_ Das neue Programm war der angespannten Marktlage in der Branche geschuldet, die Hans-Joachim Arnold so zusammenfasste: „Keine Tagung sieht künftig mehr aus wie die vorherige, sondern wird aktuelle Entwicklungen einbeziehen und authentisch auf den Ort abgestimmt sein, an dem sie stattfindet. Der Markt fordert von uns Ausdauer und Innovationen.“ Auf der anschließenden Schiffstour standen einige dieser Innovationen im Mittelpunkt. Die Tagung bot eine Fülle an Informationen, während vor den Bootsfenstern die bekannten Landmarken der Metropole zu sehen waren.
Preisverleihung unterwegs
Jede der diesjährigen Preisübergaben erhielt durch die drei Standorte ihren eigenen Charme. In der Kategorie „Kreative Objekte“ siegte Oderglas aus Müllrose mit einer Fassade für das neue Opernquartier in Frankfurt am Main. An dem Ma’ro Büro- und Geschäftsgebäude wurden über 3000 m² Multifunktionsgläser montiert, die mit Schall- und Angriffhemmung sowie als Alarmgläser ausgeführt sind. Laudator Carl Pinnekampf von Teutemacher Glas übergab die Auszeichnung an Oderglas-Geschäftsführer Christian Dahlick beim ersten Stop am geschichtsträchtigen Tränenpalast.
Der Preis in der Kategorie „Innovative Objekte“ ging an Glas Natter aus Regensburg. Das Unternehmen fertigte gut 750 m² schaltbares elektrochromes EControl-Sonnenschutzglas für das neue Hauptgebäude der Leuphana Universität Lüneburg, das von Architekt Daniel Libeskind geplant wurde. Laudator Hans-Joachim Arnold ehrte die geschäftsführende Gesellschafterin, Rosemarie Natter, vor dem Ministerium für Bildung und Forschung beim zweiten Halt.
In der Kategorie „Repräsentative Projekte“ wurde die Tvitec Técnicas de Vidrio Transformado S. A. aus Spanien ausgezeichnet. Der Isolar-Partner produzierte für das neue Hauptquartier von Amazon in Mailand eine Fassade mit rund 10 000 m² Sonnenschutzglas und 1100 Glasschwertern als Designelemente. Nach seiner Laudatio überreichte Arnold-Glas-Geschäftsführer Martin Schwarz den Preis an Javier Prado. Als Kulisse diente hier die neue Berliner Europacity, wo das Europahaus mit eine Reihe von Gläsern aus der Werkstatt von Oderglas ausgestattet ist.
Hart umkämpfter Markt
Der sich verändernde Markt prägte die Gespräche der Tagung. Einigkeit herrschte darüber, dass die Digitalisierung den Markt weiter grundlegend verändere, worauf die Betriebe reagieren müssen.
Hans-Joachim Arnold: „In fünf Jahren wird unsere Branche komplett anders aussehen. Darauf werden wir Antworten geben müssen, indem wir unseren Kunden interaktiv mehr bieten.“
„Menschen unter 30 Jahre nutzen andere Kommunikationskanäle und arbeiten in veränderten Denkmustern“, ergänzte Martin Schwarz, Geschäftsführer von Arnold-Glas. „Die Ansprache der Kunden auf möglichst vielen Kommunikationswegen, das heißt Multi-Channel, wird für die Branche immer wichtiger“, so der Geschäftsführer weiter. Deutliche Worte gab es für den hohen Wettbewerbsdruck: „Wir haben anspruchsvolle Produkte, die wir selbstbewusst und aktiv verkaufen wollen. Aber ein Betteln um billige Preise findet nicht statt“, unterstrich Schwarz und betonte, dass der Verkauf ein Kräftemessen mit den Kunden sei. „Wir haben lange der Versuchung nachgegeben, den Preisen hinterherzulaufen. Doch dann passen die Erträge und Gewährleistungen bei unseren Produkten nicht zusammen.“
Auf Nachfrage für die GLASWELT, wie die Isolar-Partner gegenüber dem Wettbewerb aus Osteuropa aufgestellt seien, erklärte Arnold: „Die Firmen aus Osteuropa sind stark europäisch finanziert, sodass sie preisliche Vorteile erzielen. Der Wettbewerb funktioniert nicht über den Preis. Wir wollen Innovationen und attraktive Produkte anbieten.“ Als bestes Beispiel gilt die neue Lösung gegen Anisotropien.
Wettbewerbsvorteile durch mehr Glas-Innovationen
Heute werden am Markt zunehmend optisch hochwertige Gläser eingefordert, was gerade bei thermisch vorgespannten Fassadengläsern die Anisotropie-Problematik in den Fokus rücke. „Anisotropien sind kein Modethema, sondern werden von Bauherren, Architekten und Investoren als unerwünschte Mängel bezeichnet“, so Schwarz und stellte für dieses Problem eine interessante Lösung der Firma Ilis vor.
Auf diese Neuheit, einen Scanner für Anisotropien, ging Herrmann Dehner von der arcon Flachglas-Veredelung, Feuchtwangen, ausführlich ein. Um die optischen Effekte zu diagnostizieren, die durch mechanische Spannungen im Glaswerkstoff ausgelöst werden und zum Teil fast wie Leopardenflecken wirken, sei zuerst einmal ein geeignetes Messwerkzeug notwendig.
Als arcon-Kooperationspartner hat Ilis diesen sogenannten Strain-Scanner entwickelte, der die mechanischen Spannungen im Glas misst. Der Scanner wertet dabei die Daten in Echtzeit aus und bestimmt den Isotropiewert des Glases. Auf Basis dieser Daten lasse sich die Qualität der thermischen Vorspannung optimieren, um so Anisotropien zu vermeiden.
Dirk Büttner von Axiotherm aus Eisenberg präsentierte eine weitere Neuheit, die Energiespeicherung durch Schmelz- und Erstarrungsvorgänge mit Phasenwechselmaterial. Dieser Stoff auf Basis von Parafin lasse sich in einen Glasverbund einfüllen und durch seine Zustandsänderungen Energie speichern. Das Material verändere dabei sein Erscheinungsbild von transparent bis opak. Zu sehen ist diese Anwendung künftig in einer Konstruktion im „Futurium“ im Haus der Zukunft, das derzeit direkt neben dem Bundesforschungsministerium in Berlin entsteht.
Viel Potenzial stecke zudem in Beratungsangeboten. Arnold Glas setzt mit seinem Design Assist Service auf Beratung für Planer und Architekten im Bereich Konstruktion und Statik. Schwerpunkt sei die Frage, zu welchen Konsequenzen der Einbau von Glassystemen in geplante Objekte führen kann. Für diesen Service kooperiert die Isolar-Gruppe mit einem Architekten, der Büros in Deutschland und in den USA unterhält.
Arnold Glas eröffnete zudem eine Niederlassung in Vietnam, wo durch den wirtschaftlichen Aufholbedarf gute Marktchancen bestünden. —