_ Das Hauptgeschäft für Isolierglashersteller, die Belieferung von Fenster- und Fassadenbauern, ist heute ein Geschäft mit eher schmalen Margen. Doch es gibt noch andere Märkte: z. B. einen mit 100 Mio. m² an Einfachglas (mit Tüchern als Wärmedämmung) und einem durchschnittlichen Jahresenergiebedarf von rund 350 kWh/m². Was nach energetischen Bausünden aus der Vergangenheit klingt, sind aktuelle Zahlen aus den Niederlanden, und zwar in Bezug auf Verglasungen für Gewächshäuser. In Deutschland sind die Zahlen etwas kleiner.
Maximale Lichtdurchlässigkeit, steuerbarer Sonnenschutz, hohe Wärmedämmung und die Möglichkeit Schnee abzutauen, bei geringen Kosten – so sieht die optimale Glaseindeckung für Gewächshäuser aus. Eine ungehinderte Durchsicht ist nicht nötig, diffuses Licht sogar von Vorteil.
Bei diesen Anforderungen lässt sich eine Vakuumverglasung völlig neu durchdenken, da die vielen kleinen Abstandhalter im SZR, die die beiden Scheiben gegen den hohen Druck auseinanderhalten, nicht unsichtbar sein müssen. Weiter können Sonnenschutz oder IR-reflektierende Elemente z.B. als Lamellen integriert werden.
Die Resttragfähigkeit der Vakuum-Einheit lässt sich ohne VSG durch Verklebung der Gläser mit einer Stützstruktur im SZR gewährleisten. Und dass im Gewächshausbau große Flächeneinheiten – oft mehrere 10 000m² pro Projekt– benötigt werden, spricht für eine VIG-Serienfertigung. Damit ergeben sich erhebliche Potenziale für VIG.
Bei allen bisherigen Ansätzen zu Vakuum-Isolierverglasungen (VIG) wird ein Hochvakuum direkt gegen den atmosphärischen Druck abgedichtet. Dies erfordert einen extrem hochwertigen Randverbund und aufwendige Fügeverfahren. Der Einsatz von Metalldichtungen oder Glaslot (für den Randverbund) ist zwingend notwendig, um das Hochvakuum dauerhaft aufrechtzuhalten. Ein solcher Randverbund ist weitgehend starr und so nur eingeschränkt in der Lage, Spannungen zwischen Innen- und Außenseite eines VIG aufgrund großer Temperaturdifferenzen zu kompensieren.
U-Wert von 0,2 mit Doppeldichtung
Einen völlig neuen Weg beschreitet Stefan Lück mit dem vacustruct-Konzept: Die erste Dichtungsebene befindet sich zwischen atmosphärischem Druck (1000 mbar) und einem Schutzvakuum (ca. 0,1 bis 1 mbar). Die zweite Dichtungsebene trennt das Schutzvakuum vom Hochvakuum (< 0,001 mbar). Damit wird die Verwendung von Elastomer-Lippendichtungen (z. B. aus NBR oder EPDM) möglich.
Der minimale Druckunterschied von ca. 1 mbar bedeutet eine um den Faktor 1000 reduzierte Leckagerate und sorgt in Verbindung mit Gettern für den dauerhaften Erhalt des Hochvakuums.
Das Schutzvakuum, in dem viskose Strömung vorliegt, wird mit einer Vakuumpumpe verbunden und kann (gegenüber einem Hochvakuum) auch über größere Entfernungen im mehrwöchigen Rhythmus nachgebessert werden.
Bisher galt: Eine deutlich zweistellige Millioneninvestition ist zum Aufbau einer VIG-Produktion mit einer Kapazität von ca. 500 000 m²/a erforderlich. Der erzielbare U-Wert liegt perspektivisch bei ca. 0,3 W/(m²K). Stützen sind fast unsichtbar und das VIG ersetzt bei Renovierungen Monoglas oder altes 2-fach-ISO
Das vacustruct-Konzept hat keine „Fenster-Optik“, aber eine Warme Kante (Elastomerdichtungen) und im SZR lassen sich bewegliche IR-reflektierende Schichten einbringen. Für die Wärmedämmung bedeutet das U-Werte von unter 0,2 W/(m²K), bei maximalem Tageslichtdurchlass.
Der Randverbund ist durch Rollformen von Blechen und Fügen dieser Bleche herstellbar, ebenso Teile der Kernstruktur. Die nötigen Anlagen und Werkzeuge erfordern Investitionen im unteren sechsstelligen Bereich und lassen sich in eine bestehende Isolierglas-Produktion integrieren.
Die Umsetzung des VIG-Systems
Die Scheiben, der Randverbund und die Kernstruktur werden erst positioniert und mit einer Vakuumpumpe auf ein niedriges Grobvakuum evakuiert. Abseits der Produktionslinie wird die ISO-Einheit mit einer 2-stufigen Drehschieberpumpe auf 0,01 mbar evakuiert. Restfeuchte desorbiert. Bleibt der Enddruck stabil, wird mit dem Aktivieren der Getter das Hochvakuum erzeugt.
Seine Vorteile spielt das Konzept gerade bei sehr großen Scheibenformaten aus. Im Verhältnis zur Fläche wird nur wenig Randverbund benötigt, ebenso werden die Kosten für Vakuumanschlüsse auf mehr m² verteilt. Statisch gesehen sind große Einheiten unproblematisch, da es sich um stabile Sandwichelemente handelt. Es zeigt sich, dass die größte Herausforderung für eine „aktive Vakuumdämmung“ darin besteht, Konventionen im Bauwesen zu überwinden. So sehen die Gewächshausbesitzer die Einbindung einer Pumpe in die Gebäudehülle viel pragmatischer als ISO-Anbieter. Bei kaputter Pumpe oder Stromausfall – selbst über mehrere Wochen – geht das Vakuum nicht verloren. Sicher ist, dass sich „normales VIG“ und Standard-3-fach-ISO auf absehbare Zeit bei Gewächshäusern nicht durchsetzen. VIG ist zu teuer und die Verfügbarkeit gering; 3-fach-ISO wird an Statik und Lichtdurchlass scheitern.
Neuer attraktiver Markt?
Der Preis war lange Zeit das wichtigste Kriterium für Gewächshausgläser, verbaut wurde hauptsächlich Monoglas ohne zusätzliche Funktionen. Aktuell steigt der ESG-Anteil bei Gewächshausverglasungen und diffuser Lichtdurchlass und Antireflex-Schichten gewinnen an Bedeutung. Dazu kommt: Aufgrund von Klimawandel, Bodenverlusten und wachsendem Bedarf an hochwertigen Nahrungsmitteln steigen weltweit die Gewächshausflächen und damit die zugehörigen Gläsflächen.
Hier liegen große, neue Marktchancen für die Glasindustrie. Wenn bei den eingesetzten Gläsern die Wärmedämmung und der Hitzeschutz „serienmäßig“ mitgeliefert werden und so der Energiebedarf drastisch sinkt, wird die Produktion in Glas-Gewächshäusern immer attraktiver. Ein passendes Produkt für die Umsetzung sind Vakuum-Isoliergläser basierend auf dem vacustruct-Konzept, an dem Stefan Lück und Dr.-Ing. Stefan Allmeier und dessen Expertennetzwerk Instal Engineering seit 2011 forschen und entwickeln.
Für die nächsten Schritte werden noch starke Partner aus der Glasindustrie gesucht.—
Dem Erfinder auf den Zahn gefühlt
GLASWELT – Wie sieht eigentlich der Randverbund Ihrer Vakuum-Isolierverglasung aus?
Stefan Lück – Im Prinzip ähnelt dieser dem einer normalen ISO-Einheit: Blech plus Dichtung senkrecht zu den zwei Scheiben, das allerdings dann doppelt. Zwischen den beiden Spacern/Randverbünden liegt das Schutzvakuum an, das das Hochvakuum vom atmosphärischen Druck trennt. Aufgrund der Druckunterschiede und der Gefahr des „Einsaugens“ des äußeren Randverbunds, werden unsere beiden Randverbünde miteinander gekoppelt bzw. gemeinsam als ein Hohlprofil eingebracht.
GLASWELT – Wie dichten Sie das Vakuum-ISO ab?
Lück – Als Lippendichtung werden Elastomere wie NBR oder EPDM empfohlen. Analog zu Wärmedämm-ISO ist zudem auf der Außenseite noch eine weitere Dichtungsebene mit Butyl möglich.
GLASWELT – Und falls bei Ihrem ISO das Vakuum nachlässt, sprich nachvakuumiert werden muss?
Lück – Das ist kein Problem. Entscheidend für die Leckrate sind Lochgrößen und Druckunterschied. Letzterer ist zwischen Schutzvakuum und Hochvakuum vernachlässigbar gering. So kann eine geeignete Elastomerdichtung benutzt werden. Getter im Scheibenzwischenraum sind ausreichend, um das Hochvakuum aufrechtzuerhalten. Unsere Erfahrung: Das Schutzvakuum wird temporär (Zeitabstand wöchentlich bis monatlich) nachvakuumiert werden müssen. Dafür eignet sich z. B. eine zweistufige Drehschieberpumpe, die über ein Leitungssystem mit den Vakuumgläsern verbunden ist.
GLASWELT – Welcher Ug-Wert lässt sich mit Ihrem Vakuumglas erzielen. Und wer wird das Glas liefern?
Lück – Der Ug-Wert unserer Vakuum-Isoliergläser ist respektabel und liegt unter 0,2 W/(m²K). Für die Produktion streben wir die Unterstützung vor allem deutscher oder europäischer Partner an.
Die Fragen stellte Matthias Rehberger