_ Nach unseren Zahlen wurden 2013 in Deutschland gut 17 Mio. m² ESG und 26 Mio. m² VSG verkauft. 2012 war es noch etwas mehr ESG – gut 18 Mio. m² – und etwas weniger VSG: ca. 24,5 Mio. m². Für 2014 rechnen wir mit ca. 17,5 Mio m² ESG und gut 27 Mio. m² VSG.
An dieser Entwicklung der VSG-Zahlen zeigt sich nach unserer Interpretation vor allem der anhaltende Trend zu anspruchsvolleren Glas-Anwendungen. Bodentiefe- und Überkopf-Verglasungen verlangen nach VSG; im konstruktiven Glasbau ist VSG (in der Regel aus 2 x TVG) das Produkt der Wahl.
Die etwas durchhängenden ESG-Zahlen sind zum Teil noch auf das Wegbrechen des Photovoltaik-Marktes zurückzuführen. In der Fassade wurde ESG möglicherweise auch wegen der unglücklichen, immer wieder einmal aufkommenden Diskussion um Nickelsulfid-Spontansprünge zu einem Teil durch VSG substituiert. Perspektivisch wird ESG aber natürlich auch durch den Trend zu Glasanwendungen im Innenausbau weiter stabil nachgefragt werden.
ESG – Besser als sein Ruf
Leider ist ESG offenbar immer noch in vielen Köpfen mit einem gewissen Makel behaftet. Das jüngste BGH-Urteil vom 08.05.2014 – das Revisionsurteil zu der bekannten Entscheidung des OLG Düsseldorf – stellt fest, dass „der vollständige Ausschluss von Nickelsulfid-Einschlüssen technisch nicht gewährleistet werden kann“.
Im vorliegenden Fall hatte der Auftragnehmer zugesichert, dass „die zur Verwendung kommenden vorgespannten Glasscheiben keine zerstörenden Einschlüsse (z. B. von Nickelsulfid) haben dürfen“. In der Diskussion dieses Urteils wurde darauf hingewiesen, dass das natürlich nicht zweckmäßig für ihn war.
Unser Rechtsanwalt Dr. Stephan Kleinjohann rät den ESG-Anbietern zu einer Vereinbarung, in der es sinngemäß heißen müsse, dass das Risiko von Nickelsulfid-Einschlüssen trotz Durchführung fremd-überwachter Heißlagerungstests nicht ausgeschlossen werden kann. Der Bauherr hat keine Mängelrechte gegen den Bauunternehmer, wenn sich dieses Risiko verwirklicht.
Ärgerlich in der Diskussion des Urteils ist die Aussage, das hätte aber doch klar sein müssen, dass man als Auftragnehmer Mangelfreiheit gerade bei ESG oder ESG-H nicht hätte zusagen dürfen; schließlich sei doch bekannt, dass gerade dieses Produkt kaputtgehen könnte.
Da muss man wieder einmal daran erinnern, dass die Bauaufsicht in Deutschland immer, wenn Gefahr für Leib und Leben bestehen könnte fordert, dass die Versagenswahrscheinlichkeit kleiner eins zu einer Million sein muss, aber das ist selbstverständlich nicht Null!
Eine absolute Sicherheit kann es nicht geben
Juristen können sich mit dem ingenieurmäßigen Konzept der Versagenswahrscheinlichkeiten offenbar immer noch nicht anfreunden und haben die etwas romantische Vorstellung, dass „absolute Sicherheit“ gewährleistet werden müsse. Die gibt es aber in der Technik – wie überhaupt im Leben – nicht.
Jedes technische Bauwerk wird mit einer angemessenen bzw. vorgeschriebenen Zuverlässigkeit konstruiert. Beim ESG hat Prof. Jens Schneider für den Bundesverband Flachglas schon vor einigen Jahren nachgewiesen, dass die Zuverlässigkeit nach einem Heat-Soak-Test, wie ihn die Bauregelliste vorschreibt, die geforderte eins zu einer Million zuverlässig erreicht. Deshalb ist dieses Produkt – das ESG-H – nach Bauregelliste in Deutschland ja auch bei Fassadenanwendungen in der Regel gefordert.
Nachholbedarf im Wohnbau
Im privaten (Wohn-)Sektor sehen wir nach wie vor viel Nachholbedarf bei der Verwendung von Sicherheitsglas.
Im Innenbereich sind es unter anderem die berühmten Lichtausschnitte in Türen, die in der Regel in nicht vorgespanntem Glas ausgeführt werden. Insbesondere stark strukturierte Ornamentgläser sind an ihren dünneren Stellen so zerbrechlich, dass man das als unverantwortlich bezeichnen muss. Hier gehört ESG hinein.
Großes Potenzial bei Fensterverglasungen
Aber auch bei den Fensterverglasungen gibt es aus unserer Sicht viel Potenzial für Sicherheitsglas.
Aus Gründen der Einbruchsicherheit sowieso, aber auch wegen des Verletzungsschutzes. Die ganz normale Fenstertür zur Terrasse, wie sie jedes Einfamilienhäuschen hat, wird bedenkenlos in 2 x 4 mm Float ausgeführt – beziehungsweise heute in 3 x 4 mm oder, wegen der so viel diskutierten Glasgewichte, sogar in 3 x 3 mm.
Da muss man schon an die beratenden Fensterbauer appellieren, sehr genau zu überlegen, was sie da tun. Dem Endkunden hier mehr Sicherheit für seine Kinder als Mehrwert zu verkaufen, ist ratsam.
Einen Impuls in diese Richtung kann sicher auch die Produktnorm für Innentüren setzen, die DIN EN 14351-2, die aktuell als Entwurf (Juni 2014) vorliegt. Das Dokument stellt nochmals klar, dass rahmenlose Glastüren mit Sicherheitsglas hergestellt werden müssen.
Wir haben im BF diskutiert, ob wir uns für die stärkere Verwendung von Sicherheitsgläsern in Fenstern einsetzen wollen, und der Vorstand hat sich ganz klar für dieses Ziel entschieden.
In anderen Ländern, wie Italien zum Beispiel, gibt es wegen der dortigen Vorschriften praktisch schon kein neues Fenster ohne Sicherheitsglas mehr. Wie der Weg aussehen kann, das auch in Deutschland einzuführen, sehen wir uns derzeit genauer an. —