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Sommerlicher Wärmeschutz: Einflüsse, Anforderungen, Regelwerke, Planung — Teil 2

Das Klima muss stimmen

Einzig der Mindestwärmeschutz ist als eingeführte Technische Baubestimmung über die Landesbauordnungen indiskutabel. Alle anderen Regelsetzungen sind auf der Ebene zivilrechtlicher Vereinbarungen anzusiedeln. Im Streitfall ist es außerordentlich schwer festzulegen, was im Bereich des sommerlichen Wärmeschutzes als anerkannte Regel der Technik zu gelten hat, da es hierzu eine lebhafte Fachdiskussion gibt.

Mindestwärmeschutz

Jedoch ist selbst die Einhaltung des Mindestwärmeschutzes von den Planern bisher sträflich vernachlässigt worden. Der Nachweis des Mindestwärmeschutzes führt zu keinen Angaben über die maximalen Raumtemperaturen oder über den Kühlenergiebedarf. Regelwerk: DIN 4108 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden, Teil 2, Mindestanforderungen an den Wärmeschutz.

Energetische Bewertung

Die energetische Bewertung ist insbesondere mit den Nachweisverfahren der Energieeinsparverordnung verbunden. Bei den Nichtwohngebäuden wird der Energiebedarf für Kühlung primärenergetisch bilanziert. In Verbindung mit Kostenberechnungen für die Bau- und Betriebskosten lassen sich damit Optimierungen vornehmen. Dieses Verfahren führt zu keinen Angaben über mögliche Raumtemperaturen im Sommer. Hinweise auf die Dimensionierung der Technik zur Kühlung sind nur indirekt möglich. Regelwerk: Energieeinsparverordnung für Nichtwohngebäude: DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden Teile 1 bis 10.

Einhaltung vorgegebener Raumtemperaturen

Bei Beschränkung auf passive Kühlmethoden ist eine thermische Gebäudesimulation angemessen. Wichtig für die Gebäudesimulation ist die Festlegung der relevanten Klimarandbedingungen. Durchschnittswerte wie die Testreferenzjahre sind nicht geeignet; zudem muss jeweils die städtebauliche Situation beachtet werden. Besser sind tatsächliche Datensätze von Hitzeperioden. Von der Simulation einzelner Hitzepe­rioden ist die Ermittlung statistischer Angaben zu unterscheiden, wonach festzustellen ist, an wie vielen Tagen von welcher Temperatur im Sommer auszugehen ist.

Es gibt verschiedene Normen und Simulationssoftware. Stellvertretend ist hier nur eine Norm genannt. Regelwerk: DIN EN ISO 13792 Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Berechnung von sommerlichen Raumtemperaturen bei Gebäuden ohne Anlagentechnik.

Auslegung von Kühlsystemen

Die Dimensionierung von Kühlanlagen erfolgt nach festgelegten Auslegungsvorgaben für klimatisierte Räume. Um die Kühllast möglichst niedrig zu halten und damit einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen, sollte dem sommerlichen Wärmeschutz zunächst der Vorrang gegeben werden. Regelwerk: VDI 2078 Berechnung der Kühllast klimatisierter Räume (VDI Kühllastregeln).

Die Europäische Normung – eine Vorausschau

Im Zuge der fortschreitenden Entwicklung der europäischen Harmonisierung des Normungswesens werden in den nächsten Jahren zahlreiche neue technische Regeln auch in diesem Bereich umzusetzen sein – wie z.B.:

  • DIN EN 15251 Bewertungskriterien für den Innenraum einschließlich Temperatur, Raumluftqualität, Licht und Lärm.
  • DIN EN 15255 Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden–Berechnung der wahrnehmbaren Raumkühllast – Allgemeine Kriterien und Validierungsverfahren.
  • DIN EN 15265 Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden – Berechnung des Heiz- und Kühlenergieverbrauchs – Allgemeine Kriterien und Validierungsverfahren.

Planung des sommerlichen Wärmeschutzes

Je nach dem Umfang eines Bauvorhabens sind verschiedene Disziplinen an der Planung des sommerlichen Wärmeschutzes beteiligt, die gemeinsam zu einem Gesamtkonzept für den Wärmeschutz beitragen können. Dabei ist zu beachten, dass die Schutzwirkung auch von der Lichtplanung, von den Ausbaumaterialien und auch von der Akustik (z.B. abgehängte Decken) beeinflusst wird. Zu nennen sind:

  • Architektur: z.B. Bauherrenzielsetzung/Pflichtenheft, Entwurf, bauordnungsrechtliche Nachweise
  • Fassadenplanung: z.B. Wärmedurchlasskoeffizient, Gesamtenergiedurchlassgrad der Verglasung, Sonnenschutz
  • Haustechnik: z.B. Nutzung natürlicher Lüftung, Lüftungstechnik, Klimatechnik, Auslegung der Klimaanlage
  • Lichtplanung: z.B. Tageslichtversorgung, elektrische Beleuchtung
  • Bauphysik: z.B. Wärmespeicherung, Bauteilaufbau, Akustik, thermische Behaglichkeit, energetische Bewertung des Gebäudes
  • Innenarchitektur/Ausstattung: z.B. Lichtplanung / Materialwahl für Oberflächen, Minimierung von Wärmelasten durch Geräte

Dies sind die Eckpunkte, die der Reihe nach auf den Plan treten, wenn die Anforderungen entsprechend gesteigert werden.

  • Abstimmung der Nutzungsanforderungen mit dem Bauherrn ( Genügt Mindestwärmeschutz? Raumtemperaturen und Toleranzbereiche: Temperaturverhältnisse, Zeiten etc.)
  • Nachweis des Mindestwärmeschutzes
  • Simulation der Aufheizung kritischer Räume und Bestimmung geeigneter Gegenmaßnahmen (parallel hierzu energetische Bewertung und Kosten-Nutzen-Analyse)
  • Für Räume, die auch nach Ausschöpfung der baulichen Mittel zu überhitzen drohen:

Ermittlung der Kühllast und Prüfung von Planungsalternativen für die Erzeugung der Kühlenergie. Abstimmung mit der energetischen Bewertung.

Zeitlich kommen die genannten Eckpunkte alle vor der Ausfertigung des Bauantrags zum Tragen, da die Ausgestaltung der Fenster, die energetische Bewertung, der Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes und die Kostenschätzung Voraussetzung für den Bauantrag sind.

Die interdisziplinäre Erarbeitung eines thermischen Gebäudekonzeptes muss früh und mit allen Betroffenen erfolgen. Die Klärung des sommerlichen Wärmeschutzes im Zuge der Werkplanung wäre definitiv zu spät, da sommerlicher Wärmeschutz eine Frage ist, die sich aus der Gesamtkonzeption eines Gebäudes erschließt. Anders als z.B. die Ausgestaltung des Wärmeschutzes zur Vermeidung von Schimmelpilzbildung ist der som­merliche Wärmeschutz weniger eine Frage der Detailplanung.|

Jürgen Veit

Autor

Jürgen Veit ist Dipl.-Ing. für Bauphysik. Sein Berufsweg führte ihn vom Fraun­hofer-Institut für Bauphysik über verschiedene Planungs-, Gutachter- und Forschungstätigkeiten im Bereich der Denkmalpflege zur heutigen Arbeit als Fachleiter des Öko-Zentrums NRW. Schwerpunkte seines Wirkens sind Raumklimafragen sowie energetische Optimierung, Feuchteschutz und Altbausanierung.

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