_ Über 18 Millionen Vögel sterben jährlich in Deutschland aufgrund von Vogelschlag, das heißt durch die Folgen einer Kollision mit Glasflächen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), genauer gesagt der Landesverband NRW, hat das Projekt „Vermeidung von Vogelschlag an transparenten und spiegelnden Bauelementen“ ins Leben gerufen. Dieses Projekt wird durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW gefördert. Ziel des BUND ist es, über die Vogelschlag-Thematik aufzuklären sowie Hilfestellung und Beratung für eine vogelfreundliche Bauweise zu geben.
Hintergrund: Vögel können transparente oder spiegelnde Flächen nicht als Hindernis wahrnehmen. So kollidieren viele Vögel ungebremst mit transparenten Glasflächen bei ihrem Versuch, die dahinter liegenden Bäume oder Büsche zu erreichen und sterben an inneren oder äußeren Verletzungen aufgrund des Aufpralls. Dass man nur selten Opfer des Vogelschlags sieht und oft keine Vogelkörper gefunden werden, liegt daran, dass verletzte Vögel oft nicht an Ort und Stelle sterben, sondern teils schwer verletzt Schutz in nahen Bäumen und Gebüschen suchen. Die entkräfteten Tiere werden zudem zur leichten Beute für Marder oder Katzen.
Die Gefahr des Vogelschlags besteht auch bei spiegelnden Flächen, in denen sich für Vögel ansprechende Vegetation oder der Himmel zeigt. Diese Spiegelung wird von Vögel als realer Lebensraum wahrgenommen.
Welche Höhe die Glasflächen dabei haben ist irrelevant, denn Vögel fliegen in unterschiedlichen Höhen: So gehören Amseln zu den tief fliegenden Arten und Schwalben zu den höher fliegenden. So erstreckt sich die Gefährdung des Vogelschlags über die gesamte Höhe von Bauwerken und hohe Bürogebäude mit Glasfassaden stellen ebenso wie Lärmschutzwände, gläserne Bushaltestellen, Wintergärten sowie Privathäuser und einzelne Fenster eine Gefahr für Vögel dar.
Der steigende Glasanteil bei Gebäuden hat so schwere Folgen für die Artenvielfalt. So kann es passieren, dass bei seltenen Brutpaaren beim Tod eines einzigen Vogels die gesamte lokale Population dieser Art gefährdet ist. Daher sollte diese Gefahr besonders in und um (Vogel-)-Schutzgebiete beim Bau von Gebäuden berücksichtigt und vermieden werden.
Lösungen werden im Flugtunnel ermittelt
Die Lösungen sind vielfältig und können einfach umgesetzt werden. Markierungen, Muster oder Elemente außen vor den Glasflächen helfen den Vögeln, diese als Hindernisse wahrzunehmen.
Um die Wirksamkeit solcher Muster zu bestimmen werden Flugtunneltests genutzt, bei denen sich die Vögel zwischen einer markierten und einer unmarkierten Scheibe entscheiden müssen. Die Vögel kommen bei diesen Tests natürlich nicht zu Schaden, da spezielle Netze vor Scheiben gespannt werden, um einen Aufprall zu verhindern.
Sobald mehr als 90 von 100 der getesteten Vögel einer markierten Glasscheibe ausweichen, gilt das Muster als „hochwirksam“. Die unterschiedlichen Stufen der Wirksamkeit sind in der österreichischen Norm ONR 191040 definiert.
Die bisher getesteten sowie wirksamsten Muster sind einfache Streifen- oder Punktmuster. Aufgrund des Körperbaus der Vögel und dem natürlichen Bestreben selbst die kleinste mögliche Lücke zwischen Hindernissen in der Natur, wie etwa in dichtem Gehölz wahrzunehmen, ist die Orientierung der Markierungen von großer Bedeutung. So können horizontal orientierte Streifenmuster mit einer Strichbreite von 5 mm bei einem Abstand von 50 mm einen ausreichenden Schutz darstellen.
Eine größere Freifläche bietet sich hingegen bei vertikal orientieren Mustern an: Um die Sicherheit für Vögel zu gewährleisten ist bei der genannten Streifenbreite von 5 mm ein Abstand von 100 mm möglich.
Glas vogelfreundlich machen
Muster mit kontrastreichen Farben sind besonders wirksam, wie Schwarz, Weiß, Rot oder Orange. Naturnahe Farben, wie Grün oder Blau, werden hingegen von der Vogelwelt nur bedingt als Hindernis wahrgenommen. Bei der Gestaltung von Mustern für vogelfreundliches Glas, die nicht linearen Strukturen entsprechen, sind aber deutlich mehr Freiheiten gegeben. Unter der Beachtung der „Handflächenregel“ sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Diese Regel besagt, dass Maximal eine Handfläche (etwa 100 mm) auf der Glasfläche frei bleiben darf. Denn größere Flächen bieten gerade für kleinere Vögel ausreichend Platz zum Durchfliegen und werden als möglicher Weg durch ein Hindernis gesehen.
Unter Einhaltung der genannten Abstände sowie der Nutzung von bestimmten Farben lassen sich Fassadengläser entsprechend individuell gestalten, beispielsweise durch florale Muster. Darüber hinaus können zum Beispiel auch Firmenlogos bei der Gestaltung integriert werden.
Technisch sind verschiedene Verfahren möglich, um diese Markierungen aufzutragen. Für eine möglichst lange Lebensdauer sollten die Muster schon bei der Glasherstellung/-Veredlung auf die Flächen von außen aufgetragen werden. Dabei kann auf Techniken wie Ätzungen, Siebdruck oder Laserdruck sowie Sandstrahlung zurückgegriffen werden. Außerdem sollten die Spiegelungen der Scheiben unter 15 % liegen, damit die Muster bestmöglich wirken können. Die alleinige Reduktion der Spiegelung, ohne zusätzliche Markierungen, ist kein ausreichender Vogelschutz.
Eine Nachrüstung mit langlebigen Außenfolien ist ebenfalls möglich, dabei bieten sich mittels Digitaldruck vielfältige Möglichkeiten, die Glasflächen zu gestalten, u. a. auch als Werbefläche, sollte aber zur Vermeidung von Plastik bei einem Neubau nicht die erste Wahl sein.
Sollten Zweifel an der Wirksamkeit des gewählten Musters bestehen, ist es am besten, sich von einem Experten des BUND beraten zu lassen (siehe Kasten), um Unklarheiten zu beseitigen.
Musterbeispiel aus der Schweiz
Eine individuelle und thematisch gelungene Gestaltung von Glaselementen zeigt die schweizerische Vogelwarte Sempach: Ein weißes Muster aus Vögeln bietet ausreichend Schutz für anfliegende Vögel und ist zudem ein optisches Highlight der Fensterfront.
Das eigens für die Vogelwarte erstellte Design besteht aus vielen kleinen kreisförmig angeordneten Vogelsilhouetten, die mittels Laserdruck auf die Scheiben aufgetragen wurden. Dabei wurde auch die Handflächenregel beachtet. So wird nicht nur ein optimaler Schutz für Vögel gewährleistet, sondern auch der Lichteinfall entsprechend eingeschränkt, um eine Sonnenschutz-/Blendschutzfunktion zu übernehmen.
Ein weiteres Beispiel für den Vogelschutz ist das 2016 in Düsseldorf fertiggestellte Erdgaskraftwerk Lausward. Der „Block Fortuna“, der zwar komplett aus Glas gefertigt ist, wurde größtenteils mit horizontalen Streifen ausgestattet, damit kann das Bauwerk an den markierten Stellen als Hindernis für Vögel wahrgenommen werden. Der Vogelschutz wurde bereits während der Planung beachtet und durch die Wiener Umweltanwaltschaft unterstützt.
Die Entscheidung bei den Schutzmustern fiel auf schlichte horizontale Streifen aus mattem Schwarz, die bereits bei der Produktion in die Scheiben eingebrannt wurden. Die Verantwortlichen entschieden sich dennoch dafür einen unmarkierten Teil frei zu lassen, um so eine vermeintlich bessere Aussicht für Besucher zu ermöglichen.
Dieser „Kompromiss“ wäre aus Sicht des BUND nicht nötig gewesen, da es inzwischen Beispiele gibt, bei denen dieses Muster auch für den Betrachter nicht als störend empfunden wird.
UV-Markierungen nur begrenzt wirksam
Selbst wenn ein Bauprojekt bereits abgeschlossen ist, kann es einfach nachgerüstet werden. So wurde im Siebengebirge in einem Fauna-Flora-Habitat (FFH), in dem viele gefährdete Vogelarten leben, ein Glaskubus gebaut. Zunächst wurde mit UV-Markierungen der Marke „Ornilux-Mikado“ gearbeitet, deren Wirksamkeit aber nicht ausreichend ist, u. a. da viele Vogelarten diese UV-Markierungen nicht wahrnehmen können.
Aufgrund der dort lebenden gefährdeten Arten klagte der BUND und die Verantwortlichen mussten Nachrüsten. Denn der maximale Schutz, nach derzeitigem Standard, kann ausschließlich durch sichtbare Muster gewährleistet werden.
Vorsicht: Alle am Markt erhältlichen UV-Markierungen sind für den Vogelschutz nicht ausreichend geeignet. Es stimmt zwar, das einige Vogelarten im UV-Bereich sehen können, dass diese UV-Markierungen aber eine abschreckende Wirkung haben ist nicht ausreichend belegt. Zudem nutzen einige Vogelarten UV-Reflexionen zur Erkennung von Geschlechtspartnern und können diese Markierungen dann sogar als attraktiv empfinden.
Weiter sieht man häufig auf Glas auch Greifvogelsilhouetten, diese Markierungen sind kein Schutz der Vögel, da sie nur im Bereich der Silhouette ein Hindernis darstellen. Der Irrglaube, Vögel würden Greifvogelsilhouetten meiden, hält sich hartnäckig. Dabei ist schon lange belegt, dass die unbewegliche Silhouette eines Feindes keineswegs als Bedrohung wahrgenommen wird, vielmehr sind es die für den Angreifer typischen Bewegungen, welche Vögel abschrecken.
Ebenfalls nicht wirksam sind farbige, aber durchsichtige Scheiben, diese heben sich nicht ausreichend vom Hintergrund ab und können so nicht als Vogelschutz empfohlen werden. Die Kombination aus farbigen Gläsern und wirksamen Mustern kann hingegen eine passende Lösung sein.
Geht es auch ohne Muster?
Wenn die Gestaltung der Fassadengläser ohne Markierungen auf Glasflächen auskommen soll, gibt es weitere Möglichkeiten vogelfreundlich zu bauen: Sehr wirkungsvoll sind zum Beispiel Glasflächen aus Glasbausteinen oder Ornamentglas. Solche Gläser dienen als Sichtschutz und ermöglichen gleichzeitig den Lichteinfall.
Ein anderer wirkungsvoller Schutz gegen Vogelschlag sind begrünte (Metall-)Netze als Fassadenverkleidungen. Infrage kommt z. B. eine Begrünung mit Rankpflanzen, wie Wildem Wein. Diese bietet bei geeigneter Maschenweite einen guten Vogelschutz und weitere Vorteile: So wird das Wohnumfeld durch viel Pflanzenbewuchs aufgelockert und klimatisiert. Zudem steigert biologische Aktivität das Wohlbefinden der Anwohner.
Bei Fassaden mit großen Glasflächen lässt sich mit vorgelagerten Strukturen der Lichteinfall mindern und gleichzeitig bei richtiger Gestaltung ein energieeffizienter und vogelfreundlicher Vogelschutz umsetzen. Zum Beispiel bietet die Bauart des „Brise Soleil“ (d. h ein starrer, außen liegender Sonnenschutz) bei flächendeckender Verwendung in der Fassade, neben Sonnenschutz einen hochwirksamen Schutz vor Vogelschlag, wie man eindrucksvoll am Kantinengebäude der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn sehen kann.
Das Fazit der Autoren
Wie man an der Fülle der hier genannten Beispiele gut erkennen kann, lassen sich vogelfreundliches Bauen und zeitgenössische Architektur gut verbinden. Bei der individuellen Gestaltung von Bauprojekten sind kreative Köpfe mit Herz für die Umwelt gefragt, um so die Lebensqualität für Vögel und für Menschen zu steigern und dadurch einen aktiven Beitrag zum Natur- und Vogelschutz zu leisten.—
Interview mit Dr. Judith Förster vom BUND NRW
GLASWELT – Woran liegt es, dass transparente und spiegelnde Fassadengläser und Flächen so gefährlich für Vögel sind?
Dr. Judith Förster – Vögel können transparente oder spiegelnde Flächen nicht als Hindernis wahrnehmen. Sucht ein Vogel Schutz und sieht Bäume hinter einem Glas, fliegt er ungebremst in die Glasfläche. Ähnlich ist es bei spiegelnden (Glas-)Flächen, die den Himmel oder Bäume reflektieren.
GLASWELT – Warum sieht man kaum tote Vögel, wenn jährlich bei uns rund 18 Millionen aufgrund von Vogelschlag sterben?
Förster – Dass man nur selten Opfer des Vogelschlags sieht liegt daran, dass verletzte Vögel oft nicht an Ort und Stelle sterben, sondern teils schwer verletzt Schutz in nahen Bäumen und Gebüschen suchen, wo sie dann häufig von Katzen und anderen Tieren gefressen werden.
GLASWELT – Ist die Höhe des Glases im Bauwerk relevant?
Förster – Das spielt keine Rolle, denn Vögel fliegen in unterschiedlichen Höhen. Amseln beispielsweise zählen zu den tief fliegenden Arten, Schwalben fliegen hoch. Die Gefahr von Vogelschlag reicht also vom hohen Büroturm mit seiner Glasfassade über die Lärmschutzwand, Wintergärten bis zu Fenstern im Einfamilienhaus u. a.
GLASWELT – Sind Greifvogelsilhouetten auf Glas ein Schutz?
Förster – Nein, diese Markierungen bedeuten keinen Schutz. Der Irrglaube, dass Vögel aufgeklebte Greifvogelsilhouetten meiden, hält sich hartnäckig. Es ist schon lange belegt, dass die unbewegliche Silhouette eines Feindes nicht als Bedrohung wahrgenommen wird.
GLASWELT – Welche Methode hält Vögel effektiv von Gläsern fern?
Förster – Alles was optisch ein Hindernis darstellt: Vögel meiden beispielsweise Muster auf dem Glas, die für sie als Hindernis erkennbar sind und die den Durchflug stören. Bei der Gestaltung von Mustern für vogelfreundliches Glas können lineare und nicht lineare Strukturen zum Einsatz kommen. Wichtig: Bei der Gestaltung solcher Muster muss die „Handflächenregel“ beachtet werden. Das heißt, die Freiräume auf der Glasfläche dürfen maximal so groß wie eine Hand sein, etwa 100 × 100 mm. Bei größeren Flächen können kleinere Vögel wieder ausreichend Platz zum Durchfliegen sehen. Die entsprechenden Muster wirken insbesondere auch mit kontrastreichen Farben, wie Schwarz, Weiß, Rot oder Orange. Farben, wie Grün oder Blau werden von der Vogelwelt nur bedingt als Hindernis wahrgenommen.
Kontakt zum Vogelschutz
Dr. Judith Förster vom Landesverband NRW des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland gibt Auskunft bei Fragen zum Thema Vogelschlag und den zugehörigen Schutzmaßnahmen.