, sollten seiner Meinung nach viel sinnvoller an anderer Stelle eingesetzt werden. Eine Lanze brach er in seinem Vortrag aber dennoch für das Holzfenster: Es sei das einzige Material, das dazu beiträgt, CO2 aus der Atmosphäre zu binden.
Gut angekommen waren auch die Ausführungen von MdB Wolfgang Bosbach, der zuallererst auf die Bedeutung des europäischen Gedankens hingewiesen hatte: „Frieden und Verständigung ist das höchste Gut hier bei uns – der Euro ist nur die Währung der EU.“ Zugleich untermauerte er seine Kritik an der Griechenland-Rettung durch die europäischen Finanztöpfe: Er sieht hier das wichtige Grundprinzip der EU und aller anderen föderalen Strukturen aus dem Gleichgewicht: „Handlung und Haftung gehören zusammen.“
Helbing: ein Meister des Zitats
Dann kurz vor der Mitgliederversammlung beendete Franz Hauk mit seiner Laudatio die Ära des scheidenden VFF-Präsidenten. „Er wusste immer was wichtig, was dringlich für die Branche war und er hat es immer gleich angefasst.“ Zugleich überraschte Helbing immer mit einem sehr treffenden Zitat, hob er hervor. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es – dieses Zitat von Erich Kästner könnte als Motto über den Dienstweg von Bernhard Helbing stehen. Als Mann der Tat und des konstruktiven Weges hat er immer den Schlüssel zur guten Tag gesucht – und auch gefunden.“ —
3 Fragen an Detlef TImm
GLASWELT – Wann ist in Ihnen der Entschluss gereift, Präsident sein zu können und zu wollen? Hatten Sie Bedenken, dass die Zeit Ihnen dann in der Ausübung Ihrer Geschäftsführer-Tätigkeit im eigenen Betrieb fehlt?
Detlef Timm – Natürlich war das keine Entscheidung, die ich über Nacht getroffen habe. Zunächst habe ich mich innerhalb der Familie abgestimmt. Wir führen unser Unternehmen ja schon in der dritten Generation. Da ist es gut und auch erforderlich, wenn man so ein Amt antreten will, dass die gesamte Familie mitzieht. Grundsätzlich ist mir als „Objekter“, der mit allen Werkstoffen vertraut ist, die Bedeutung des Verbandes für die Branche und das Gewicht der Branche im Rahmen der Bautätigkeit schon lange klar. Mein Rollenverständnis als Präsident erfordert in diesem Sinne auch eine klare Trennung der Amtsgeschäfte von den Geschäftsinteressen unseres Unternehmens. Übrigens: Endgültig gereift ist mein Entschluss für dieses Amt im März auf dem Heimweg von Nürnberg unter dem Eindruck der faszinierenden Leistungsschau unserer Branche auf der FENSTERBAU FRONTALE.
GLASWELT – Was sind die Stärken des Verbands, die Sie noch mehr herausstellen wollen? Wo sehen Sie Baustellen? Welche persönlichen Akzente möchten Sie setzen?
Timm – Der Verband ist breit und gut aufgestellt. Mir persönlich liegt beispielsweise viel daran, dass die Merkblätter noch stärker wahrgenommen werden und auch vom letzten Mitglied unserer Branche genutzt werden. Wenn wir Fenster, Fassaden und Außentüren „Made in Germany“ erfolgreich vermarkten wollen, sind die technischen, juristischen und darüber hinausgehenden Informationen der Merkblätter, Richtlinien oder Leitfäden unverzichtbar. Weiterhin möchte ich das Gehör, welches wir mittlerweile dank der Arbeit meiner Vorgänger Franz Hauk und Bernhard Helbing bei der Politik finden, auch weiterhin nutzen und wenn möglich noch stärken. Aktuelle Themen, die ich für besonders wichtig halte, sind die derzeit diskutierte Zertifizierung von Holzprodukten bis zum letzten Nachunternehmer („CoC“) sowie die für unsere Branche und den Mittelstand insgesamt besonders drängenden Probleme, welche sich aus dem Paragrafen 133 der Insolvenzordnung ergeben, der es ja dem Insolvenzverwalter ermöglicht, das bereits geflossene Geld von den Gläubigern zurückzufordern – bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren. Hier ist eine Novellierung dringend nötig. Bei dieser Aufgabe kann ich mich auf Vorarbeiten der Geschäftsstelle und auf die Unterstützung der Baurechtler der Kanzlei SMNG aus Frankfurt am Main verlassen.
GLASWELT – Ist es von Vorteil, dass mit Ihrem Firmensitz der Verband nun quasi ein Hauptstadtbüro besitzt? Haben Sie Erfahrung mit der Lobbyarbeit?
Timm – In Ihrer ersten Teilfrage liegt ein Missverständnis, das ich gerne aufkläre. Nicht unser Firmensitz soll als Hauptstadtbüro oder besser als Hauptstadtrepräsentanz des VFF genutzt werden, sondern eine andere Adresse in Berlin. Dies sichert uns nicht nur kurze Wege bei kleinen Gesprächsrunden, sondern erleichtert der Politik auch den Besuch bei uns, weil Firmen- und Verbandsthemen deutlich getrennt werden können.Im lokalen und regionalen Bereich sind wir in der Tradition unseres Seniors Hans Timm schon lange politisch aktiv. Aber natürlich ist Lobbyarbeit auf Bundesebene oder gar im europäischen Rahmen noch eine ganz andere Aufgabe. Diese Herausforderung nehme ich gerne an, zumal ich meine Vorgänger und auch Ulrich Tschorn von der Geschäftsstelle als kompetente Unterstützung hinter mir weiß.
Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.