_ Die Glasbranche steht am Wendepunkt, so der Tenor vieler Vorträge und Meinungen in Tampere, denn Glas wird immer digitaler. Diese Meinung vertrat auch Glaston CEO Arto Matsänen bei seiner Auftaktrede: „Durch Smart Glass wird sich die Branche in den nächsten 10 Jahren stärker verändern, als in den 50 Jahren davor“.
Diese Ansicht teilte auch Jean Paul Hautekeer, von Dow Corning: „Die Glasbranche befindet sich am Turning-Point in die Digitalisierung und vieles Altbekannte wird sich ändern. Wir freuen uns darauf.“
Die Digitalisierung von Glas bringt viele Vorteile, sie mache den Nutzern nicht nur das Leben leichter, sie bietet auch die Chance, mit attraktiven Produkten wieder bessere Margen zu generieren. Dazu komme, dass die Glasbranche mehr neue Produkte brauche, und vor allem auch schneller.
Frische Impulse von außen
Dies vor Augen hat die GPD Macher dazu bewogen, zum 25. Jubiläum das Format der Tagung zu modernisieren, u. a. mit dem Programm Step Change, das helfen soll die Innovationsgeschwindigkeit im Glassektor zu beschleunigen Dabei wurden neue Zielgruppen angesprochen, d. h. es waren 35 Startups als Aussteller vor Ort, die teils mit der Glasbranche auf den ersten Blick wenig zu tun haben.
GPD Erfinder Jorma Vitkala erläutert das neue Konzept gegenüber der GLASWELT: „Mit Step Change wollen wir neue Impulse schaffen. Wir wollen, dass die Branche voranschreitet und nicht stehen bleibt. Zudem besteht die Gefahr, dass Branchenfremde in die eingesessenen Glas-Märkte eindringen, zum Nachteil der tradtionellen Player. Mit unserem Step Change Programm haben Glas-Unternehmen die Chance, potenzielle Partner kennenzulernen, mit denen gemeinsam neues Entstehen kann, insbesondere auf der Produktebene. “
Die Startups sollten u. a. helfen, neue, digitale und elektronische Glasanwendungen schneller zu konzipieren und bis zur Marktreife umsetzen.
In Tampere hatte man das Gefühl, diese Rechnung ging vielfach auf, denn das Interesse der Glasfirmen war sehr groß und viele gemeinsame Gespräche mit den Startup-Firmen scheinen vielversprechend. Dazu Peter Dixen, A+W-Geschäftsführer: „Ich spüre bei den GPD einen guten, frischen Wind. Eine gute Veranstaltung, auch mit Step Change und den Startups, das bringt neue Ideen.“
Neues GPD-Konzept
Die GPD fand diesmal an einem neuen Tagungsort statt und waren in einer einzigen großen Halle untergebracht, mit den Ausstellungsständen in der Mitte und offenen Vortragsbereichen an den Rändern. Dies fand den Zuspruch der Aussteller aufgrund der höheren Frequenz der Besucher, die immer wieder die Ausstellungbereiche queren mussten. Dazu Hegla Geschäftsführer Manfred Vollbracht: „Die Neugestaltung der GPD sehe ich positiv. Kurze, schnelle Wege sowie genügend Raum für Networking und gute Gespräche. Alles in allem eine gute Veranstaltung.“
Und Besucher Paul Bastianen: „Mir hat das Konzept mit nur einer Halle gut gefallen. So war ein schneller Wechsel von Vortrag zu Vortrag nicht mit langen Wegen verbunden. Und die Idee, dass sich die Branche Impulse und neue Partner auch von außen holt, kann ich nur gutheißen.“
Intelligente Gläser für die Zukunft
Die digitale Weiterentwicklung von Glas fasste Architekt James Carpenter aus New York sehr prägnant zusammen: „Glas wandelt sich vom reinen Bau-Werkstoff zu einer Kombination aus Werkstoff, Informationsträger und Kommunikationsmittel.“
Vor Ort war auch der Technologiekonzern Merck. Bei dessen schaltbaren Gläsern auf Flüssigkristall-Basis lassen sich Schaltzeiten ohne Verzögerung umsetzen. Dazu Rainer Reeff, der bei Merck dem Geschäftsfeld Flüssigkristalle Performance Materials vorsteht: „Wir bringen zwei Welten zusammen, Flüssigkristall Technologie und Isolierglas.“ Im Gespräch mit Neeff war zu erfahren, dass Merck eine neue Pilot-/Massenproduktionslinie für schaltbare Gläser mit einer Kapazität von 70 000 m2/a bis Ende des Jahres fertigstellen will. Der Produktionsstart ist Anfang 2018 Die Investitionen in die Linie liegen bei 20 Mio. Euro.
Bei ihrer GPD Premiere durfte sich die Lightglass Technology GmbH aus Wien freuen: Sie wurde das Startup für sein selbstleuchtendes Glas bei der Step Change Competition ausgezeichnet.
Anisotropien bei ESG im Fokus
Eine Reihe von Vorträgen widmete sich der Problematik von Anisotropien bei vorgespannten Gläsern. Gerade im angelsächsischen Raum werden diese Doppelbrechungen bei Fassadengläsern als optischer Mangel bewertet und müssen ausgetauscht werden. Wie sich produktionsbedingte Rollerwaves, die zu Anisotropien führen, beim Vorspannen verhindern lassen, zeigte u. a. Hersteller Glaston mit seiner neuester Ofentechnik.
Vorgestellt wurden weiter Scanner- und optische Messverfahren, deren Bewertungen auf Basis von Polfiltern erfolgen. Wie man die Spannungen im Glas sowie die Orientierungen von Doppelbrechungen auch qualifiziert messen kann, stellen wir in der September-Ausgabe der GLASWELT vor.
Der Besuch der GPD hat sich in den Augen von Besuchern und Ausstellern wieder einmal gelohnt, da er den Blick auf künftige Entwicklungen in allen Bereichen der Glasbranche schärfe, so der Tenor der Gespräche mit den Protagonisten in Tampere. —