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Interview mit Jürgen Halbmeyer, Sanco-beratung

“Es gibt keinen Grund zur Panikmache“

Glaswelt – Herr Halbmeyer, Sie sind jetzt über 30 Jahre in der Glasbranche aktiv, was waren für Sie die Höhepunkte in dieser Zeit?

Jürgen Halbmeyer – Zu den Highlights zählt für mich die Einführung der ersten Glasbeschichtungen, die damals den früheren K-Wert (heute U-Wert) von 3,0 auf 1,3 W/(m2K) gesenkt haben. Weiter waren wir vorne mit dabei, als die ersten Isoliergläser bzw. der Scheibenzwischenraum mit Gas gefüllt wurde. Unsere Gasfüllung im SZR wurde als erste im Bundesanzeiger anerkannt. Damit hatten wir zu diesem Zeitpunkt das Isolierglas mit dem niedrigsten K-Wert.

Dann kam die Phase, als die klassischen Structural Glazing Fassaden im Trend lagen. Damals gab es geklebte Glasfassaden von Schüco, Hartmann, Wicona – Anwendungen, die heute kaum noch nachgefragt werden. Jedoch waren (und sind) das sehr anspruchsvolle Glaskonstruktionen, z. B. beim Spiegelhaus von Rosendahl in Selb, an dem wir mitgewirkt haben. Mit dieser geklebten Fassade hat dann Dow Corning auch seine Nachweise durch das ift Rosenheim für die Dauerhaftigkeit der geklebten Konstruktion erhalten.

Sehr spannend war es auch die Entwicklung in den neuen Bundesländern und den Aufbau der dortigen Partner mitzuerleben. Damals herrschte in der Glasbranche eine tolle Aufbruchstimmung.

Glaswelt – Wie lange genau sind Sie in der Glasbranche und wie lange schon bei Sanco?

Halbmeyer – Bei Sanco bin ich seit dem 1. August 1990. Gelernt habe ich Maschinenbauer, dann kam ich zum Glas. Zuerst war ich im Vertrieb und dann bei Sanco ging es gleich in den Service für die Sanco-Beratung. Dadurch habe ich die gesamte Wachstumsphase der Gruppe erlebt, mit ihrer Steigerung von 30 auf heute 56 Unternehmen. Gerade in den letzten Jahren sind wir stark durch Partner aus dem Ausland gewachsen. Doch Internationalität hat bei uns Tradition, gerade wenn ich an die Gründungsmitglieder Scheuten (NL) und Glas Müller (I) denke.

Glaswelt – Mit Blick auf das leichte Wachstum im letzten Jahr, glauben Sie, dass es jetzt mit der Glasbranche in Deutschland wieder vorangeht?

Halbmeyer – Das ist nicht leicht zu beantworten. Ich sehe aber vom Gefühl her die generelle Lage verhalten positiv und es gibt keinen Grund zur Panikmache, auch wenn jetzt die polnischen Fensterbauer auf den deutschen Markt kommen. Für mich hat der Fenster- und Fassadenmarkt so viele Nischen, auch für spezielle Anwendungen mit (Isolier-)Glas, deshalb gibt es für Glasverarbeiter noch eine ganze Reihe von Potenzialen. Viele Partner der verschiedenen Glas-Gruppen haben sich deshalb ja auch bereits in den unterschiedlichsten Bereichen spezialisiert.

Glaswelt – Sie machen sich mittel- und langfristig also keine Sorgen um die hiesige Glasbranche?

Halbmeyer – Nein, ich gehe in zwei Jahre in Rente (lacht). Spaß bei Seite, grundsätzlich sehe ich die allgemeine Entwicklung positiv. Es wird immer mehr Glas gebraucht. Hier gibt es ein riesiges Potenzial im Bereich Wohnen/Interieur. Das ist eine riesige Spielwiese, wo man heute ohne Glas gar nicht mehr auskommt, Tendenz steigend.

Große Marktchancen bietet auch Sicherheitsglas. Das Sicherheitsdenken wird sich in Zukunft deutlich ausbreiten. Zum Beispiel sind Terrassentüren aus Float für mich ein Auslaufmodell. Hier braucht es aus Sicherheitsgründen mehr VSG und ESG. Darüber hinaus werden immer mehr Design- und Farbgläser nachgefragt. Auf allen Ebenen werden schöne Produkte aus Glas nachgefragt. Hier entsteht ein großer Markt mit vielen Nischen für spezielle Glas-Anwendungen.

Glaswelt – Wenn nun viele Verarbeiter auf solche Nischen setzen, wird das im Einzelfall reichen, um sich künftig am Markt zu behaupten?

Halbmeyer – Das kommt darauf an, eine einzige Nische alleine wird wohl in vielen Fällen noch nicht ausreichen. Wenn ein Verarbeiter diesen Weg geht, braucht er dazu für sich ein eigenes Programm sowie das richtige Personal in der Werkstatt und im Vertrieb sowie für den professionellen Service. Gerade der letzte Punkt wird oft nicht gesehen.

Glaswelt – Wie sind Sie mit der Entwicklung der Sanco-Gruppe zufrieden?

Halbmeyer – Die Firmen unserer Gruppe sind gut aufgestellt. Die Gruppe entwickelt sich insgesamt gut (schmunzelt), den größten Zuwachs haben wir im Polen. Dort haben wir im April mit dem 8. Lizenznehmer einen Vertag abgeschlossen. Auch dort haben wir kleine, mittlere und große Betriebe als Lizenznehmer. Teils werden dort sehr spezielle Gläser geliefert. Viele Gläser bleiben auch dort in der Veredlung und werden nicht exportiert. Unsere polnischen Mitglieder produzieren etwa zu 80 Prozent für ihre regionalen Märkte.

Glaswelt – Mit Blick auf Ihre 30-jährige Erfahrung, welche Vorteile bringt Verarbeitern die Mitgliedschaft in einer Gruppe?

Halbmeyer – Wenn ich unsere Gruppe anschaue, sind wir eigentlich eine Selbsthilfe-Organisation. Als Sanco-Beratung stellen wir jeden Service bereit, den unsere Partnerbetriebe brauchen. Dabei sind wird so aufgestellt, dass wir die Anregungen der Gruppemitglieder aufgreifen und umsetzen. Wir pflegen hier eine sehr intensive regionale Zusammenarbeit (in sogenannten Inselgruppen). Dazu kommt dann die Vernetzung innerhalb der gesamten Gruppe auf Bundes- und Europa-Ebene. Wir bieten mit unserem „Technischen Paket“ für die Mitglieder alles, was nötig ist, um europaweit Glasprodukte fertigen und vermarkten zu können. Weiter wählen wir die Lieferanten aus und untersuchen und testen deren Produkte.

Weiter stellen wir ein umfassendes Marketingpaket bereit, inklusive Print- und Werbe-Unterstützung. Zudem schulen wir die Kollegen aus den Betrieben in allgemeinen technischen Themen bis hin zu speziellen Anwendungen und runden dies mit Rechtsthemen ab. Und last but not least vertreten wir die Mitglieder in den Verbänden.

Glaswelt – Noch einmal zum aktuellen Markt, welche Produkte sehen Sie heute auf dem Vormarsch, in der Fassade, im Interieur?

Halbmeyer – In der Fassade werden die Multifunktionsgläser zulegen, d. h. Isolierglas-Kombinationen aus Wärme- und Schallschutz sowie mit Sicherheitsfunktion. Zudem wird der temporäre Sonnenschutz (innen liegende Jalousien im SZR) deutlich zulegen, sowohl in der Sanierung als auch im Neubau. Und im Interieur werden die Bereiche Küche, Bad und Wellness mit mehr Glas ausgestattet, z. B. mit gläsernen Wänden und Trennwänden sowie Raumteilern, dazu kommen Vordächer, Glasbrüstungen für Treppen und Balkone etc.

Glaswelt – Was wünschen Sie der Glasbranche?

Halbmeyer – Mehr Zuversicht für die Zukunft und vor allem zufriedene Kunden, die bereit sind, ihr gutes Geld für gute Leistung und gute Gläser auszugeben.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

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