_ In Deutschland muss für betret- und begehbare Verglasungen bei Einfachglas und für die untere Scheibe von Isolierglas ein VSG aus Floatglas oder TVG verwendet werden.
Die TRLV regelt nur Verglasungen für Treppenstufen und Podestelemente mit maximalen Abmessungen von B x L = 400 x 1500 mm. Dabei muss das VSG allseitig linienförmig gelagert sein und mindestens aus drei Einzelscheiben bestehen. Die oberste Scheibe aus ESG oder TVG 10 mm ist als sogenannte Verschleißschicht anzusehen und darf bei der Bemessung nicht berücksichtigt werden. Die unteren beiden Scheiben müssen aus TVG oder Floatglas 12 mm ausgeführt werden.
Bewegt sich der Verarbeiter außerhalb der gesetzlichen Abmessungen ist eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erforderlich.
Die neue Glas DIN 18008-5 definiert zusätzliche Anforderungen an begehbare Überkopfverglasungen (betretbare Verglasungen werden nicht getrennt geregelt), begrenzt jedoch den Anwendungsbereich auf eine maximale Nutzlast von 5,0 kN/m2. Auch hier darf die oberste Scheibe einer monolithischen VSG-Einheit aus mindestens 3 Einzelscheiben in der Bemessung berücksichtigt werden.
Zusätzlich ist aber der Ausfall der obersten Scheibe als außergewöhnlicher Lastfall zu betrachten. Eine Größenbeschränkung ist nicht vorgesehen.
Im Anhang B der DIN finden sich Glasaufbauten mit nachgewiesener Stoßsicherheit und Resttragfähigkeit. Weicht man als Verarbeiter oder Planer davon ab, sind Resttragfähigkeitsversuche erforderlich.
In Österreich regelt die ÖNORM B 3716-4 die Anforderungen an betretbare, begehbare und befahrbare Verglasungen. Diese Verglasungen dürfen linien- und/oder punktförmig gelagert werden. Mindestglasdicken und eine Größenbeschränkung sind nicht vorgegeben. Eine statisch nicht tragende Verschleißschicht ist nur bei Verwendung in öffentlichen Gebäuden vorzusehen. In nicht öffentlichen Gebäuden ist grundsätzlich ein VSG aus 2 x Floatglas oder TVG möglich. Die Anforderungen an die Resttragfähigkeit entsprechen den Vorgaben der Überkopfverglasungen (siehe Teil 1 der Serie in GLASWELT 05/2014, Seite 92).
In der Schweiz enthält die SIGaB-Richtlinie „Sicherheit mit Glas – Personenschutz, Absturzsicherheit/Verletzungsschutz“ Hinweise für Schrägverglasungen sowie begehbare und betretbare Gläser. Für begehbare Verglasungen wird ein VSG mit hohem Trägheitsmoment empfohlen, sodass unter Maximalbelastung die Durchbiegung weniger als 2 mm beträgt. Anforderungen an die Lagerungsart, Resttragfähigkeit und Mindestglasdicken werden nicht gestellt.
In Italien gibt es ähnlich wie in der Schweiz keine geforderten Versuche betreffend der Resttragfähigkeit. In der kürzlich in Kraft getretenen UNI 7697:2014 wird für Überkopfverglasungen jedoch eine Sicherstellung der Resttragfähigkeit durch die Glaswahl gefordert. Dadurch wird der Einsatz von VSG aus ESG ausgeschlossen. Bemessungen können nach den Normen der Nachbarländer durchgeführt werden.
Anforderungen bei SG-Fassaden
In Deutschland sind Structural Glazing Fassaden (SG) durch die Liste der technischen Baubestimmungen geregelt. Es werden zwei Anwendungsbereiche in Abhängigkeit der Einbauhöhe unterschieden.
- Bis 8 m über Gelände (Oberkante Glas) können die Typen I und II ausgeführt werden.
- Ab einer Einbauhöhe> 8 m (Unterkante Glas) darf nur Typ I ausgeführt werden.
Übernehmen die Verglasungen zusätzlich eine absturzsichernde Funktion, so ist unabhängig des Ausführungstyps eine ZiE erforderlich.
Zudem sind die in den Landesbauordnungen definierten Verwendungsbedingungen zu beachten.
In Österreich ist in der Baustoffliste ÖE die Anwendung der Typen I und III geregelt. Die Typen II und IV sind nicht zugelassen.
Unabhängig von der Position der SG-Fassade über Gelände ist immer eine mechanische Sicherung vorzusehen, auch bei Erdgeschossverglasungen.
In der Schweiz und Italien gibt es keine Einschränkungen zur Leitlinie ETAG 002-1. Es können die Typen I – IV ausgeführt werden.
Unabhängig von der Art der Verklebung (Typ I – IV) und in welchem Land eine SG-Fassade ausgeführt wird, dürfen grundsätzlich nur Silikone mit einer europäisch technischen Zulassung (ETA) verwendet werden. Weiter ist zur Qualitätssicherung der Verklebung zwingend eine Eigen- und Fremdüberwachung erforderlich.
Eine Bemessung der Verklebung ist bei jedem Ausführungsfall erforderlich und unumgänglich. Verbindliche Vorgaben zur Bemessung und zur Ausführung werden in der Leitlinie ETAG 002-1 und den Zulassungen angegeben. Ergänzend ist die EN 13022 (Glas im Bauwesen – geklebte Verglasungen) zu berücksichtigen.
Das Fazit der Autoren
Die Anforderungen an die Sicherheit von SG-Sonderkonstruktionen sind in den einzelnen Ländern vollkommen unterschiedlich. Insbesondere ist zu beachten, dass bei geklebten Konstruktionen gewisse Verglasungstypen in einzelnen Ländern nicht zugelassen sind. Ähnliches gilt für Glasaufbauten bei begeh- und betretbaren Verglasungen.
Eine genaue Kenntnis der Normen und Anforderungen ist bereits in der Ausschreibungs- und Planungsphase zwingend erforderlich, um als anbietendes Unternehmen nicht Gefahr zu laufen, aufgrund einer falschen Angabe auf massiven Mehrkosten sitzen zu bleiben. —
Die Autoren
Die Ingenieure Heinz Pfefferkorn (Dornbirn, Österreich) und Felix Bertagnolli (Bozen, Italien) sind in leitender Funktion für die gbd Gruppe, einer akkreditierten und notifizierten Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle, tätig.