Glaswelt – Herr Teckentrup, skizzieren Sie bitte noch einmal Auslöser und Umfang der Vertriebsumstrukturierung.
Kai Teckentrup – Ausgangslage war: Was muss ich tun, um bei meinen Kunden einen Mehrwert in den Vertriebsgesprächen zu generieren. Die alte Situation war – böse formuliert – Diesel für Kaffee: Der Außendienstler war mehr ein Problemlöser. Viel Zeit ging bereits für die Anfahrt ab, im eigentlichen Vertriebsgespräch wurde die Hälfte der Zeit genutzt, um dem Kunden bei Abwicklungsproblemen zu helfen. Da haben wir gesagt, das kann der Innendienst genauso, das geht auch per Telefon.
Glaswelt – Das bedeutet?
Teckentrup – Die Kunden wollten einen „Kümmerer“ im Innendienst, der Ansprechpartner für Angebote, Reparaturen oder auch Reklamation ist und nicht zigmal im Haus vermittelt werden. Also haben wir im Innendienst jetzt einen, der sich um alles kümmert. Dahinter, „2nd level support“ heißt das bei uns, haben wir Mitarbeiter, die sich um komplexere Probleme kümmern.
Glaswelt – Diese Mitarbeiter müssen ja ein enormes Hintergrundwissen haben.
Teckentrup – Jein. Der erste Levelbereich muss alles wissen, was regelmäßig vorkommt. Die Top Ten der Einbaufehler sollte er kennen, aber den speziellen Fall, der nur einmal im Jahr passiert, dafür ist das „2nd level“. Und wenn der Kollege einmal nicht weiter weiß, dann haben wir Experten, die im „3rd level“ antworten, wenn es wirklich hoch komplex wird. Aber diese Stufung stellt sicher, dass der Kunde nur noch einen Ansprechpartner hat, der sich um seine Belange kümmert. Das erspart wertvolle Zeit und erleichtert die Kommunikation.
Glaswelt – Damit hat der Außendienst neue Aufgaben?
Teckentrup – Der Außendienst steht vor ganz anderen Anforderungen als früher. Vorher hat er sich um die Probleme des Kunden gekümmert, jetzt entwickeln wir gemeinsam das zukünftige Geschäft. Im ersten Schritt fragt er nach den Problemen des Kunden und was wir als Teckentrup machen können, um diese zu beheben. Das Wichtige ist der zweite Schritt. Da fragen wir: Was sind deine Stärken? Warum kauft dein Kunde bei dir und nicht bei deinem Wettbewerber? Da haben viele Kunden ein Geschäftsmodell. Gemeinsam überlegen wir, wie wir dieses Geschäftsmodell ausbauen und stärken. Daraus bilden wir auch Ideen für uns, was wir für Anforderungen an den Innendienst stellen müssen und was der Außendienst machen muss – eine ganz andere Arbeitsweise.
Glaswelt – Nimmt der Kunde das gut an?
Teckentrup – Bisher gibt es sehr, sehr positives Feedback von den Kunden auf die Gespräche. Viele sagen, es sei das beste Vertriebsgespräch, das sie je geführt haben, jetzt interessiere sich endlich mal jemand für ihre Probleme und arbeite mit ihnen an ihrer Entwicklung. Damit wollen wir uns vom Wettbewerb abheben.
Glaswelt – Ist die Umstrukturierung somit jetzt abgeschlossen?
Teckentrup – Der Vertriebsumbau ist zunächst einmal abgeschlossen. Wir sind sehr, sehr zufrieden mit unseren Außen- und Innendiensten. Die haben toll mitgezogen bei den vielen Veränderungen, schließlich mussten sie ihre Komfortzone verlassen und sich auf etwas Neues einlassen. Das ist nicht immer einfach. Das bedeutet aber nicht, dass wir in allen Bereichen mit der Neustrukturierung durch sind.
Glaswelt – Aber nicht nur der Vertrieb wurde verändert, oder?
Teckentrup – Wir haben auch unsere Strategie neu ausgerichtet. Wir entwickeln unsere Produkte jetzt kundenzentriert. Wir nehmen die Kunden jetzt frühzeitig mit in die Entwicklung. Allerdings spielt nicht nur das Produkt an sich eine wichtige Rolle, sondern auch der Service. Das ist der zweite Teil der Strategie, denn wir wollen nicht nur Produktlieferant sein, sondern auch diejenigen, die helfen. Dazu stellen wir zum Beispiel derzeit unseren Angebotskonfigurator fertig.
Glaswelt – Angebotskonfigurator? Was leistet der? Können Sie den bitte beschreiben?
Teckentrup – Hintergrund ist, dass unsere Kunden heute etwa 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit dem Angebotsschreiben verbringen. Unsere Preisliste ist ein dicker Katalog dank all unserer komplexen Produkte. Zudem haben wir Produkte, die laut Zulassung nur in bestimmten Kombinationen verkauft werden dürfen. Da habe ich als Kunde zwei Probleme: Schnelligkeit, das Durchforsten der Liste braucht Zeit, und eben Plausibilität. Wie kann ich als Kunde sicher sein, dass meine Zusammenstellung auch normseitig umsetzbar ist?
Glaswelt – Der Angebotskonfigurator bietet eine Lösung?
Teckentrup – Dafür haben wir ihn entwickelt. Dort werden alle Plausibilitätsprüfungen automatisch im Hintergrund ausgeführt. Hat früher die Angebotserstellung gut 15 Minuten gedauert, braucht man jetzt zwei. Ich finde alle Informationen schnell und plausibel. Ein großer Mehrwert für die Kunden, zumal auch bei komplizierteren technischen Lösungen, wo früher schon einmal nachtelefoniert werden musste. Zudem kann man seinem Kunden direkt am Telefon oder auf der Baustelle eine verlässliche Auskunft geben. Der Konfigurator wird ab Ende des Jahres online unseren Kunden zur Verfügung stehen.
Glaswelt – Lässt sich das so zusammengestellte Datenmaterial auch für BIM nutzen?
Teckentrup – Das ist eine logische Weiterentwicklung. Im ersten Schritt beinhaltet der Konfigurator schon alle Zulassungen, alle technischen Datenblätter oder auch Einbauanleitungen. Sobald wir wissen, auf welcher Datenbasis wir ablegen müssen, wird auch BIM dazugehören.
Sven Diembeck – Natürlich macht es keinen Sinn, für BIM die Daten aus einer anderen Quelle zu ziehen, als für den Angebotskalkulator oder auch unsere hausinterne Kalkulation. Zumal man sonst ja auch drei Systeme pflegen müsste. Insofern wird es eine zentrale Datenbank geben.
Glaswelt – Der Konfigurator deckt die gesamte Produktpalette von Teckentrup ab?
Teckentrup – Zuerst beginnen wir mit allen Stahltüren. Danach folgen die Garagentore und die Industrietore. Im 1. Quartal 2018 soll das komplette Portfolio dann über den Konfigurator verfügbar sein.
Glaswelt – Gibt es neue Entwicklungen, auf die der Markt sich freuen kann?
Diembeck – Bei den Innentüren wollen wir erreichen, dass wir zu einer echten Alternative zu Holztüren werden. Da wollen wir mit Oberflächen so arbeiten, dass der Kunde nachher einfach gar nicht mehr die Chance hat zu erkennen, ob es sich um eine Holztür oder eine Stahltür-Oberfläche handelt. Das bietet dem Kunden einen Mehrwert, kann er doch die optisch ähnliche Stahltür anbieten, die wir für deutlich sicherer und massiver halten.
Glaswelt – Sie sind auch im Bereich der Wohnungsabschlusstüren im Markt. Welche Entwicklungen gibt es da?
Diembeck – Die Schweden waren mit die ersten, die diese Türen nachgefragt haben. Zu 90 Prozent sind Apartment-Türen in größeren Wohnanlagen dort über Laubengänge zu erreichen. Das sind alles Stahlblech-Türen mit einer optisch geeigneten Oberfläche. Da sind wir mit unseren Türen schon ein paar Jahre unterwegs.
Teckentrup – Ein spannender Markt. Hintergrund: In einem Mehrfamilienhaus sind in der Regel Holztüren eingebaut, meist nicht sonderlich sichere. Bei vielen genügt es, einmal richtig gegen zu treten, und schon ist man in der Wohnung drin. Dafür haben wir eine Apartment-Tür entwickelt auf Basis eines Modells, das in Schweden bereits im Markt etabliert ist.
Glaswelt – Das bringt welche Vorteile?
Teckentrup – In Schweden ist es nationale Vorschrift, dass jede Wohnungsabschlusstür Brandschutz, Schallschutz und Rauchschutz haben muss sowie eine gewisse Einbruchsicherheit. Das ist da Standard. Wir denken uns, dass die Tür für den schwedischen Markt auf dem deutschen Markt auch ein Thema sein könnte. Der Kerngedanke dabei ist, die einfache Holztüren durch eine Tür zu ersetzen, die entsprechenden Sicherheits-Anforderungen genügt. Das ist auf dem deutschen Markt immer noch relativ neu. Wir steigen aber auch erst gerade in die Vermarktung ein.
Glaswelt – Vermarktung ist ohnehin ein kompliziertes Thema …
Teckentrup – Ja, ein gutes Beispiel ist das Garagentor. Die meisten erwerben ein Garagentor, wenn das alte kaputt ist, oder aber wenn sie neu bauen. Ein Garagentor einfach wegen einer neuen Farbe oder eines neuen Materials erwerben die wenigsten. Also haben wir gefragt: Was gibt es da aus Endkundensicht überhaupt für Themen? Wofür nutzen Kunden ihre Garage?
Glaswelt – Vorrangig um ihr Auto sicher unterzustellen, oder?
Teckentrup – Ja, aber das ist nur ein Teil. Genauso wichtig ist das Thema Lagerraum, wo Möbel, Fahrräder oder sonstiges in der Garage abgestellt werden. Und schließlich nutzen viele die Garage noch als Werkstatt. Das sind so die drei Hauptnutzungsthemen. In dem Zusammenhang sind Licht, Sicherheit und Feuchtigkeit wichtige Aspekte für den Endkunden. Also haben wir LED-Lösungen für die Tore entwickelt. Einmal als kleine am Antrieb, dann als große Lösung am Tor mit bis 6000 Lumen.
Glaswelt – Deutlich heller als die klassische Neonröhre.
Teckentrup – Allerdings. Licht ist auch bei Sicherheit ein Thema, um mich der Garage sicher zu nähern. In puncto Einbruchschutz haben wir zwei Lösungen: einmal ein Relais, das sperrt, wenn dagegen geschoben wird, und einen Antriebsbuzzer. Aus Angst vor Einbruch wählen Kunden übrigens häufig auch ein eher schlicht gestaltetes Tor. Bei einem besonders schicken befürchten sie, dass Einbrecher denken, da ist was zu holen. Schließlich bieten wir auch einen Feuchtigkeitssensor im Antrieb, insbesondere für kleine Garagen ohne Fenster. Der stellt bei Bedarf das Tor in eine entsprechende Lüftungsstellung. Das kann automatisch funktionieren, kann aber auch über einen Handsender geschaltet werden, wenn ich nicht will, dass ein leicht geöffnetes Garagentor zu sehen ist, wenn ich nicht zu Hause bin.
Diembeck – Bei den Steuerungen haben wir auch noch etwas gemacht. Per Fernbedienung kann man sich zum Beispiel bestätigen lassen, dass das Tor geschlossen ist. Wir bieten lauter Mehrwerte für den Endkunden.
Glaswelt – Wie hat sich denn der Umsatz bei der ganzen Umstrukturierung entwickelt?
Teckentrup – 2016 war nicht gut, da hatten wir aufgrund einer SAP-Umstellung Probleme, Produkte in den Markt zu bekommen. Da hatten wir einen Umsatzrückgang, den wir bis Ende 2016 auch nicht aufholen konnten. Dieses Jahr ist es deutlich besser, aber es ist noch Luft nach oben. Wir könnten uns deutlich mehr vorstellen.
Glaswelt – Nennen Sie uns Zahlen?
Teckentrup – Wir haben letztes Jahr 120 Mio. Euro Umsatz gemacht, wir erwarten dieses Jahr so 125 bis 130 Mio. Euro. Wir sind gewachsen, aber deutlich weniger, als wir uns vorgestellt haben. Wir hatten uns ursprünglich 25 Prozent Wachstum als Ziel gesetzt. Das haben wir eben nicht erreicht, weil es auch deutlich länger dauerte, unsere Vertriebsstruktur umzubauen.
Glaswelt – Dann dürfte aber der Blick auf 2018 sehr optimistisch sein, oder?
Teckentrup – Ja, das Feedback, das wir von den Kunden bekommen, ist sehr positiv, der Markt wächst für uns. Alle Rahmenbedingungen sind sehr positiv gestellt. Der Gesamtmarkt wächst, unsere Kunden wachsen. Wir haben die Planungen fürs nächste Jahr noch nicht abgeschlossen, daher kann ich noch nicht genau sagen, was wir als Ziel setzen. Auf jeden Fall werden wir deutlich wachsen.
Glaswelt – Wie verteilt sich der Umsatz?
Teckentrup – Mit 70 % machen die Türen den Hauptumsatz aus. 20 % werden über Garagentore und 10 % über Industrietore umgesetzt.
Glaswelt – Wie ist Teckentrup international aufgestellt?
Teckentrup – Wir haben sechs Auslandsgesellschaften, reine Vertriebsgesellschaften. Wir produzieren nur in Deutschland. Die Gesellschaften in Großbritannien, Schweden, Niederlande, Frankreich und der Schweiz wachsen gut, nur Russland stagniert auf sehr niedrigem Niveau.
Glaswelt – Wenn Sie hier produzieren, bereitet Ihnen Großbritannien dann nicht Sorgen?
Teckentrup – Auf politischer Ebene ist der Brexit ein Drama, weil er viele Unsicherheiten produziert. Damit verbunden wären auch Zölle, und die zahlt letztlich der Endkunde. Ein Brexit würde sicher eine Rezession in UK zur Folge haben, womit auch die Märkte dort kleiner würden. Den Preis muss der britische Verbraucher zahlen. Wir sehen aber auf dem britischen Markt im nächsten Jahr ein Wachstumspotenzial von 20 %. Vor allem durch die Ausweitung unseres Türengeschäfts haben sich hier in den letzten Jahren ganz neue Kundenkreise erschlossen.
Glaswelt – Herr Teckentrup, Herr Diembeck, herzlichen Dank für das Gespräch. —