Glaswelt – Herr Röttger, wenn eine erhöhte Sicherheit bei Funktionsgläsern gefordert wird, wie lässt sich das umsetzen?
Mirco Röttger – Die Umsetzung ist vielfältig und primär über die Eigenschaften der Einzelscheiben zu erreichen. Vorgespanntes Einscheibensicherheitsglas (ESG) hat neben der erhöhten Temperaturwechselbeständigkeit die Eigenschaft, höhere Anpralllasten aufzunehmen und damit bruchsicherer zu sein. Sollte es dennoch zum Bruch kommen, zerfällt das Glas durch seine Vorspannung in verletzungsarme Kleinpartikel.
Verletzungsmindernd wirkt ebenfalls ein splitterbindendes Verbundsicherheitsglas (VSG). Bei diesem können unterschiedliche Folientypen und -dicken die Sicherheit bezüglich der Schlag- und Bruchhemmung weiter erhöhen. Ebenfalls kann durch spezielle Akustikfolien ein erhöhter Schallschutz erzeugt werden.
Glaswelt – Wie kann ein Glas zudem noch Alarm auslösen?
Röttger – Das geht beispielsweise mit einem ESG, das mit einer elektrischen Alarmschleife versehen wird. Ein solches Glas lässt sich in eine Einbruchmeldeanlage der Klasse C einbinden. Im Schadensfall löst dabei der unterbrochene Stromfluss den Alarm aus.
Auf den Punkt gebracht sorgt die Kombination dieser Sicherheitsgläser dafür, dass u. a. ein Einbrecher nicht oder wenn überhaupt nur äußerst mühselig durch die Verglasung hindurchkommt, er sich bei dem Versuch nicht schwerer verletzt und – abgesehen vom ausgelösten Alarm – auch keine großartigen Lärm erzeugt.
Glaswelt – Gibt es noch andere Ansätze, um mittels Glas eine erhöhte Sicherheit zu schaffen?
Röttger – Zum primären Einbruchschutz über Fenster und Fassade gibt es kaum Alternativen. Parallel kann man jedoch durch weitere Maßnahmen einen passiven Einbruchschutz generieren, der von Versicherungen teils unterstützt wird. So lässt sich beispielsweise durch Lichtquellen in oder an der Verglasung ein bewohnter Zustand suggerieren, der potenzielle Einbrecher abhalten soll. Ein weiterer Aspekt ist die Unkenntlichmachung des Innenraums, Stichwort schaltbares Glas. Und indem man Jalousien im Scheibenzwischenraum einsetzt wird zusätzlich zur Sonnenschutzfunktion ein exzellenter Sichtschutz ermöglicht.
Glaswelt – Vielfach wird heute 3-fach-ISO eingebaut, macht es da noch Sinn, bei solchen Isoliergläsern die eingangs genannten Sicherheitsgläser zu verwenden?
Röttger – Dass ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis existiert, ist aktuell unbestritten. Daher macht Sicherheitsglas grundsätzlich Sinn. Das ist unabhängig von der Art der Verglasung. Zudem sorgt die zusätzliche Scheibe beim 3-fach-Isolierglas zwar für erhöhten Wärmeschutz, aber nicht automatisch für höhere Sicherheit.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass es sogar ratsam ist, bei 3-fach-ISO die mittlere Scheibe in ESG auszuführen, um einem Bruch vorzubeugen, da diese Scheibe teilweise sehr hohen Temperatur- und Druckschwankungen ausgesetzt ist.
Glaswelt – Wo werden heute vermehrt Sicherheitsgläser verbaut, bitte nennen Sie dazu einige Beispiele?
Röttger – Flughäfen, Bahnhöfe, Behörden- und Gerichtsbauten sowie andere öffentliche Einrichtungen bedürfen aktuell des kompletten Spektrums an Sicherheitsgläsern. Die dort nachgefragten Funktionen reichen von Bruchsicherheit und Durchschusshemmung bis hin zu sprengsicheren und explosionssicheren Gläsern.
Ein neues Feld erschließt sich im Zuge der zunehmenden Digitalisierung in der Privatwirtschaft zudem noch bei Unternehmen im Umgang mit hochsensiblen Daten und Technologien. Dabei wird der Sicherheitsaspekt nochmals um das Thema Abschirmung und Privatsphäre erweitert. Das betrifft insbesondere auch die Gläser in der Fassade und im Innenraum (Glastüren, Trennwände etc.).
Glaswelt – Müssen Sicherheitsgläser nicht gemeinsam mit der Fenster- und der Fassadenkonstruktion geprüft werden?
Röttger – Das ist richtig. Gerade im Hochsicherheitsbereich müssen alle verwendeten Materialien und Konstruktionen der Gebäudeaußenhülle sowohl separat als auch an den Schnittstellen in Kombination untereinander auf Funktion und Verträglichkeit geprüft werden. Zusätzlich fällt das Augenmerk verstärkt auf korrekte Wartung und Überwachung, wie bei den genannten Alarmsicherheitsgläsern oder den schaltbaren Verglasungen.
Glaswelt – Wo haben Sie zuletzt spezielle Sicherheitsgläser verbaut?
Röttger – Ein gutes Beispiel ist das jüngst auf den neuesten Sicherheitsstandard umgerüstete Therapiezentrum für Forensische Psychiatrie in Marsberg (Anm. der Red: Lesen Sie dazu auch in GLASWELT 8/2018, Seite 34 + 35). Dort wurden von der Firma Risse-Glas aus Rüthen in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Plassmann+Plassmann die Isoliergläser ausgetauscht. Die neuen ISO-Einheiten sind multifunktional und gewährleisten Alarmsicherung, Schalldämmung, Ausbruchschutz sowie auch der Sichtschutz.
Umgesetzt wurde dies durch den Einsatz von Alarmsicherheitsgläsern und P8B-Verbundsicherheitsgläsern in Kombination mit einer motorbetriebenen Jalousie im SZR für Sonnen-, Blend- und Sichtschutz. Der für die Jalousie notwendige größere SZR sowie die Verbundfolie der Gläser sorgten nebenbei auch noch für einen erhöhten Schallschutz. —
Das Interview führte Matthias Rehberger.