_ Es wird in Zukunft immer schwieriger werden, sich über die Produktqualität zu positionieren. Während echte Produktinnovationen von Top-Produzenten nur noch marginal hinzukommen, haben viele bislang „mittelmäßige“ Produzenten stark aufgeholt. Zudem kommen aus Osteuropa derzeit schon gute Produkte, die künftig mit Sicherheit noch besser werden. Und das zu einem für westeuropäische Verhältnisse unvorstellbar günstigen Preis.
Sorgten in der Vergangenheit Innovationen noch für ein paar Jahre Vorsprung im Markt, so werden diese Neuheiten heutzutage in immer schnellerer Zeit auch von anderen Produzenten umgesetzt. Damit verringert sich der Vorsprung zusehends. Die ganze Branche steht vor sehr großen Herausforderungen. Wer jetzt den Zug verpasst, ist sprichwörtlich ganz schnell weg vom Fenster. Besonders schwer werden es kleine und mittelgroße Produzenten haben, die – wenn überhaupt – nur noch über Spezialisierung konkurrenzfähig bleiben können.
Auf der Suche nach den Marktanteilen
Die großen Produzenten ringen aktuell wie nie zuvor um Marktanteile, um langfristig überhaupt zu überleben bzw. nicht von noch stärkeren bzw. größeren übernommen zu werden. Vor diesem Hintergrund sind die neuerlichen Übernahmen zu verstehen.
Osteuropäische Produzenten sind nicht nur um ein Vielfaches günstiger. Sie können aufgrund sehr großer Kapazitäten auch meist innerhalb nur weniger Tage liefern. Doch das ist nur der Anfang: Der Marktkampf tritt in eine neue, harte Runde.
Auf der Messe hat man auch gesehen, dass Produzenten in Konfiguratoren investiert haben. Dadurch soll das Verkaufen für den Partner einfacher werden. So schön so gut, doch jeder Marktakteur sollte sich klar machen, dass in nur zwei bis drei Monaten ein solcher Konfigurator auch von anderen Produktproduzenten nachgebaut werden kann und der erhoffte Marktvorsprung wieder schnell weg ist.
Handwerkliche Arbeit ist nachhaltig
Wie ist der Ausweg? Jedenfalls nicht so weiter machen wie bisher. Es gilt, langfristig für Erfolg zu sorgen. Für den Händler wird die Argumentation mit Produktvorteilen bzw. -nutzen immer schwieriger, da sein direkter Mitbewerber vor Ort ebenso erstklassige Produkte haben wird. Da hilft nur, den strategischen Fokus viel mehr auf die handwerkliche Arbeit zu legen: Pünktlich und zuverlässig sein, das Kundeneigentum pfleglich behandeln, die einzelnen Räume komplett fertig-stellen, die Montage so sauber wie möglich ausführen und hinterher alle Produkte perfekt reinigen. Und, ganz wichtig, einen unbürokratischen Kundendienst aufbauen, der auch noch nach vielen Jahren für seine Kunden da ist. Wer diese Handwerkskunst beherrscht, dem gehört die Zukunft. Denn Weiterempfehlungen kommen fast immer über die Montageausführung und nicht – wie oft angenommen wird – über die Produkte. Das hört zwar kein Hersteller gerne, ist aber so.
Betrachtet man die Produzenten, so können diese ihre Handelspartner nicht länger nur über Produktqualität überzeugen bzw. binden. Diese müssen ihren strategischen Fokus viel mehr als bisher auf Dienstleistung legen.
Dazu zählen beispielsweise Liefertreue und schnelle Reklamationsbearbeitung. Und echte Partnerschaftskonzepte für ihre Handelspartner, bei denen der Kunde ein tolles Produkt erhält, der Handelspartner sich erfolgreich im Markt etablieren kann und der Produzent durch viele Bestellungen seine Kapazität auslasten kann. Win-win-win ist das Zauberwort. Produzenten müssen vielmehr als bisher auf bestehende und neue Handelspartner zugehen. Einige Hersteller haben dies zwar schon erkannt und investieren in diese Partnerschaftskonzepte. Doch das reicht noch lange nicht. Denn wenn die osteuropäischen Produzenten neben der Produktqualität, dem günstigen Preis auch noch in diese Partnerbeziehungen kräftig investieren, wird es sehr schwer für westeuropäische Produzenten.
Diese Herausforderungen sind zugleich auch die Chance für diejenigen, die die richtigen Hebel in Bewegung setzen.
Nicht irgendwann, sondern jetzt.—
Der Autor
Günter Schmitz, Inhaber und Geschäftsführer von Coplaning, einem Luxemburger Bauelementehändler und Montageunternehmen, blickt auf 22 Jahre Auseinandersetzung mit der Thematik Kundenbegeisterung zurück. Als Trainer vermittelt er seine Erfolgsrezepte in einer Akademie an andere Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen weiter. In der exklusiven GLASWELT-Serie beschreibt er die tagtäglichen Probleme im Handwerk und zeigt auf, wie diese gelöst werden können.http://www.coplaning.lu