Glaswelt – Kann man in Deutschland heute noch mit Isolierglas Geld verdienen?
Alexander von Mezynski – Ich bin davon überzeugt, dass das auch heute noch möglich ist. Hier ist nicht nur entscheidend, mit welchen Produkten ich mich auf welchen Märkten bewege, sondern auch die Anpassung der internen Organisation an veränderte Märkte ist ein Erfolgsfaktor. Wir müssen uns daran gewöhnen, Prozesse und Strukturen immer wieder aufs Neue kritisch zu hinterfragen und im Bedarfsfall konsequente Anpassungen vorzunehmen.
Glaswelt – Wenn Sie Sonderisoliergläser anbieten, welche Funktionen und Qualitäten werden für Fenster- und Fassadengläser am häufigsten nachgefragt?
Von Mezynski – Die Frage hier ist: Wie definiere ich Sonderisolierglas? Wenn man die originären Funktionsisoliergläser wie Wärmedämm-, Sonnenschutz-, Schallschutz- und einbruchhemmendes Glas eher dem Standard zuordnet, so sind es im Sonderglasbereich vor allem die Lichtlenk- und Beschattungssysteme im SZR, die zunehmend Beachtung finden. Auch die Nachfrage nach Structural-Glazing-Lösungen ist als sehr gut zu bewerten. Besonders aber beim Vogelschutzglas Ornilux nehmen wir in den letzten Jahren ein stark wachsendes Interesse wahr.
Glaswelt – Und wie sieht es bei den Beschichtungen aus?
Von Mezynski – Man könnte der Auffassung sein, dass im Bereich der Beschichtungstechnik irgendwann einmal das Ende der Fahnenstange hinsichtlich der Optimierung lichttechnischer und strahlungsphysikalischer Daten erreicht ist. Die Beschichtungsspezialisten beweisen jedoch Jahr für Jahr immer wieder eindrucksvoll, dass dieses noch nicht der Fall ist. Auch unser Schwesterwerk arcon hat beispielsweise mit den A-Typen im Sonnenschutzbereich neue Maßstäbe gesetzt. Die Gläser dieser Reihe bieten selbst mit unterschiedlichen lichttechnischen Werten eine optisch harmonische Farbgebung. So bleibt die einheitliche Gesamtoptik der Fassadengläser selbst dann erhalten, wenn innerhalb eines Gebäudes die unterschiedlichen Typen eingebaut werden.
Glaswelt – Sie sind auch im Glasbau aktiv. Welche Leistungen umfasst Ihr Angebot? Was bieten Sie neben den (reinen) Produkten noch mit an?
Von Mezynski – Im Segment Glasbau bieten wir ein recht breites Leistungsspektrum an. Dieses reicht von der Beratung zu den eingesetzten Gläsern bzw. Glaskonstruktionen über die Werkplanung bis hin zur Fertigung. Und auch die Montage können wir übernehmen.
Glaswelt – Arbeiten Sie bei Glaskonstruktionen eher mit Fassadenplanern zusammen oder erbringen Sie die notwendigen Planungsleistungen selbst?
Von Mezynski – Unser Unternehmen kann alle notwendigen Planungsleistungen erbringen. Für statische Berechnungen haben wir grundsätzlich eigene Mitarbeiter. Sollte es vom Kunden jedoch gewünscht beziehungsweise vorgegeben werden, arbeiten wir auch mit Fassadenplanern zusammen.
Glaswelt – Spielt Glaskunst bei Ihren Aufträgen eine Rolle?
Von Mezynski – Aufgrund der guten Vernetzung mit Glaskünstlern sowie der für solche Produkte notwendigen Fertigungstiefe und Breite, die wir innerhalb der Arnold Gruppe besitzen, begleitet uns das Thema Glaskunst schon seit vielen Jahren. Die Erfahrungen, die wir über die Jahre gesammelt haben, aber auch unsere weltweit umgesetzten Projekte machen uns auch in diesem Bereich zu einem kompetenten Partner. Sehr sichtig ist, dass man sich bei solchen Aufgaben auf die Künstler und deren Wünsche einstellen kann, um deren kreative Ideen letztendlich auch technisch umsetzen zu können. Dieses ist uns in den letzten Jahren sehr gut gelungen. Hier denke ich beispielsweise an zwei spannende künstlerische Glasobjekte: ein Projekt für die Universität von Exeter in Großbritannien sowie zuletzt bei der neuen Leica-Zentrale in Wetzlar. Dort hat der Künstler Alfons Alt farbige Mond- und Sonnenlandschaften aus rundem, gebogenem ESG kreiert. Diese Glasapplikationen wurden mit flüssigem Kleber auf konvex und konkav gebogenen Isoliergläsern befestigt.
Glaswelt – Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit Architekten aus?
Von Mezynski – Wir haben uns schon immer als Problemlöser für Architekten und Planer verstanden und treten auch so am Markt auf. Die letzten 25 Jahre ist es uns gelungen ein Netzwerk mit renommierten Architekten aufzubauen und gemeinsam mit ihnen technische Lösungen für neue Ideen zu entwickeln. Genau so sind wir auch von unserer Organisation her aufgestellt, um diesem Anspruch gerecht zu werden.
Glaswelt – Ihre Firma wurde beim Isolar Objektwettbewerb 2015 ausgezeichnet. Was war das Besondere an diesem Projekt?
Von Mezynski – Wir wurden für das Projekt „Leica“ in Wetzlar ausgezeichnet, das ich bereits angesprochen hatte. Dieses Traditionsunternehmen will sich als eine sehr starke Marke repräsentieren. Dies sollte auch baulich umgesetzt werden. Entsprechend hoch waren die Ansprüche und Erwartungen, mit denen man an dieses Neubauprojekt herangetreten ist. Das Besondere hier war sicherlich die Fülle und Komplexität der geforderten Leistungen und Produkte in Bezug auf die Glasanwendungen. Neben gebogenen Vertikal- und planen Dachverglasungen kamen sehr anspruchsvolle Gläser, unter anderem Isoliergläser mit Lichtstreuung, zum Einsatz. Auch auf Glaskunst wurde großer Wert gelegt.
Glaswelt – Kommt heute die Nachfrage nach Ihren Leistungen stärker aus Deutschland oder aus dem Ausland?
Von Mezynski – Unsere Produkte und Leistungen erfahren immer mehr Wertschätzung aus dem Ausland. Dennoch ist Deutschland für Glas Wagener immer noch der Hauptmarkt und wird es auch sicherlich die nächsten Jahre bleiben.
Glaswelt – Welche Trends sehen Sie mittelfristig bei der Entwicklung von Isoliergläsern?
Von Mezynski – Nach wie vor geht der Trend zu größeren und schwereren Isolierglas-Einheiten. Bei den Wärmedämmgläsern ist nicht nur der Ug-Wert maßgeblich, sondern auch Lichttransmission und gerade der g-Wert rückt immer stärker in den Fokus der Anforderungen. In diesem Kontext hat arcon Glas die optimierte Wärmedämmbeschichtung N34 entwickelt. Neben sehr guten Wärmedämmeigenschaften sollen moderne Isoliergläser damit mehr Licht in den Innenraum lassen und mehr passive solare Energiegewinne generieren. Zudem ist das Thema Isolierglas-Einheiten aus oder mit Dünnglas sehr ambitioniert gestartet. Wie sich diese Gläser in den nächsten Jahren entwickeln, und welche Marktrelevanz sie bekommen werden, bleibt abzuwarten. Wir von Glas Wagener nehmen dieses Thema aktuell nicht sehr stark wahr, behalten es aber im Blick.
Glaswelt – Was wünschen Sie der Glasbranche?
Von Mezynski – Diese Frage ist schnell beantwortet: Klugheit, Kreativität und vor allem auch wirtschaftliche Stabilität.
Die Fragen stellte Matthias Rehberger.
Das Unternehmen
Die Hunsrücker Glasveredelung Wagener mit Sitz in Kirchberg umfasst die Unternehmensbereiche Funktionsgläser und konstruktiver Glasbau. Sie gehört zur Unternehmensgruppe Arnold Glas.
Das Leistungsspektrum umfasst eine umfangreiche Isolar-Isolierglaspalette, Einscheiben- und Verbundsicherheitsglas, Montagezubehör sowie Dienstleistungen von der Vorplanung bis zur Umsetzung.
Spezialgläser für die neue Leica-Zentrale
Für die 60 Mio. Euro teure Zentrale des Kameraherstellers Leica hat Glas Wagener die zugehörigen Spezialgläser gefertigt und montiert. Zudem zeichnete der Glasverarbeiter für die Stahl- und Alukonstruktion verantwortlich. Die äußerst geringen Toleranzen der eingesetzten Profile erforderten eine höchst exakte Fertigung. Teilweise ist die Stahlfassade gebogen und fasst bis zu 4,80 m hohe, gebogene Isoliergläser. Einige Gläser in der Vertikalfassade werden durch reine Verklebungen gehalten (die Höhenkanten wurden als Structural Glazing ausgeführt).
Im Erdgeschoss findet sich eine umlaufende, teilweise gebogene 5 m hohe und 900 m2 große Fassade mit Sonnenschutzglas (Isolar Solarlux: g-Wert 41 % , Lichttransmission von 70 %).
Für die Kastenfenster des Gebäudes fiel die Wahl auf 1100 m2 Isolar Neutralux. Hier fiel die Wahl auf 2-fach-Isolierglas, Ug-Wert = 1,0 W/m²K.
Das Dach des Foyers, des Ausstellungsbereichs und der Lounge besteht aus 400 m2 Isolar Visorex mit Vlieseinlage. Das einfallende Tageslicht wird damit gestreut und der Innenbereich blendfrei ausgeleuchtet.
Die Fassadengläser im Ausstellungsbereich wurde von Künstler Alfons Alt gestaltet. Dort wurden farbige Glasapplikationen mit flüssigem Kleber auf konvex und konkav gebogenen Isoliergläsern befestigt.